Zum ausschließlichen Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 ZPO
BGH 1.12.2016, X ARZ 180/16Der in Koblenz wohnhafte Kläger begehrt von der in Berlin ansässigen Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit einer mittelbaren Beteiligung an einem Medienfonds. Am 4.3.2005 wurde die Fondsgesellschaft als Kommanditgesellschaft mit Sitz in der zum LG München I gehörenden Gemeinde Grünwald in das Handelsregister eingetragen. Am 2.11.2005 wurde die Beklagte als deren Kommanditistin eingetragen. In einem Emissionsprospekt wurde die Alleingesellschafterin der Komplementärin und zugleich Kommanditistin bei Gründung der Gesellschaft als Initiatorin des Medienfonds und Herausgeberin des Prospekts bezeichnet. Die Beklagte wurde darin als Treuhandkommanditistin sowie als Mittelverwendungskontrolleurin benannt.
Der Kläger trägt vor, er habe ebenfalls am 2.11.2005 nach einem Beratungsgespräch mit einer Anlagevermittlerin in seiner Privatwohnung eine mittelbare Beteiligung gezeichnet. Mit der Zeichnung habe gemäß Zeichnungsschein ein Treuhandvertrag mit der Beklagten zustande kommen sollen, gemäß dem diese die mittelbare Beteiligung des Klägers unmittelbar als Kommanditistin der Fondsgesellschaft halten sollte. Die Komplementärin habe die Beteiligung am 11.11.2005 auch im Namen und in Vollmacht der Beklagten als Treuhandkommanditistin angenommen. Der Kläger stützt seine Ansprüche gegen die Beklagte auf die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten aufgrund ihrer Stellung als Treuhandkommanditistin sowie auf eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung wegen unterlassener Aufklärung im Zusammenhang mit der Zeichnung.
Das angerufene LG München I erklärte sich für unzuständig und verwies den Rechtsstreit gemäß einem Hilfsantrag des Klägers an das LG Koblenz. Das LG Koblenz erklärte sich seinerseits für unzuständig und legte den Rechtsstreit zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem OLG München vor. Das OLG legte die Sache dem BGH vor und führte aus, wegen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör binde der Verweisungsbeschluss des LG München I nicht, eine Zuständigkeit dieses LG nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO sei jedoch zu verneinen, weil die Vorschrift entgegen der Rechtsprechung anderer OLG Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne, auf die allein der Kläger sich stütze, nicht erfasse.
Der BGH bestimmte das LG Koblenz als zuständiges Gericht.
Gründe:
Eine Zuständigkeit des LG München I ergibt sich aus dem Klagevorbringen nicht. Zuständig ist hingegen das LG Koblenz. Die örtliche Zuständigkeit dieses Gerichts ergibt sich aus § 29c ZPO.
Das LG München I ist nicht nach § 32b Abs. 1 ZPO ausschließlich zuständig. Nach der Konzeption des § 32b Abs. 1 ZPO in der Fassung des KapMuG von Oktober 2012 ist der Anwendungsbereich von Nr. 1 dieses Absatzes von demjenigen gem. Nr. 2 zu unterscheiden. Nach dieser Neufassung ist eine Zuständigkeit am Sitz des Emittenten, Anbieters oder der Zielgesellschaft im Falle von § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO nur dann gegeben, wenn einer der (weiteren) Beklagten auch gem. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Anspruch genommen wird. Dies setzt gem. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO voraus, dass der Beklagte den Prospekt herausgegeben hat oder zu den Gründern, Initiatoren oder Gestaltern der Gesellschaft gehört, soweit diese das Management bilden oder beherrschen. Daneben kann sich eine Klage gem. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch gegen Personen als "Hintermänner" richten, die hinter der Gesellschaft stehen, auf ihr Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Anlagemodells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen.
Für eine darüber hinausgehende Haftung (Prospekthaftung im weiteren Sinne), die unmittelbar aus § 311 Abs. 2 und 3 BGB oder aus einem Auskunfts- oder Beratungsvertrag folgen kann, kommt eine Zuständigkeit gem. § 32b Abs. 1 ZPO allein nach dessen Nr. 2 in Frage. Demnach zählt auch die Haftung eines zur Mittelverwendungskontrolle verpflichteten Treuhänders für die Anteile an der Gesellschaft zur Prospekthaftung im weiteren Sinne und nicht zu jener im engeren Sinne. Diese Haftung ergibt sich nicht aus einer eigenen Verantwortung für einen fehlerhaften oder unvollständigen Prospekt, sondern aus der Verletzung einer selbständigen Aufklärungspflicht als Vertragspartner oder Sachwalter aufgrund persönlich in Anspruch genommenen - nicht nur typisierten besonderen Vertrauens, zu deren Erfüllung sich des Prospekts bedient wurde.
Die Beklagte war nach dem Vortrag des Klägers ihm gegenüber allein als eine Treuhandkommanditistin verpflichtet, der auch eine Mittelverwendungskontrolle oblag. Sie war keine Gründungskommanditistin und zählte somit nicht zu den Gründern der Gesellschaft, deren Anteile der Kläger zeichnete, auch wenn die Beklagte in der Klageschrift mitunter als Gründungskommanditistin bezeichnet ist. Einer Stellung als Gründungskommanditistin steht entgegen, dass die Fondsgesellschaft am 4.3.2005 ins Handelsregister eingetragen, die Beklagte aber erst am 2.11.2005 deren Kommanditistin wurde. Eine Haftung der Beklagten aus eigener Verantwortung für einen fehlerhaften oder unvollständigen Prospekt ist diesem Klagevortrag folglich nicht zu entnehmen, womit die Voraussetzungen für eine ausschließliche Zuständigkeit gem. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht gegeben sind.
Zuständig ist hingegen das LG Koblenz. Die örtliche Zuständigkeit dieses Gerichts ergibt sich aus § 29c ZPO. Die Zuständigkeit gem. § 29c ZPO für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträgen i.S.v. § 312b BGB erfasst nicht nur die unmittelbar aus einem solchen Vertrag begründeten, sondern auch alle Folgeansprüche einschließlich etwaiger Ansprüche aus Verschulden bei der Vertragsanbahnung oder bei Vertragsverhandlungen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nach dem Klagevorbringen erfüllt.
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