19.04.2012

Zum Schadensersatzanspruch des Geschäftsführers eine GmbH gem. § 628 Abs. 2 BGB nach Einschränkung seines Aufgabenbereichs

Ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB scheidet jedenfalls dann aus, wenn der Aufgabenbereich eines GmbH-Geschäftsführers ohne Verletzung seines Anstellungsvertrages eingeschränkt wird und er daraufhin die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags erklärt.

BGH 6.3.2012, II ZR 76/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger und seine Ehefrau waren alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der beklagten GmbH. Diese gibt eine Stadtillustrierte heraus und führt Veranstaltungen wie die "Lange Nacht der Museen" durch. Im Juni 2006 erwarb die R-GmbH & Co. KG (R) sämtliche Anteile an der Beklagten. Der Kläger und seine Ehefrau schlossen mit der Beklagten einen Geschäftsführeranstellungsvertrag, wonach sie die Geschäfte der Gesellschaft weiter "selbständig" und "verantwortlich" führen sollten. Zu ihren Hauptaufgaben gehörten danach Führung und Organisation der notwendigen personellen und betrieblichen Strukturen und die Installation eines Rechnungs- und Berichtswesens in einer von der Gesellschafterversammlung vorgegebenen Form.

Der Vertrag sollte erstmals zum 30.6.2011 ordentlich gekündigt werden können. Entsprechend einer Bestimmung in der - mittlerweile geänderten - Satzung der Beklagten waren der Kläger und seine Ehefrau als jeweils alleinvertretungsberechtigte und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen. In der Folgezeit kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Geschäftsführern und der R. Diese beruhten u.a. darauf, dass die R einige der Abteilungen der Beklagten in andere Konzernunternehmen verlagert hatte, u.a. den Vertrieb und das Rechnungswesen.

Der Kläger beanstandete diese Maßnahmen als Verletzung des Geschäftsführeranstellungsvertrags und forderte die R auf zu erklären, dass sie dem Kläger durch geeignete Maßnahmen die Gelegenheit geben werde, die Geschäfte der Gesellschaft wieder selbständig und verantwortlich zu führen. Gleichzeitig bestellte die R den Geschäftsführer ihrer Komplementärin, B, als weiteren Geschäftsführer der Beklagten und erließ eine Geschäftsordnung. Die Gesamtverantwortung für die Geschäftsführung lag danach bei B. Der Kläger und seine Ehefrau waren ihm berichtspflichtig und an seine Weisungen gebunden. Der Verantwortungsbereich des Klägers wurde eingeschränkt. Im Handelsregister wurde die Eintragung der Einzelvertretungsbefugnis und der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB hinsichtlich des Klägers und seiner Ehefrau gelöscht.

Der Kläger erklärte daraufhin im März 2009 die fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrages. Nachdem er trotz Aufforderung der R an einer Geschäftsführersitzung nicht teilgenommen hatte, erklärte auch die R die fristlose Kündigung und berief den Kläger als Geschäftsführer ab. Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass seine Kündigung wirksam sei. Ferner macht er seine vertraglichen Vergütungsansprüche bis einschließlich August 2010 - zum Teil erst im zweiten Rechtszug - i.H.v. rd. 110.000 € geltend und verlangt die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz eines darüber hinausgehenden Schadens verpflichtet sei.

Das LG gab der Klage statt. Das OLG bestätigt dieses Urteil hinsichtlich der Feststellung, dass die Kündigung wirksam ist, wies die Klage im Übrigen aber ab. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers, der sein Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt, hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch gem. § 628 Abs. 2 BGB zu.

Für den Fall einer Abberufung des Geschäftsführers hat der Senat bereits entschieden, dass darin - unabhängig von dem Inhalt des Anstellungsvertrages - kein vertragswidriges Verhalten i.S.d. § 628 Abs. 2 BGB liegt. Die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs der Geschäftsführerbestellung gewährleistet der Gesellschaft im Bereich der Geschäftsführung eine weitgehende Organisationsfreiheit. Dieses Recht schränkt den dienstvertraglichen Beschäftigungsanspruch ein. Das ergibt sich aus § 38 Abs. 1 GmbHG. Danach kann die Bestellung der Geschäftsführer "unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen" jederzeit widerrufen werden.

Diese Regelung schließt ein dienstvertraglich begründetes Recht des Geschäftsführers auf Verbleib im Amt aus. Seinen Interessen wird dadurch Rechnung getragen, dass seine Vergütungsansprüche mit der Einschränkung aus § 615 S. 2 BGB bestehen bleiben. Kündigt der Geschäftsführer seinen Anstellungsvertrag dagegen fristlos, verliert er den vertraglichen Vergütungsanspruch. Es kommt dann nur ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB in Betracht. Da die Gesellschaft jedoch mit der Abberufung von einem ihr gesetzlich eingeräumten Recht Gebrauch macht, das den Weiterbeschäftigungsanspruch des Geschäftsführers entfallen lässt, kann ihr Verhalten nicht als vertragswidrig angesehen werden.

Gegen eine Anwendung dieser Grundsätze auf eine - wie hier - weitgehende Beschränkung des Aufgabenbereichs des Geschäftsführers werden zwar in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum Bedenken geltend gemacht. Die Frage bedarf im vorliegenden Fall aber keiner Entscheidung. Denn die Beschneidung der Kompetenzen des Klägers war nicht nur auf der gesellschaftsrechtlichen, sondern auch auf der Ebene des Anstellungsvertrags nicht pflichtwidrig. Jedenfalls deshalb konnte dieses Verhalten keinen Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB auslösen.

Weder dem Anstellungsvertrag des Klägers noch der Satzung der Beklagten lässt sich entnehmen, dass die Beschränkung der Kompetenzen des Klägers in der von der Beklagten vorgenommenen Art unzulässig war. Das OLG hat zutreffend ausgeführt, ein unzulässiger Ausschluss des Klägers von jeder Geschäftsführungsbefugnis liege nicht vor. Ausdrücklich geregelt ist, dass die Gesellschafterversammlung - im Rahmen ihrer gesetzlichen Weisungsbefugnis - die Zuständigkeit mehrerer Geschäftsführer abweichend von dem Vertrag regeln kann und dass sie eine Geschäftsordnung erlassen kann. Die Beispielsliste kann zudem verlängert werden. Damit waren auch einschneidende Eingriffe in den Zuständigkeitsbereich des Klägers nicht vertragswidrig.

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