Zur Abrechnung nach § 9 Abs. 1 GOZ bei Betrieb eines eigenen Praxislabors
LG Darmstadt v. 15.3.2021, 18 O 33/20
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist einer der führenden Hersteller von Dentalprodukten und -technologien für Zahnärzte und Zahntechniker. Sie vertreibt ein CAD/CAM-gestütztes System, das von Zahnärzten für die Restauration von Zahndefekten angewendet werden soll. Das soll eine Alternative zu der herkömmlichen Herstellung von Zahnersatz und Einlagefüllungen darstellen. Die Beklagte bietet das System nicht nur Zahnärzten, sondern auch Zahntechnikern selbstständiger Dentallabore an. Es dient ausschließlich zur Herstellung zahntechnischer Leistungen, die nicht Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung sind.
Die Beklagte wirbt für ihr CAD/CAM-gestütztes System mit einer Broschüre. Diese ist auf der Internetseite der Beklagten frei zum Download abrufbar. Die Broschüre ist mit der ergänzenden Überschrift "Informationen für den autorisierten Fachhändler" versehen. Im Vorwort heißt es u.a.: "Neben den zahnärztlichen Leistungen regelt § 9 der GOZ die individuelle Kalkulation der Laborkosten und erlaubt abweichend von dem BEL II oder der BEB eine eigene Kalkulation der tatsächlich entstandenen Laborkosten. Hier entstehen Zahnärzten Freiräume für patientenindividuelle Lösungen". Die Broschüre enthält u.a. Darstellungen von Praxisfällen und ein Beispiel für eine Laborpreiskalkulation.
Die Beklagte wirbt für ihr System überdies mit einer Broschüre "Arbeitspapier für Steuerberater zwecks Investitionsplanung". Die Broschüre ist ebenfalls auf ihrer Internetseite frei zum Download abrufbar und richtet sich an Steuerberater, die Zahnärzte bei der potentiellen Anschaffung des Systems der Beklagten beraten. In der Broschüre heißt es u.a. "Mit dem System wandelt der Zahnarzt Fremdlaborkosten in Eigenlaborgewinn um."
Der Kläger ist ein Wettbewerbsverband. Er war der Ansicht, die Beklagte erwecke in den Broschüren den unzutreffenden Eindruck, der Zahnarzt könne die eigenständig erbrachten zahntechnischen Leistungen willkürlich "kalkulieren". Es werde gegenüber den angesprochenen Verkehrskreisen der unzutreffende Eindruck erweckt, diese könnten das System der Beklagten und die damit erbrachten zahntechnischen Leistungen zur Gewinnsteigerung nutzen, was eine unwahre Behauptung darstelle. Für das Betreiben eines Praxislabors bedarf es keineswegs unbedingt eines Gewinnes.
Das LG wies die Unterlassungsklage ab.
Die Gründe:
Die Beklagte hat durch die Verwendung der streitgegenständlichen Broschüren keinerlei Aussagen getroffen, die einzeln oder in ihrer Gesamtschau wettbewerbsrechtlich zu beanstanden sind. Insbesondere stellt es keinen Verstoß gegen Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb dar, wenn in den von der Beklagten als Werbemittel verwandten Broschüren der Eindruck vermittelt wird, dass Zahnärzte, die mit dem CAD/CAM-gestützten System erbrachte Leistungen abrechnen, im Rahmen des Ersatzes von Auslagen für zahntechnische Leistungen gem. § 9 Abs. 1 GOZ einen angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil abrechnen dürfen. Denn im Rahmen der Abrechnung zahntechnischer Leistungen nach § 9 Abs. 1 GOZ, die in einem eigenen Praxislabor erbracht werden, ist Abrechnung eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils durch den Zahnarzt nicht unzulässig.
Aus den Gesetzesmaterialien geht hervor, dass die Abrechnung einer Gewinnmarge für Arbeiten, die im praxiseigenen Labor gefertigt wurden, zulässig sein soll. So heißt es im Regierungsentwurf (BR-Drucks 276/87) zu § 9 GOZ ausdrücklich: "Auch für zahntechnische Leistungen, die im eigenen Praxislabor erbracht werden, darf der Zahnarzt nur die tatsächlich entstandenen Kosten unter Einschluss eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils als Auslagen abrechnen.
