17.11.2011

Zum Rückgewähranspruch gegen Anlagevermittler bei vorheriger Provisionszahlung auf Scheingewinne

Laut BGH-Rechtsprechung sind die Zahlung einer Provision für die Vermittlung von Kapitalanlagen, die auf der Einbeziehung von Scheingewinnen beruht, sowie die Leistung einer hierauf bezogenen Folgeprovision unentgeltlich. Den Betreuungsdiensten des Anlagevermittlers kommt in Bezug auf die erfundenen Scheingewinne kein objektiver Wert zu, weil es insoweit einen tatsächlichen Erfolg der Beteiligung nicht gibt.

BGH 22.9.2011, IX ZR 209/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter des im Juli 2005 eröffneten Insolvenzverfahrens über das Vermögen der P-GmbH. Diese hatte ab 1992 mit dem Anlagemodell "PMA" Kunden die Möglichkeit angeboten, an Optionsgeschäften teilzunehmen. Sie warb mit jährlich zu erzielenden Renditen zwischen 8,7 und 14,07 %. Die Gelder der Anleger wurden von der Schuldnerin, die tatsächlich nur Verluste erwirtschaftete, allerdings nur geringfügig und später gar nicht mehr in Termingeschäften angelegt. Den Anlegern wurden manipulierte Kontoauszüge zugeleitet, in denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Die Einlagen von Neukunden verwendete die Schuldnerin in der Art eines "Schneeballsystems" dazu, Auszahlungen an Altkunden zu leisten und ihre laufenden Geschäfts- und Betriebskosten zu bestreiten.

Zur Förderung des Absatzes ihres Anlagemodells hatte die P-GmbH im Mai 2002 mit der Beklagten eine Vertriebsvereinbarung abgeschlossen. Für das Zustandekommen von Verträgen sollte der Beklagten eine Abschlussprovision und monatliche Folgeprovisionen gewährt werden. Letztere sollten sich nach den Kontoständen der geworbenen Anleger richten. Nach dieser Methode berechnete und erhielt die Beklagte aufgrund der ihr von der P-GmbH unter Einschluss der Scheingewinne mitgeteilten Kontostände Folgeprovisionen i.H.v. rund 192.050 € und 928 US-Dollar.

Der Kläger verlangte im Wege der Anfechtung von der Beklagten Erstattung empfangener Folgeprovisionen i.H.v. 21.938 € sowie von 101 US-Dollar. Dabei stellte er die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Handelsergebnisse und Abzug der vertraglich vereinbarten monatlichen Verwaltungsgebühr ermittelten Kontostände den der Beklagten von der P-GmbH mitgeteilten fiktiven Kontoständen gegenüber und verlangte Rückzahlung der Differenz zwischen den aufgrund der Mitteilungen der Beklagten gezahlten Provisionen und den aufgrund einer Neuberechnung der "realen" Kontostände anfallenden Provisionen.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH die Entscheidungen auf und gab der Klage teilweise statt.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch i.H.v. 12.365 € sowie 63 US-Dollar.

Zwar hatte die Beklagte dem Grunde nach einen Provisionsanspruch. Die Verträge zwischen der P-GmbH und den einzelnen Anlegern waren nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig. Eines Rückgriffs auf § 242 BGB bedurfte es deshalb nicht. Allerdings war die Beklagte zur Rückgewähr der empfangenen Bestandsprovisionen verpflichtet, soweit diese darauf beruhten, dass ihr die P-GmbH die jeweiligen Kontostände einschließlich der den Anlegern zugewiesenen Scheingewinne mitgeteilt hatte.

Laut BGH-Rechtsprechung sind die Zahlung einer Provision für die Vermittlung von Kapitalanlagen, die auf der Einbeziehung von Scheingewinnen beruht, sowie die Leistung einer hierauf bezogenen Folgeprovision unentgeltlich. Somit musste die Beklagte vorliegend die von ihr vereinnahmten Folgeprovisionen teilweise dem Kläger zurückerstatten. Den Betreuungsdiensten der Beklagten kam in Bezug auf die von der P-GmbH erfundenen Scheingewinne kein objektiver Wert zu, weil es insoweit einen tatsächlichen Erfolg der Beteiligung nicht gegeben hatte. Dies führte zur Unentgeltlichkeit.

Ein vom OLG angenommener Extremfall, der es rechtfertigen könnte, trotz Vorliegens der Anfechtungsvoraussetzungen die Durchsetzung des Rückgewähranspruchs als treuwidrig anzusehen, lag nicht vor. Die Beklagte wurde nicht für die Betreuungsleistungen als solche, sondern in Abhängigkeit vom jeweiligen Beteiligungswert der Anlage vergütet. Die Vergütung knüpfte nicht an bestimmte Betreuungsdienste an, die bei der Beklagten einen entsprechenden Aufwand verursacht hatten. Sie war vielmehr unabhängig von der Frage geleistet worden, ob die Beklagte überhaupt noch Leistungen erbracht hatte, um die Kundenbeziehung zu pflegen.

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