26.05.2011

Zum Umfang einer Transportversicherung für Geld- und Werttransporte im Hinblick auf durch Straftaten entstandene Schäden

Der BGH hat erste Entscheidungen zu den versicherungsrechtlichen Folgen des Zusammenbruchs der HEROS-Gruppe getroffen. Die Transportversicherung der ehemals größten deutschen Firmengruppe von Geld- und Werttransportunternehmen muss danach keine Versicherungsleistungen aus einer von den Unternehmen der HEROS-Gruppe abgeschlossenen Transportversicherung an ein (durch Vermögensdelikte führender Mitarbeiter) geschädigtes Einzelhandelsunternehmen zahlen.

BGH 25.5.2011, IV ZR 117/09 u.a.
Hintergrund:
Die Verfahren betreffen die versicherungsrechtlichen Folgen des Zusammenbruchs der HEROS-Gruppe. Das Geld- und Werttransportunternehmen war in den 1990er Jahren in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Später wurden entgegengenommene Gelder nicht sogleich den Konten der jeweiligen Auftraggeber gutgebracht, sondern teilweise zur Befriedigung anderer offener Forderungen verwendet. Der Ausgleich erfolgte zeitverzögert durch Zugriff auf Gelder aus späteren Transporten, so dass die Fehlbeträge zunächst nicht aufgefallen waren. Zahlreichen Auftraggebern war Mitte Februar 2006 der HEROS-Gruppe zum Transport überlassenes Bargeld nicht mehr (vollständig) auf ihren Konten gutgeschrieben worden. Die Unternehmen der Gruppe wurden schließlich insolvent. Führende Mitarbeiter wurden 2006 verhaftet und später zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin, ein großes Einzelhandelsunternehmen, zählte zu den früheren Auftraggebern der HEROS-Gruppe. Nach ihrer Behauptung hat auch sie einen Schaden erlitten. Sie fordert von der Beklagten als führendem Versicherer anteilige Versicherungsleistungen aus einer von den Unternehmen der HEROS-Gruppe abgeschlossenen Transportversicherung. Deren Versicherungsschutz erstreckt sich auf "jegliche Verluste und/oder Schäden gleichviel aus welcher Ursache einschließlich Veruntreuung und/oder Unterschlagung" und beginnt "mit Übergabe der versicherten Güter" an das Transportunternehmen und "endet, wenn die versicherten Güter bei der vom Auftraggeber vorher bezeichneten Stelle einer autorisierten Person übergeben wurden".

Die Parteien streiten insbes. darüber, ob die Beklagte den Versicherungsvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung anfechten konnte und schon deshalb leistungsfrei ist, ferner darüber, ob Mitarbeiter des Transportunternehmens im Umgang mit anvertrautem Bargeld gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst haben.

Das OLG wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen.

Bei der Auslegung der maßgeblichen Vertragsbedingungen hat die Zusammenschau der Bedingungen der Geld- und Werttransportversicherung ergeben, dass eine Allgefahrendeckung (lediglich) für den Verlust oder die Beschädigung von Sachen (insbes. Hartgeld, Banknoten, Schecks und Wertpapieren) in der Obhut der Versicherungsnehmerin bis zur Übergabe an die von der Transport-Auftraggeberin bezeichnete Stelle (hier: Filialen der Deutschen Bundesbank) besteht. Außerdem haben die Bedingungen des zwischen der Klägerin und HEROS geschlossenen Transportvertrages es nicht ausgeschlossen, dass transportiertes Bargeld von HEROS-Unternehmen bei Ablieferung zunächst einem auf ihren Namen lautenden Konto gutgebracht wurde. Danach war das Transportunternehmen hier nicht verpflichtet, das Geld unmittelbar und in bar auf ein Konto der Klägerin einzuzahlen.

Bei dieser Bedingungslage liegt selbst dann kein Versicherungsfall vor, wenn die Einzahlung auf das Eigenkonto der Versicherungsnehmerin mit dem Vorsatz erfolgt war, das entsprechende Guthaben zunächst für eigene Zwecke zu verwenden und der Auftraggeberin abredewidrig erst mittels einer zeitlich verzögerten Überweisung zu erstatten. Es fehlt in einem solchen Fall an einem - allein vom Versicherungsschutz umfassten - stofflichen Zugriff auf das Transportgut. Der von der Klägerin geltend gemachte Verlust ist vielmehr erst dadurch eingetreten, dass die Weiterüberweisung des Geldwertes auf ihr Konto pflichtwidrig unterblieben ist. Darin liegt aber kein stofflicher Zugriff auf das Transportgut, die versicherten - körperlichen - Sachen, sondern lediglich ein treuwidriger Umgang mit nicht mehr versichertem Buchgeld.

In zwei weiteren Verfahren (IV ZR 156/09, IV ZR 247/09) hat der BGH aus im Wesentlichen gleichen Erwägungen Nichtzulassungsbeschwerden gegen Urteile des OLG Celle zurückgewiesen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 87 vom 25.5.2011
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