24.02.2012

Zu den Voraussetzungen ergänzender Vertragsauslegungen bei Konkurrenzschutzklauseln in Mietverträgen

Allein der Umstand, dass ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, besagt nicht, dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit handelt. Von einer planwidrigen Unvollständigkeit kann nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen.

BGH 11.1.2012, XII ZR 40/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Jahr 1986 mit der Beklagten einen Mietvertrag über Gewerberäume zum Betrieb eines Optik- und Hörgerätegeschäfts in einem "Ärztehaus" abgeschlossen. Der Vertrag enthielt eine "Konkurrenzschutz-Klausel" hinsichtlich weiterer Optik- und Hörgerätegeschäfte in den Objekten der Beklagten. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wurde in dem Gebäude bereits eine Praxis für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde betrieben, die von der Streithelferin der Beklagten im Oktober 2005 übernommen wurde. Die Klägerin, die in den angemieteten Räumen zunächst nur ein Optikergeschäft betrieben hatte, erweiterte 2006 ihren Betrieb um eine Hörgeräteakustikabteilung.

In der Folgezeit begann die Streithelferin im sog. "verkürzten Versorgungsweg" Hörgeräte unmittelbar an Patienten abzugeben. Die Klägerin sah darin einen Verstoß gegen die Konkurrenzschutzklausel. Sie begehrte u.a. von der Beklagten, gegenüber der Streithelferin auf die Einhaltung der Konkurrenzschutzklausel hinzuwirken. Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr im Wesentlichen statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Urteil auf und wies die Berufung der Klägerin zurück.

Die Gründe:
Die Annahme des Berufungsgerichts, die Konkurrenzschutzklausel des Mietvertrages weise eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke auf, begegnete durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Zwar war es richtig, dass die Klägerin und die Beklagte bei Abschluss des Mietvertrages im Jahr 1986 die Möglichkeit der Versorgung von Patienten mit Hörgeräten durch den in dem Objekt praktizierenden HNO-Arzt nicht berücksichtigen konnten, weil die Leistungserbringung im "verkürzten Versorgungsweg" erst im Januar 1989 eingeführt wurde. Dennoch war es zur Verwirklichung des Regelungsplans der Vertragsparteien nicht erforderlich, den vereinbarten Konkurrenzschutz auf die Abgabe von Hörgeräten im "verkürzten Versorgungsweg" durch die Streithelferin auszudehnen. Schließlich sollte die Klägerin primär vor unmittelbarer Konkurrenz durch einen gleichartigen Geschäftsbetrieb geschützt werden.

Hätten die Vertragsparteien, wie vom Berufungsgericht angenommen, tatsächlich die Absicht gehabt, die Klägerin auch vor ärztlichen Leistungen zu schützen, die sich mit ihrem eigenen Geschäftsbereich überschneiden, hätte es nahegelegen, bei der Formulierung der Konkurrenzschutzklausel nicht auf den Betrieb eines weiteren Optik- und Hörgerätefachgeschäfts abzustellen, sondern die Leistungen, für die der Klägerin Konkurrenzschutz gewährt werden sollte, konkret zu benennen. Dass von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht worden war, sprach dafür, dass nach dem Regelungsplan der Parteien die Klägerin tatsächlich nur vor der Konkurrenz durch ein weiteres Optiker- und Hörgerätegeschäft geschützt werden sollte.

Außerdem hatte die Klägerin zunächst viele Jahre nur ein Optikgeschäft betrieben. Erst nach der Übernahme der HNO-Praxis durch die Streithelferin erweiterte sie ihr Geschäft um eine Akustikabteilung. Da jeder Patient frei darüber entscheiden kann, wo er sich ein verordnetes Hörgerät anfertigen lässt, hat die Klägerin durch die Eröffnung der Akustikabteilung allerdings nur die Chance erworben, Patienten der HNO-Praxis als Kunden zu gewinnen und ihre Ertragslage zu verbessern. Somit konnte nicht davon ausgegangen werden, dass ohne eine Ausdehnung der Konkurrenzschutzklausel auf die Tätigkeiten der Streithelferin im Rahmen des "verkürzten Versorgungswegs" der von den Mietvertragsparteien intendierte Schutz der Klägerin wesentlich beeinträchtigt und der Regelungsplan der Parteien unvollständig wäre.

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