Zum Zweck der Erlaubnispflicht von Einlagengeschäften
BGH 7.7.2015, VI ZR 372/14Der Kläger nimmt die Beklagte mit der Behauptung auf Schadensersatz in Anspruch, sie habe ohne die erforderliche Erlaubnis im Inland Bankgeschäfte betrieben. Der Kläger kam im März 2008 in Deutschland mit dem selbständigen Finanzberater H in Kontakt, der ihm die Kapitalanlage "Grand Slam" ("Schweizerisch-Liechtensteinisches Asset Management") empfahl. Grundlage dieser aus drei Komponenten bestehenden Kapitalanlage war ein bei einer Schweizer Depotbank zu eröffnendes Konto, auf das die Anleger Gelder einzuzahlen hatten. Das Konto sollte von der in Liechtenstein ansässigen D-AG verwaltet werden, während die ebenfalls in Liechtenstein ansässige G.S.S.-AG für die Serviceleistungen rund um die eigentliche Vermögensverwaltung zuständig sein sollte.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Schweizer Finanzinstitut ohne Niederlassung, Zweigstelle oder Repräsentanz in Deutschland sowie ohne Erlaubnis der BaFin zur Erbringung von Bankgeschäften im Inland (§ 32 Abs. 1 S. 1 KWG). Im Dezember 2006 vereinbarten sie und die D-AG zusammenzuarbeiten. Nach der getroffenen Vereinbarung sollte die D-AG alle oder einen Teil ihrer Kunden an die Beklagte vermitteln; die Beklagte sollte mit diesen Kunden Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen als konto- und depotführende Bank sowie betreffend Online Brokerage Dienstleistungen abschließen, wobei sie sich vorbehielt, eine Geschäftsbeziehung mit von der D-AG vermittelten Kunden ohne Nennung von Gründen abzulehnen. Die D-AG, die nicht ermächtigt war, die Beklagte rechtsgeschäftlich zu vertreten, verpflichtete sich, die Kontoeröffnungsunterlagen vom Kunden beizubringen, vorzuprüfen und an die Beklagte weiterzuleiten.
Im Mai 2008 unterzeichnete der Kläger an seinem Wohnsitz in Deutschland einen Vermögensverwaltungsvertrag mit der D-AG und einen Serviceauftrag mit der G.S.S.-AG. Darin verpflichtete er sich zu einer Einmalzahlung von 20.000 € und zu Ratenzahlungen von 150 € mtl., jeweils zzgl. 5 Prozent Agio. Zugleich unterzeichnete er einen an die Beklagte gerichteten Antrag auf Eröffnung eines Kontos und eines Wertschriftendepots, in dem eine Rechtswahlklausel für das Schweizer Recht enthalten war. Der Vordruck der Beklagten, den sie der D-AG überlassen hatte, beinhaltete eine Verwaltungsvollmacht für Dritte, in die als Vermittlerin die D-AG eingetragen war. Im Juni 2008 erklärte die G.S.S.-AG gegenüber dem Kläger die Annahme seines Antrags und er-hob sogleich eine Vorabverwaltungsgebühr von rd. 6.800 €. In der Folgezeit zahlte der Kläger insgesamt rd. 23.700 € auf das bei der Beklagten eröffnete Konto.
