31.01.2012

Zur Abgrenzung bedingten Vorsatzes von Fahrlässigkeit

Es genügt für die Annahme eines bedingten Vorsatzes (hier im Zusammenhang mit einer gescheiterten Fondsanlage) nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen. In einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt, der einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB, § 826 BGB scheitern lässt.

BGH 20.12.2011, VI ZR 309/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte sich im Dezember 2000 mit einer Kommanditeinlage von 200.000 DM zuzüglich Agio in Höhe von 5 % an einer Fondsgesellschaft beteiligt, deren Zweck laut Emissionsprospekt darin bestand, kommerzielle Fernseh- und Kinospielfilme sowie Fernsehserien zu entwickeln, zu produzieren und zu verwerten. Nach den Angaben im Prospekt sollten die Filmproduktionen durch den Abschluss von Erlösausfallversicherungen abgesichert werden. Die Beklagte hatte im Rahmen der Konstituierung des Filmfonds verschiedene Aufgaben übernommen, darunter die Eigenkapitalvermittlung, die Erstellung des Prospektentwurfs und Beratungsleistungen.

Im Jahr 2002 der Filmfonds im Zusammenhang mit der Insolvenz des Produktionsdienstleisters in wirtschaftliche Schwierigkeiten. An den Produktionsdienstleister überwiesene Gelder waren nicht zurückzuerlangen. Es stellte sich heraus, dass keine Erlösausfallversicherungen für die einzelnen Produktionen abgeschlossen worden waren, sondern lediglich ein Rahmenvertrag ("cover-note") mit einer Versicherung bestand, der den späteren Abschluss von Einzelerlösausfallversicherungen vorsah.

LG und OLG wiesen die auf Rückzahlung der geleisteten Einlage Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche aus der Beteiligung gerichtete Klage ab. Auch die Revision des Klägers blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Für eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB, § 826 BGB fehlte der erforderliche Vorsatz ihres Geschäftsführers.

Eine entsprechende Schadensersatzpflicht der Beklagten setzt voraus, dass ihr gesetzlicher Vertreter den objektiven Tatbestand des § 264a StGB vorsätzlich - zumindest in der Form des bedingten Vorsatzes - verwirklicht hat. Entsprechendes gilt für eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB. Entgegen der Auffassung des Klägers ist Vorsatz aber nicht immer bereits dann zu bejahen, wenn ein vernünftig denkender Dritter in der Situation des in Anspruch Genommenen über Erkenntnisse in Bezug auf die relevanten Tatumstände verfügt hätte oder hätte verfügen müssen, aufgrund derer auf der Hand liegt, dass für ein Vertrauen in das Ausbleiben des tatbestandlichen Erfolgs kein Raum ist.

Vorsatz enthält ein "Wissens-" und ein "Wollenselement". Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, - im Fall des § 264a StGB die Verwirklichung des objektiven Tatbestands, im Fall des § 826 BGB die Schädigung des Anspruchstellers - gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Die Annahme der - vorliegend allein in Betracht kommenden - Form des bedingten Vorsatzes setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Es genügt dagegen nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen. In einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt.

Zwar sind von den materiellen Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes die Anforderungen zu unterscheiden, die an seinen Beweis zu stellen sind. So kann sich im Rahmen des § 826 BGB aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlussfolgerung ergeben, dass er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Auch kann es im Einzelfall beweisrechtlich naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht. Allerdings kann der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht allein das Kriterium für die Frage sein, ob der Handelnde mit dem Erfolg auch einverstanden war. Vielmehr ist immer eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles erforderlich.

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