Zum Begriff des Randsortiments gem. § 5 Abs. 1 Ladenöffnungsgesetz (LÖG NRW)
OLG Hamm v. 18.1.2024 - 4 U 136/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen. Die Beklagte betreibt verschiedene Gartencenter. Am Sonntag, den 27.11.2022, hatte der Kläger in einem von der Beklagten betriebenen Gartencenter einen Testkauf durchführen lassen. Dabei wurden neben einer Rührschüssel, einem Henkelbecher, einem Windlicht-Set, einer Porzellantanne, einem Kerzenset und einem Tischset weiterer Weihnachtsschmuck erworben. Daraufhin mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 6.12.2022 ab. Trotz wiederholter Aufforderungen gab die Beklagte die vom Kläger geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung in der Folge nicht ab.
Der Kläger war der Ansicht, sämtliche Produkte seien weder der Warengruppe Blumen und Pflanzen noch dem begrenzten Randsortiment einer Verkaufsstelle zuzuordnen, deren Kernsortiment aus der Warengruppe Blumen und Pflanzen besteht. Daher habe die Beklagte mit dem Verkauf dieser Waren gegen das § 5 Abs. 1 LÖG NRW verstoßen.
Auf ihr entsprechendes Anerkenntnis hin ist die Beklagte mit Teil-Anerkenntnisurteil des LG hinsichtlich des sonn- und feiertäglichen Verkaufs von Rührschüsseln, Henkelbechern, Windlicht-Sets, Porzellantannen, Kerzensets und Tischsets gemäß den Klageanträgen zur Unterlassung und darüber hinaus zur Zahlung der vom Kläger begehrten Abmahnkosten i.H.v. 374,50 € verurteilt worden. Im Übrigen hat das LG die Klage abgewiesen. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger hat keinen weitergehenden Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 LÖG NRW.
Zwar stellten der anlässlich des Testkaufs vom 27.11.2022 erfolgte Verkauf der (noch) streitgegenständlichen Waren durch die Beklagte sowie ihre diesbezüglichen Verkaufsangebote unzweifelhaft geschäftliche Handlungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Allerdings hat die Beklagte mit dem Angebot und Verkauf der Waren nicht unlauter gehandelt und demgemäß keine unzulässige geschäftliche Handlung i.S.d. § 8 Abs. 1 begangen. Gem. § 3a UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Darüber hinaus muss der Verstoß geeignet sein, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Die Beklagte müsste demnach mit den erfolgten Absatzhandlungen zunächst gegen eine Marktverhaltensregel verstoßen haben.
Das war jedoch nicht der Fall. In Betracht kam vorliegend allein ein Verstoß gegen die §§ 4, 5 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 LÖG NRW. Bei den §§ 4, 5 LÖG NRW handelt es sich um Marktverhaltensregeln in diesem Sinne, weshalb bei Verstößen gegen sie - auch bei Unkenntnis der den Gesetzesverstoß ausmachenden tatsächlichen Umstände - ein i.S.d. § 3a UWG unlauteres Wettbewerbsverhalten vorliegt. Allerdings verstößt der sonntägliche Verkauf der (noch) streitgegenständlichen Waren in Gestalt künstlichen Tannengrüns, verschiedenen Christbaumschmucks und Deko-Zimtstangen nicht gegen diese Markverhaltensregel.
Die für Wirtschaft zuständige oberste Landesbehörde hat bislang von der ihr eingeräumten Möglichkeit zum Erlass einer Rechtsverordnung zwecks Bestimmung der Begriffe "Kern- und Randsortiment" keinen Gebrauch gemacht, so dass der hier entscheidungserhebliche unbestimmte Rechtsbegriff des Randsortiments der Auslegung durch den Senat bedurfte. Die vom Senat vorgenommene Auslegung führte zu dem Ergebnis, dass die im hiesigen Rechtsstreit noch in Rede stehenden Warenverkäufe entgegen der Auffassung des Klägers - und entgegen der von ihm in Bezug genommenen Entscheidungen des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 9.10.2017 - I-15 U 105/16) und des LG Dortmund (Urt. v. 9.6.2022 - 16 O 21/21) - dem zulässigen Randsortiment i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 LÖG NRW zuzurechnen sind.
Die noch in Rede stehenden Waren (künstliches Tannengrün, Christbaumschmuck und Deko-Zimtstangen) erfüllten nach dem unwidersprochenen Sachvortrag der Beklagten die Voraussetzungen unproblematisch, da sie als kleinteilige Accessoires für die von ihr in der Hauptsache angebotenen Blumen und Pflanzen üblicherweise nur in kleinen Mengen abgegeben werden. Soweit der Kläger die Auffassung vertreten hatte, zum Randsortiment seien nach dem Willen des Gesetzgebers nur solche Waren zu zählen, die darüber hinaus zum sofortigen Ge- und Verbrauch bestimmt sind, konnte dem indes nicht gefolgt werden. Allerdings ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich. Der Umstand, dass es in der Sache letztlich um die Auslegung von Landesrecht geht, steht dem nicht entgegen (§ 545 Abs. 1 ZPO).
