Zu irreführender Werbung für einen Stromtarif mit dem Begriff Festpreis
OLG Hamm 8.11.2011, I-4 U 58/11Die Parteien stehen als Energieversorgungsunternehmen miteinander im Wettbewerb in Bezug auf die Lieferung von Strom an Endkunden. Die Beklagte bietet einen Tarif an und bewarb ihn im Oktober auf ihrer Internetseite mit der Überschrift: "Festpreis* bis zu 36 Monaten konservieren. Genießen Sie Preissicherheit* - bis 30.06.2013". Am Ende des Angebots wurde der Sternchenhinweis wie folgt aufgelöst: "Ausgenommen sind Änderungen durch Umsatz- und/oder Stromsteuer und eventuelle neue Steuern sowie durch Änderungen der erneuerbare-Energie-Gesetz-Umlage."
Die Klägerin beanstandet das Werbeangebot der Beklagten als irreführende Werbung, weil mit dem Begriff "Festpreis" geworben und dabei ein Anteil von über 40 Prozent des Gesamtpreises von der Preisgarantie ausgenommen werde. Sie begehrt deshalb mit ihrem Klageantrag die Unterlassung einer solchen Werbung, "wenn tatsächlich preisbildende Faktoren, insbes. die Umsatzsteuer und/oder Stromsteuer und eventuelle neue Steuern oder Änderungen der EEG-Umlage variabel seien".
Das LG gab der Klage antragsgemäß statt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der Werbung für den Stromtarif mit dem Begriff "Festpreis" aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der irreführenden geschäftlichen Handlung.
Stromtarife haben hat die Besonderheit, dass es neben dem festen Grundpreis verbraucherabhängige weitere Preisbestandteile geben soll. Dem mit dem Begriff "Festpreis" werbenden Stromerzeuger bleibt es daher grundsätzlich unbenommen, bestimmte Ausnahmen von dieser Preisgarantie durch einen Sternchenhinweis zu kennzeichnen. Allerdings muss diese Aufklärung dann einen erkennbaren Bezug zu der im Blickpunkt stehenden Werbeaussage haben und geeignet sein, eine Fehlvorstellung des Verbrauchers über den erläuterungsbedürftigen Begriff "Festpreis" zu vermeiden.
Das ist hier nicht der Fall. Ein nicht unerheblicher Anteil der Verbraucher nimmt mangels geeigneten Vorwissens über die Preisstrukturen beim Strompreis nicht von sich aus an, dass weniger als 60 Prozent des Stromtarifs fest, der übrige Teil variabel ist. Nach den Erfahrungen mit der bei Umsatzgeschäften regelmäßig anfallenden Mehrwertsteuer gehen sie von einer Größenordnung von 20 bis 25 Prozent des Gesamtpreises aus, der der Preisgarantie nicht unterliegen könnte, wenn keine genaueren Angaben gemacht werden. In jedem Fall nimmt der Verbraucher nicht nur an, dass mehr als 50 Prozent des Strompreises gesichert sind, sondern geht von einem erheblich größerem Anteil aus, ohne dass dieser genau beziffert werden müsste.
Die Beklagte hat aber vorliegend nur auf Steuern, Stromsteuer, neue Steuern und die EEG-Abgabe verwiesen, ohne deutlich zu machen, wie hoch der Anteil dieser Bestandteile in Bezug auf den Gesamtpreis ist. Es reicht auch nicht aus, dass an anderer Stelle im Internetauftritt der Beklagten darauf hingewiesen worden ist, dass sich die EEG-Abgabe um einen ganz erheblichen Anteil erhöht hatte und dass letztlich deshalb der Gesamtstrompreis erhöht werden musste. Abgesehen davon, dass es insoweit an der Mitteilung einer klaren Bezugsgröße fehlt, die der Verbraucher einordnen könnte, muss er diese weiteren Informationen nicht lesen, wenn er sich mit der eigentlichen Werbung beschäftigt, die Grundlage des Unterlassungsantrags ist. Schon diese fehlende Aufklärung kann somit die Irreführung begründen.
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