21.04.2017

Zum Begriff des beweglichen Geschäftsraums

Der Begriff "beweglich" ist in Bezug auf Geschäftsräume nicht physikalisch zu verstehen und auch nicht mit dem baurechtlichen Begriff der fliegenden Bauten gleichzusetzen. Ein Messestand ist grundsätzlich geeignet, ein beweglicher Geschäftsraum zu sein.

OLG München 15.3.2017, 3 U 3561/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im April 2015 auf einer alle zwei Jahre stattfindenden Messe mit der Beklagten an einem von dieser betriebenen Messestand einen Kaufvertrag über eine Einbauküche abgeschlossen. Noch am selben Tag hat der Kläger diesen Vertrag widerrufen. Im Wege der Feststellungsklage wollte er die Wirksamkeit des von ihm erklärten Widerrufs bestätigt erhalten.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Der Kläger verfolgte seinen Feststellungsantrag im Wege der Berufung fort. Er machte geltend, entgegen der Auffassung des LG sei der Vertragsabschluss hier außerhalb von Geschäftsräumen i.S.v. § 312 b Abs. 2 BGB erfolgt, weswegen er zum Widerruf des Vertrages berechtigt und der von ihm erklärte Widerruf daher wirksam sei. Entgegen der Ansicht des LG handele es sich bei der Messe um keine reine Verkaufsmesse, sondern primär um eine Informationsveranstaltung. Aus Sicht des Verbrauchers habe eine Überrumpelungssituation vorgelegen, vor der der neu geschaffene § 312 b BGB schützen solle.

Die Berufung des Klägers blieb vor dem OLG ohne Erfolg. Allerdings wurde gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zugelassen.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Willenserklärung des Klägers, mit der er den streitgegenständlichen Kaufvertrag mit der Beklagten abgeschlossen hatte, lagen nicht vor.

Gem. § 312 g Abs. 1 1. Alt. BGB steht dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zwar ein Widerrufsrecht zu. Hier war der Vertrag aber nicht außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen worden. Von einem Geschäftsraum auch dann auszugehen sein, wenn dieser beweglich ist und der Unternehmer seine Tätigkeit dort für gewöhnlich ausübt. Dass auch die Räume Geschäftsräume sind, in denen nicht der Unternehmer selbst, sondern Personen in seinem Namen oder seinem Auftrag handeln, ergibt sich aus § 312 b Abs. 2 S. 2 BGB unmittelbar.

Der Begriff "beweglich" ist in Bezug auf Geschäftsräume nicht physikalisch zu verstehen und auch nicht mit dem baurechtlichen Begriff der fliegenden Bauten gleichzusetzen. Dass der Verbraucherschutz davon abhängig sein sollte, wie die bauliche Ausgestaltung eines vorübergehend betriebenen Geschäftslokals erfolgt ist, macht nach der Intention des Gesetzes ersichtlich keinen Sinn. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob der "bewegliche" Geschäftsraum nur für eine vorübergehende Zeit betrieben wird. Entsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob ein "Raum" im physikalischen oder bautechnischen Sinne anzunehmen ist. Grundsätzlich kann ein "beweglicher Geschäftsraum" daher auch unter freiem Himmel betrieben werden, wenn die übrigen Voraussetzungen hierfür gegeben sind.

Infolgedessen ist ein Messestand grundsätzlich geeignet, ein beweglicher Geschäftsraum zu sein. Das entspricht der Absicht des Gesetzgebers, der mit der Schaffung des § 312b BGB Art. 2 Nr. 8 u. Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU umsetzen wollte. In dieser Richtlinie werden Messestände ausdrücklich als mögliche bewegliche Geschäftsräume bezeichnet. Entscheidend war in begrifflicher Hinsicht folglich, ob der Messestand der Ort war, an dem die Beklagte ihre Tätigkeit "für gewöhnlich" und nicht nur "sporadisch" ausgeübt hatte. Maßgeblich war, ob von einer Überrumpelung des Klägers als Verbrauchers ausgegangen werden konnte oder ob er mit entsprechenden Angeboten hatte rechnen müssen. In letzterem Fall wäre der Betrieb des beweglichen Geschäftsraums "gewöhnlich" i.S.v. § 312 B Abs. 2 S. 2 BGB gewesen.

Es war somit zum einen auf den Charakter der Messe abzustellen und zum andern auf das konkrete Angebot der Beklagten, das zum Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages geführt hatte. Gemessen daran vermochte der Senat eine Überrumpelungssituation nicht erkennen. Die Messe stellte eine klassische Verkaufsmesse dar, auch wenn einzelne Aussteller ihren Messestand primär auf die Information der Messebesucher und nicht den unmittelbare Abschluss von Verträgen abgestellt haben mögen. Allerdings sind die Tatbestandsmerkmale des § 312 b Abs. 2 BGB obergerichtlich noch nicht geklärt. Hinzu kommt, dass der Senat die sehr neue Vorschrift zwar in Einklang mit den vom Europäischen Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Motiven für die Schaffung dieser Norm, aber sicher nicht wortlautnah auslegen musste, um das hier für zutreffend erachtete Ergebnis zu begründen.

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