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Justiz NRW
Der Kläger ist in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen. Die Beklagte betreibt verschiedene Gartencenter. Am Sonntag, den 27.11.2022, hatte der Kläger in einem von der Beklagten betriebenen Gartencenter einen Testkauf durchführen lassen. Dabei wurden neben einer Rührschüssel, einem Henkelbecher, einem Windlicht-Set, einer Porzellantanne, einem Kerzenset und einem Tischset weiterer Weihnachtsschmuck erworben. Daraufhin mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 6.12.2022 ab. Trotz wiederholter Aufforderungen gab die Beklagte die vom Kläger geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung in der Folge nicht ab.
Der Kläger war der Ansicht, sämtliche Produkte seien weder der Warengruppe Blumen und Pflanzen noch dem begrenzten Randsortiment einer Verkaufsstelle zuzuordnen, deren Kernsortiment aus der Warengruppe Blumen und Pflanzen besteht. Daher habe die Beklagte mit dem Verkauf dieser Waren gegen das § 5 Abs. 1 LÖG NRW verstoßen.
Auf ihr entsprechendes Anerkenntnis hin ist die Beklagte mit Teil-Anerkenntnisurteil des LG hinsichtlich des sonn- und feiertäglichen Verkaufs von Rührschüsseln, Henkelbechern, Windlicht-Sets, Porzellantannen, Kerzensets und Tischsets gemäß den Klageanträgen zur Unterlassung und darüber hinaus zur Zahlung der vom Kläger begehrten Abmahnkosten i.H.v. 374,50 € verurteilt worden. Im Übrigen hat das LG die Klage abgewiesen. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger hat keinen weitergehenden Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 LÖG NRW.
Zwar stellten der anlässlich des Testkaufs vom 27.11.2022 erfolgte Verkauf der (noch) streitgegenständlichen Waren durch die Beklagte sowie ihre diesbezüglichen Verkaufsangebote unzweifelhaft geschäftliche Handlungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Allerdings hat die Beklagte mit dem Angebot und Verkauf der Waren nicht unlauter gehandelt und demgemäß keine unzulässige geschäftliche Handlung i.S.d. § 8 Abs. 1 begangen. Gem. § 3a UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Darüber hinaus muss der Verstoß geeignet sein, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Die Beklagte müsste demnach mit den erfolgten Absatzhandlungen zunächst gegen eine Marktverhaltensregel verstoßen haben.
Das war jedoch nicht der Fall. In Betracht kam vorliegend allein ein Verstoß gegen die §§ 4, 5 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 LÖG NRW. Bei den §§ 4, 5 LÖG NRW handelt es sich um Marktverhaltensregeln in diesem Sinne, weshalb bei Verstößen gegen sie - auch bei Unkenntnis der den Gesetzesverstoß ausmachenden tatsächlichen Umstände - ein i.S.d. § 3a UWG unlauteres Wettbewerbsverhalten vorliegt. Allerdings verstößt der sonntägliche Verkauf der (noch) streitgegenständlichen Waren in Gestalt künstlichen Tannengrüns, verschiedenen Christbaumschmucks und Deko-Zimtstangen nicht gegen diese Markverhaltensregel.
Die für Wirtschaft zuständige oberste Landesbehörde hat bislang von der ihr eingeräumten Möglichkeit zum Erlass einer Rechtsverordnung zwecks Bestimmung der Begriffe "Kern- und Randsortiment" keinen Gebrauch gemacht, so dass der hier entscheidungserhebliche unbestimmte Rechtsbegriff des Randsortiments der Auslegung durch den Senat bedurfte. Die vom Senat vorgenommene Auslegung führte zu dem Ergebnis, dass die im hiesigen Rechtsstreit noch in Rede stehenden Warenverkäufe entgegen der Auffassung des Klägers - und entgegen der von ihm in Bezug genommenen Entscheidungen des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 9.10.2017 - I-15 U 105/16) und des LG Dortmund (Urt. v. 9.6.2022 - 16 O 21/21) - dem zulässigen Randsortiment i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 LÖG NRW zuzurechnen sind.
Die noch in Rede stehenden Waren (künstliches Tannengrün, Christbaumschmuck und Deko-Zimtstangen) erfüllten nach dem unwidersprochenen Sachvortrag der Beklagten die Voraussetzungen unproblematisch, da sie als kleinteilige Accessoires für die von ihr in der Hauptsache angebotenen Blumen und Pflanzen üblicherweise nur in kleinen Mengen abgegeben werden. Soweit der Kläger die Auffassung vertreten hatte, zum Randsortiment seien nach dem Willen des Gesetzgebers nur solche Waren zu zählen, die darüber hinaus zum sofortigen Ge- und Verbrauch bestimmt sind, konnte dem indes nicht gefolgt werden. Allerdings ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich. Der Umstand, dass es in der Sache letztlich um die Auslegung von Landesrecht geht, steht dem nicht entgegen (§ 545 Abs. 1 ZPO).
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