24.09.2013

Zu Schadenersatzforderungen gegen die Landeslottogesellschaft Brandenburg nach Einstellung des Lotto-Internetvertriebs

Die Entscheidung des Landes Brandenburg, die seiner Lottogesellschaft erteilte Erlaubnis zum Internetvertrieb von Glücksspielen aufgrund eines Beschlusses des Bundeskartellamtes, mit dem dieses den Lottogesellschaften untersagte, ihr jeweiliges Vertriebsgebiet für Lotterien und Sportwetten auf das jeweilige Landesgebiet zu beschränken, zu widerrufen, begründet keine kartellrechtlichen Ansprüche des Internetproviders. Das Land Brandenburg handelte beim Widerruf der Erlaubnis hoheitlich und nicht unternehmerisch.

BGH 24.9.2013, KZR 62/11
Der Sachverhalt:
Die beklagte Lottogesellschaft des Landes Brandenburg beauftragte die Klägerin, ein im Glücksspielmarkt tätiges Dienstleistungsunternehmen, im November 2002 in einem Hosting-Vertrag mit dem technischen Betrieb einer Internetplattform zum Vertrieb von Glücksspielen gegen eine umsatzabhängige Vergütung. Die Beklagte gehört wie die Lottogesellschaften der übrigen Bundesländer dem Deutschen Lotto- und Totoblock an. Nach dem Blockvertrag des Lotto- und Totoblocks war der Vertrieb von Lotterien und Sportwetten auf das jeweilige Bundesland beschränkt.

Im August 2006 untersagte das Bundeskartellamt den Lottogesellschaften der Bundesländer, ihr jeweiliges Vertriebsgebiet für Lotterien und Sportwetten unter Beachtung des Blockvertrags und des Lotteriestaatsvertrags auf das jeweilige Landesgebiet zu beschränken. Am 6.11.2006 entschieden daraufhin die Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Bundesländer - mit Ausnahme Schleswig-Holsteins - in einer Telefonkonferenz, die von ihren Lottogesellschaften betriebenen Internetangebote von Glücksspielen einzustellen. Das Land Brandenburg widerrief noch am selben Tag die seiner Lottogesellschaft erteilte Erlaubnis zum Internetvertrieb von Glücksspielen.

Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Internetvertrieb zum Ablauf desselben Tages einzustellen. Dem kam die Klägerin nach. Die Internetplattform betrieb sie ohne Spielangebot zu Informationszwecken weiter, bis der Hosting-Vertrag aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten zum 31.12.2007 auslief. Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen der Einstellung des Internetvertriebs für die Zeit vom 6.11.2006 bis zum 31.12.2007. Sie meint, der Widerruf der Erlaubnis zum Internetvertrieb beruhe auf einer kartellrechtswidrigen Absprache der Bundesländer.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Das OLG ist dabei davon ausgegangen, dass die Beklagte von der Vergütungspflicht frei geworden und nicht schadensersatzpflichtig sei. Sie habe die Unmöglichkeit der weiteren Vertragsdurchführung nicht zu vertreten. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das OLG zurück.

Die Gründe:
Es sind keine kartellrechtlichen Ansprüche der Klägerin ersichtlich, da das Land Brandenburg beim Widerruf der Erlaubnis hoheitlich und nicht unternehmerisch gehandelt hat.

Das Bundeskartellamt hatte der Beklagten ein erhebliches Zwangsgeld angedroht, wenn sie ihren Internetvertrieb nicht spätestens bis zum 7.11.2006 für Spielteilnehmer aus anderen Bundesländern öffnet. Demgegenüber hatte das BVerfG mit Beschluss vom 28.3.2006 (BVerfGE 115, 276) das Internetangebot von Glücksspielen als bedenklich angesehen und die Erweiterung des staatlichen Wettangebots bis zu einer verfassungskonformen Neuregelung des Glücksspielrechts ausgeschlossen. Wegen dieser unterschiedlichen Anforderungen des BVerfG und des Bundeskartellamts konnte sich das Land als Ordnungsbehörde ohne Ermessensfehler dafür entscheiden, den weiteren Internetvertrieb von Glücksspielen durch Widerruf der Erlaubnis der Beklagten vollständig zu unterbinden.

Das ordnungsbehördliche, nicht unternehmerische Handeln des Landes wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Widerruf der Erlaubnis einer Übereinkunft der Chefs der Staats- und Landeskanzleien der Bundesländer vom 6.11.2006 entsprach, die wiederum der Empfehlung der Glücksspielreferenten der Länder vom 2.11.2006 gefolgt war, den Internetvertrieb gänzlich einzustellen. Im Hinblick auf die damals herrschende große rechtliche Unsicherheit bei der Beurteilung des Internetvertriebs von Glücksspielen bestand ein ordnungsrechtlicher Abstimmungsbedarf zwischen den Bundesländern.

Allerdings kommt aufgrund des Hosting-Vertrags ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz von nicht mehr vermeidbaren Aufwendungen wie Personal- und Leasingkosten in Betracht, die ihr bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin entstanden und wegen des Wegfalls der Erlaubnis nutzlos geworden sind. Außerdem kann die Klägerin eine Vergütung für den von der Beklagten gewünschten Weiterbetrieb der Internetplattform ohne Spielangebot verlangen. Da in diesem Zusammenhang noch weitere Feststellungen zu treffen sind, war die Sache an das OLG zurückzuverweisen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 154 vom 24.9.2013
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