Zu den Voraussetzungen des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO
BGH 21.11.2017, XI ZR 106/16Die Kläger nehmen die Beklagte auf Erstattung einer "Vorfälligkeitsentschädigung" und vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten nach Widerruf ihrer auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen in Anspruch. Die Kläger schlossen am 15.4.2009 mit der Beklagten durch Präsenzgeschäft einen Verbraucherdarlehensvertrag über 318.000 €. Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt.
Auf Wunsch der Kläger wurde das Darlehen zum 1.8.2013 gegen eine "Vorfälligkeitsentschädigung" i.H.v. rd. 34.000 € vorzeitig abgelöst. Mit Schreiben ihres am 26.1.2015 mandatierten vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 27.1.2015 widerriefen die Kläger ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen. Mit ihrer Klage begehren die Kläger Erstattung der "Vorfälligkeitsentschädigung" nebst Zinsen und vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten.
Das LG wies die Klage ab. Auf die dagegen gerichtete Berufung erteilte das OLG durch Verfügung des Vorsitzenden vor Bestimmung einer Berufungserwiderungsfrist und Eingang einer Berufungserwiderung einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO. Nach Vorlage der Berufungserwiderung und Ablauf der den Klägern in der Hinweisverfügung gesetzten Frist wies es die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurück. Auf die Revision der Kläger hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die angefochtene Entscheidung genügt den Anforderungen, die § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO bzw. § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO an die Entscheidung des Berufungsgerichts stellen, so dass der Zurückweisungsbeschluss nicht von Amts wegen aufzuheben ist.
Das OLG hat den Zurückweisungsbeschluss entgegen der Rüge der Revision insbesondere auch nicht deshalb verfahrensfehlerhaft erlassen, weil es einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO vor Eingang der Berufungserwiderung erteilt hat. Das Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht voraus, dass eine Berufungserwiderung eingegangen oder dem Berufungsbeklagten ergebnislos eine Frist zur Erwiderung gesetzt worden ist. Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich nichts anderes.
Der Zurückweisungsbeschluss hält aber einer inhaltlichen Überprüfung nicht stand. Wie der Senat nach seinem Erlass entschieden hat, kann der Inhalt einer Widerrufsbelehrung hier nach § 495 BGB und § 355 Abs. 2 BGB in der bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung nicht anhand des nicht in der Widerrufsbelehrung selbst in Textform dokumentierten gemeinsamen Verständnisses der Parteien nach Maßgabe der besonderen Umstände ihrer Erteilung präzisiert werden. Da die Beklagte, die das Muster für die Widerrufsbelehrung gem. Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV nicht verwandt hat und sich mithin nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion dieses Musters berufen kann, die Kläger nicht in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben belehrt hat, war die Widerrufsfrist bei Erklärung des Widerrufs im Januar 2015 noch nicht abgelaufen.
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