Nachdem mit diesem Geld bis Ende 2009 keine Investitionen getätigt worden waren, zahlte die Beklagte auf Anforderung des Klägers hin das zu diesem Zeitpunkt nach Auszahlung von Verwaltungsgebühren ("Asset Management Fees") an die D-AG und die G.S.S.-AG auf dem Konto ausgewiesene Restguthaben von rd. 15.700 € an ihn zurück. Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Differenz von rd. 8.000 €. Er ist der Auffassung, die Beklagte hätte für die Bankgeschäfte mit ihm einer Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 S. 1 KWG bedurft, weshalb sie ihm aus § 823 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz hafte. Da die Initiative zur Kontoeröffnung von der Beklagten ausgegangen sei, sei kein Fall der passiven Dienstleistungsfreiheit gegeben. Die Beklagte habe eine vertragliche Verbindung mit der D-AG besessen, die jener gestattet habe, die Konten der Beklagten im Rahmen des Vertriebs der Kapitalanlage mitzuvertreiben. Deshalb müsse sie sich die Vertriebshand-lungen der D-AG als eigene Vertriebshandlungen in Deutschland zurechnen lassen.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Ob das OLG mit Recht angenommen hat, dass die Beklagte kein nach § 32 Abs. 1 S. 1 KWG erlaubnispflichtiges Bankgeschäft im Inland betrieben hat, kann im Streitfall offenbleiben. Denn die angefochtene Entscheidung stellt sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Selbst wenn die Bankgeschäfte der Beklagten mit dem Kläger erlaubnispflichtig gewesen sein sollten, scheitert die Klage am fehlenden Schutzzweckzusammenhang.
In der Rechtsprechung des BGH ist es anerkannt, dass die Schadensersatzplicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen wurde. Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen. In seiner zivilrechtlichen Bedeutung bezweckt § 32 Abs. 1 KWG allgemein, Gläubiger unerlaubt handelnder Betreiber von Bankgeschäften vor Vermögensverlusten zu bewahren, die durch die mangelnde Einhaltung bankaufsichtsrechtlicher Vorgaben verursacht werden.
Vorliegend bestünde eine Erlaubnispflicht der Beklagten nicht hinsichtlich der von der D-AG mit dem Kläger vereinbarten Geschäfte, sondern ausschließlich hinsichtlich der von der Beklagten selbst mit dem Kläger eingegangenen Einlagen- und Depotgeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 5 KWG. Die Erlaubnispflicht von Depotgeschäften i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 KWG bezweckt, den Gläubiger vor Vermögensnachteilen im Zusammenhang mit der Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren zu bewahren. Der Kläger behauptet nicht, solche Vermögensnachteile erlitten zu haben. Der von ihm geltend gemachte Vermögensverlust steht nicht im Zusammenhang mit der Verwahrung oder Verwaltung von Wertpapieren durch die Beklagte. Er liegt allein im Abfluss von Verwaltungsgebühren vom bei der Beklagten geführten Einlagenkonto an die D-AG und die G.S.S.-AG für deren (versprochene) Tätigkeit.
Zweck der Erlaubnispflicht von Einlagengeschäften i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG ist es sicherzustellen, dass die Kreditinstitute entsprechend § 11 Abs. 1 KWG jederzeit eine ausreichende Zahlungsbereitschaft (Liquidität) gewährleisten. Das Publikum soll vor Verlusten gerade durch die Einlage beim erlaubnispflichtigen Kreditinstitut bewahrt werden. Die Erlaubnispflicht von Einlagengeschäften bezweckt hingegen nicht zu verhindern, dass von dem Einlagenkonto aus durch den Bankkunden verlustbringende Anlagegeschäfte getätigt oder anderweitig geschlossene Verträge erfüllt werden, die nicht in den Verantwortungsbereich des Kreditinstituts fallen.
Danach kommt eine Haftung der Beklagten auch im Hinblick auf das von dieser für den Kläger geführte Einlagengeschäft nicht in Betracht. Der Vermögensverlust ist nicht deshalb eingetreten, weil der Kläger seine Einlage mangels Liquidität der Beklagten nicht zurückerhalten hätte, sondern deshalb, weil die D-AG bzw. die G.S.S.-AG aufgrund des - jeweils von der unterstellten Erlaubnispflicht des Einlagengeschäfts der Beklagten unabhängigen - Vermögensverwaltungsvertrags und des Servicevertrags von diesem Konto Verwaltungsgebühren einzogen. Diese Zahlungen des Klägers stehen in keinem inneren Zusammenhang mit der Einlage gerade bei der Beklagten, sondern hätten genauso gut über ein Konto bei einer Bank getätigt werden können, die über eine Erlaubnis der BaFin verfügt.
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