15.11.2021

Zum Widerruf eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrags

Die Rechtsfolgen des Widerrufs eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags ergeben sich aus dem nationalen Recht, dessen Auslegung nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften, der Gesetzgebungsgeschichte und der Systematik der aufeinander bezogenen Normen eindeutig ist. Eine andere Auslegung käme daher selbst dann nicht in Betracht, wenn der nationale Gesetzgeber mit seinem Regelungskonzept zulasten des Darlehensnehmers hinter den Anforderungen der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG zurückgeblieben wäre.

BGH v. 26.10.2021 - XI ZR 608/20
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers. Der Kläger erwarb im Juni 2014 einen gebrauchten Mercedes zum Kaufpreis von 24.800 €. Zur Finanzierung des über eine Anzahlung von 8.000 € hinausgehenden Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom 28.6.2014 einen Darlehensvertrag über 16.800 € mit einem gebundenen Sollzinssatz von 4,17% p.a. Zins- und Tilgungsleistungen sollten in 60 Monatsraten zu je 187,77 € und einer Schlussrate von 8.184 € erbracht werden. Über sein Widerrufsrecht informierte die Beklagte den Kläger auf Seite 2 des Darlehensvertrags.

Mit Schreiben vom 28.1.2018 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung und bot der Beklagten an, ihr im Rahmen der Rückabwicklung das finanzierte Fahrzeug an einen von ihr zu benennenden Vertragspartner in seiner Nähe zu übergeben. Nachdem die Beklagte den Widerruf als verfristet zurückgewiesen hatte, forderte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 15.3.2019 die Beklagte auf, die geleistete Anzahlung sowie die Tilgungszahlungen herauszugeben, und bot ihr an, das Fahrzeug an den Fahrzeughändler, bei dem er das Fahrzeug erworben habe, zurückzugeben. Im Juni 2019 löste er das Darlehen ab.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Zahlung von 27.450,20 € nebst Zinsen innerhalb von sieben Tagen nach Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs, die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde, und die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gem. § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kfz verbundenen (Allgemein-)Verbraucherdarlehensvertrags nicht verneint werden. Das OLG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gem. § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB a.F. resultierende Verpflichtung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, ordnungsgemäß erfüllt hat. Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, so dass die Revision zurückzuweisen war (§ 561 ZPO).

Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über die Vorabentscheidungsersuchen des Einzelrichters des LG Ravensburg vom 8.1.2021 (2 O 160/20, 2 O 320/20,) und vom 19.3.2021 (2 O 282/19, 2 O 384/19, 2 O 474/20, 2 O 480/20) hat keinen Erfolg. Die dort und von der Revision aufgeworfenen Fragen hat der Senat bereits beantwortet. Die Rechtsfolgen des Widerrufs, insbesondere im Hinblick auf die Vorleistungspflicht des Darlehensnehmers bei der Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs und seine diesbezügliche Wertersatzpflicht, ergeben sich aus dem nationalen Recht, dessen Auslegung nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften, der Gesetzgebungsgeschichte und der Systematik der aufeinander bezogenen Normen eindeutig ist. Eine andere Auslegung käme daher selbst dann nicht in Betracht, wenn der nationale Gesetzgeber mit seinem Regelungskonzept zulasten des Darlehensnehmers hinter den Anforderungen der Verbraucherkreditrichtlinie, die allerdings keine konkreten Vorgaben zu den Rechtsfolgen des Widerrufs eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrags enthält, zurückgeblieben wäre.

Die Entscheidung darüber, ob im Rahmen des nationalen Rechts ein Spielraum für eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung besteht, obliegt den nationalen Gerichten. Eine richtlinienkonforme Auslegung kommt nur in Frage, wenn eine Norm tatsächlich unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten im Rahmen dessen zulässt, was der gesetzgeberischen Zweck- und Zielsetzung entspricht. Der Grundsatz gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung und Rechtsfortbildung darf nicht zu einer Auslegung des nationalen Rechts contra legem führen. Dies entspricht der ständigen EuGH-Rechtsprechung. Die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege findet ihre Grenzen an dem nach der innerstaatlichen Rechtstradition methodisch Erlaubten.

Mehr zum Thema:
  • Gesetz zur Anpassung des Finanzdienstleistungsrechts - Die Änderungen des Widerrufsrechts und Ermäßigung der Kreditkosten bei Verbraucherdarlehen (Kirchner, MDR 2021, 1361)
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