Zum adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsbeeinträchtigung in privater Unfallversicherung
BGH 19.10.2016, IV ZR 521/14Die Klägerin war in einem Sportverein als Übungsleiterin beim Kinderturnen tätig. Im November 2009 hatte sie einem zehnjährigen Jungen beim Versuch eines Flickflacks Hilfestellung gegeben. Infolge einer hierbei ausgeführten Drehbewegung kam sie selbst zu Fall und klagte über heftige Kreuzschmerzen. Am nächsten Tag konnte sie nicht mehr alleine aus dem Bett aufstehen. Zwei bis drei Tage später war sie nicht mehr in der Lage, auf dem linken Bein zu stehen. Nachdem sich die Schmerzen bis zu einer Ohnmacht ausgeweitet hatten, begab sie sich in stationäre Behandlung. Dabei wurden im MRT bei L4/L5 eine Bandscheibenprotrusion und eine Spinalkanalstenose festgestellt.
Ende Januar 2011 machte die Klägerin wegen einer Beeinträchtigung der Beweglichkeit des Rumpfes, einer verminderten Belastbarkeit sowie in das linke Bein ausstrahlender Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich Ansprüche aus der Unfallversicherung geltend. Ein daraufhin von der beklagten Versicherung eingeholtes Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Spinalkanalstenose bereits vor dem Ereignis bestanden haben müsse und die nachgewiesene Bandscheibenprotrusion nicht als bedingungsgemäße Unfallfolge zu werten sei. Infolgedessen lehnte die Beklagte Leistungen ab.
Die Klägerin nahm die Beklagte gerichtlich auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung von 34.000 € in Anspruch. Der vom LG beauftragte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Beschwerden der Klägerin nicht auf den Bandscheibenprolaps, sondern auf eine Facettengelenksarthrose zurückzuführen seien, für die der Unfall keine richtungsweisende Verschlimmerung dargestellt habe, sondern die durch den Unfall nur aktiviert worden sei. Daraufhin stützte sich die Klägerin auf die Arthrose als Ursache ihrer Bewegungseinschränkungen. Sie behauptete, auch die Arthrose sei erst unfallbedingt entstanden.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Das Berufungsgericht hätte die Kausalität des von ihm festgestellten Unfallgeschehens für den bei der Klägerin eingetretenen Dauerschaden - dessen Vorliegen mangels gegenteiliger Feststellungen für das Revisionsverfahren zu unterstellen war - mit der von ihm gegebenen Begründung nicht verneinen dürfen.
In der privaten Unfallversicherung genügt es für einen adäquaten Kausalzusammenhang nämlich zwischen Unfallereignis und Gesundheitsbeeinträchtigung, dass das Unfallereignis an der eingetretenen Funktionsbeeinträchtigung mitgewirkt hat, wenn diese Mitwirkung nicht gänzlich außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt. Eine wesentliche oder richtungsgebende Mitwirkung ist anders als im Sozialversicherungsrecht nicht zu verlangen. Daher schließt das Vorhandensein von Vorschäden für sich genommen die Kausalität nicht aus. Somit wäre die Kausalität des Unfallgeschehens für die Gesundheitsbeeinträchtigung der Klägerin zu bejahen, wenn die bei dem Vorfall auf die Klägerin einwirkenden Kräfte mögen sie auch gering gewesen sein die Aktivierung der zuvor klinisch stummen Facettengelenksarthrose bewirkt und damit die geltend gemachten Dauerbeschwerden ausgelöst haben. Die entsprechenden Feststellungen muss das OLG noch treffen.
Zwar nimmt ein Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums an, dass ein adäquater Kausalzusammenhang entfällt, wenn die Funktionsbeeinträchtigung auch auf degenerativen oder anlagebedingten Vorschäden beruht, die bis zum Unfall noch keine Beschwerden ausgelöst hatten, so dass jede andere Ursache die Gesundheitsschädigung ebenso gut hätte herbeiführen können und der Unfall, der in diesen Fällen häufig auch als "Gelegenheitsursache" bezeichnet wird, nur einen unmaßgeblichen Anlass für die Beschwerden setzt. Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend. In der privaten Unfallversicherung ist gerade nicht von einem eigenständigen unfallversicherungsrechtlichen Kausalbegriff auszugehen. Der Begriff der Gelegenheitsursache stammt aus dem Sozialversicherungsrecht, das nicht jede Mitwirkung genügen lässt, sondern für die Kausalität eine wesentliche oder richtungsgebende Mitwirkung verlangt.
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