28.03.2013

Zum Beginn der Verjährungsfrist bei fehlender Kenntnis des Anlegers über die genaue Höhe der Rückvergütung für die beratende Bank

Weiß ein Anleger, dass die ihn beratende Bank für den Vertrieb der empfohlenen Kapitalanlage eine Rückvergütung erhält, deren Höhe ihm die Bank vor seiner Anlageentscheidung nicht mitgeteilt hat, so hängt der Beginn der Verjährungsfrist seines Schadensersatzanspruches wegen verschwiegener Rückvergütung nicht von der Kenntnis der genauen Höhe der Rückvergütung ab.

BGH 26.2.2013, XI ZR 498/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger zeichnete nach vorheriger Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten am 15.9.2003 eine Beteiligung an dem Filmfonds (im Folgenden: V 3) im Nennwert von 100.000 € zzgl. Agio i.H.v. 5.000 €. Davon erbrachte er 65.000 € aus eigenen Mitteln und weitere 40.000 € durch ein Darlehen der Beklagten.

Nach dem Inhalt des Verkaufsprospekts sollten 8,9 Prozent der Zeichnungssumme sowie das Agio zur Eigenkapitalvermittlung durch die V-AG verwendet werden. Die V-AG durfte laut Prospekt ihre Rechte und Pflichten aus der Vertriebsvereinbarung auf Dritte übertragen. Die Beklagte erhielt eine Vertriebsprovision i.H.v. 8,25 Prozent der Zeichnungssumme. Dies wurde dem Kläger im Beratungsgespräch nicht offengelegt.

Der Kläger begehrt unter Berufung auf mehrere Beratungsfehler, darunter auch die unterbliebene Aufklärung über die von der Beklagten bezogene Vertriebsprovision, die Erstattung des eingesetzten Kapitals, der aufgewendeten Kreditzinsen und von Steuernachzahlungen i.H.v. insgesamt 79.852 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung. Außerdem begehrt er die Feststellung, dass der Beklagten aus dem Darlehen keine Ansprüche zustehen, sowie die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten mit der Übertragung der Beteiligung.

LG und OLG gaben der Klage überwiegend statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte ihre aus dem Beratungsvertrag nach den Grundsätzen des Bond-Urteils folgende Pflicht, den Kläger über die ihr zufließende Provision i.H.v. 8,25 Prozent des Zeichnungskapitals aufzuklären, schuldhaft verletzt hat. Das Berufungsurteil konnte jedoch keinen Bestand haben, soweit es die Verjährung des Klageanspruchs nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verneint hat. Der Schadensersatzanspruch des Klägers war, soweit er auf die Verletzung von Beratungspflichten der Beklagten über Rückvergütungen gestützt wird, bei Klageerhebung Mitte 2008 bereits verjährt.

Rechtsfehlerhaft hat das OLG insbes. angenommen, der Kläger habe nicht bereits bei Zeichnung der Beteiligung an V 3 im Jahr 2003 ausreichende Kenntnis sämtlicher anspruchsbegründender Umstände i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehabt, weil er die genaue Höhe der an die Beklagte geflossenen Rückvergütung nicht gekannt habe. Die erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können.

Die beratende Bank muss den Anleger zwar über Grund und Höhe einer Rückvergütung ungefragt aufklären, so dass die unterlassene Mitteilung über die Höhe der Rückvergütung ein anspruchsbegründender Umstand ist. Von diesem Umstand hat ein Anleger aber denknotwendig bereits dann positive Kenntnis, wenn er weiß, dass die ihn beratende Bank Provisionen für das von ihm getätigte Anlagegeschäft erhält, deren Höhe ihm die Bank nicht mitteilt. Die fehlende Kenntnis des Anlegers von der Höhe der Rückvergütung steht allenfalls in solchen Fällen dem Verjährungsbeginn entgegen, in denen die beratende Bank konkrete, jedoch fehlerhafte Angaben zur Höhe der Rückvergütung macht. Denn in diesen Fällen meint der Anleger, über die Höhe der Rückvergütung pflichtgemäß aufgeklärt worden zu sein, weshalb es an der Kenntnis der tatsächlichen Umstände fehlt, aus denen sich die Verletzung der Aufklärungspflicht durch die beratende Bank ergibt.

Nach diesen Grundsätzen waren hier nicht nur die objektiven, sondern auch die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bereits bei Zeichnung der Beteiligung an V 3 am 15.9.2003 erfüllt. Insbes. ist davon auszugehen, dass der Kläger bereits bei Zeichnung der Fondsbeteiligung wusste, dass die Beklagte für deren Vermittlung eine Rückvergütung in Form eines Anteils am Agio erhielt. Seine durch die spätere Einschränkung ("Ich dachte damals, dass die Bank vielleicht 2 bis 3 Prozent von den 5 Prozent Agio bekommt") zum Ausdruck gebrachte Vermutung bezog sich demgegenüber nur auf die Höhe dieser Rückvergütung.

Da der Anspruch des Klägers somit bereits im Jahre 2003 entstanden ist und der Kläger zu diesem Zeitpunkt auch Kenntnis von den seinen Anspruch begründenden Umständen hatte, ist die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB ab dem 1.1.2004 zu berechnen (§ 199 Abs. 1 BGB); sie lief mithin zum Schluss des Jahres 2006 ab. Die am 30.6.2008 eingereichte Klage konnte die Verjährung nicht mehr gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen. Im zweiten Rechtsgang wird sich das OLG mit den vom Kläger behaupteten weiteren Aufklärungspflichtverletzungen durch unrichtige Angaben der Anlageberater der Beklagten auseinanderzusetzen haben.

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