Soweit teilweise vertreten wird, dass diese Begründung keinen Niederschlag in § 9 GOZ gefunden habe, sie im offenen Widerspruch zum Wortlaut des § 9 GOZ stehe und deswegen nicht zur Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden könne, vermag die Kammer dem nicht beizutreten. Es besteht nämlich kein "offener Widerspruch" zwischen der in dem Regierungsentwurf enthaltenen Begründung und dem Wortlaut von § 9 Abs. 1 GOZ.
Dabei kann dahinstehen, ob die in dem Regierungsentwurf enthaltene Begründung so zu verstehen ist, dass der angemessene kalkulatorische Gewinnanteil als Teil der "tatsächlich entstandenen Kosten" zu begreifen ist oder neben diesen als Teil der abrechenbaren Auslagen. Denn sowohl die Formulierung "tatsächlich entstandenen Kosten" als auch der Begriff "Auslagen" zwingen nicht dazu, einen "angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil" als von ihnen nicht erfasst anzusehen.
Dieses Ergebnis, dass der Wortlaut des § 9 Abs. 1 GOZ der Abrechnung eines angemessenen Gewinnanteils nicht entgegensteht, wird auch durch folgende Erwägung gestützt: Wenn eine Fremdlaborrechnung vom Zahnarzt nach § 9 Abs. 1 GOZ abgerechnet wird, findet durchweg eine Abrechnung der vom Fremdlabor in Rechnung gestellten Gewinnmarge statt, wobei diese - in der Regel nicht offen ausgewiesene - Gewinnmarge zunächst Teil der dem Zahnarzt entstandenen "Kosten" ist, die dieser dann als "Auslage" abrechnet.
Die Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 GOZ spricht nicht gegen die Auffassung, wonach ein Zahnarzt, der zahntechnische Leistungen in einem eigenen Praxislabor erbringt, einen angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil abrechnen darf. Dass es dem Zahnarzt grundsätzlich verwehrt ist, im Rahmen des § 9 Abs. 1 GOZ einen zusätzlichen Gewinn zu erwirtschaften, ist (auch) darin begründet, dass der Zahnarzt dann, wenn er bloß Kosten weiterreicht, in der Regel keine maßgebliche eigene Leistung erbringt, und insofern der Kostenträger geschont werden soll. Auch trägt der Zahnarzt, der ein Fremdlabor mit der Erbringung einer zahntechnischen Leistung beauftragt, in der Regel kein eigenes wirtschaftliches Risiko. Diese Erwägungen verfangen jedoch dann nicht, wenn der Zahnarzt ein eigenes Praxislabor betreibt, und die mit dem Betrieb dieses Labors einhergehenden wirtschaftlichen Risiken zu tragen hat.
LaReDa Hessen
Die Beklagte ist einer der führenden Hersteller von Dentalprodukten und -technologien für Zahnärzte und Zahntechniker. Sie vertreibt ein CAD/CAM-gestütztes System, das von Zahnärzten für die Restauration von Zahndefekten angewendet werden soll. Das soll eine Alternative zu der herkömmlichen Herstellung von Zahnersatz und Einlagefüllungen darstellen. Die Beklagte bietet das System nicht nur Zahnärzten, sondern auch Zahntechnikern selbstständiger Dentallabore an. Es dient ausschließlich zur Herstellung zahntechnischer Leistungen, die nicht Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung sind.
Die Beklagte wirbt für ihr CAD/CAM-gestütztes System mit einer Broschüre. Diese ist auf der Internetseite der Beklagten frei zum Download abrufbar. Die Broschüre ist mit der ergänzenden Überschrift "Informationen für den autorisierten Fachhändler" versehen. Im Vorwort heißt es u.a.: "Neben den zahnärztlichen Leistungen regelt § 9 der GOZ die individuelle Kalkulation der Laborkosten und erlaubt abweichend von dem BEL II oder der BEB eine eigene Kalkulation der tatsächlich entstandenen Laborkosten. Hier entstehen Zahnärzten Freiräume für patientenindividuelle Lösungen". Die Broschüre enthält u.a. Darstellungen von Praxisfällen und ein Beispiel für eine Laborpreiskalkulation.
Die Beklagte wirbt für ihr System überdies mit einer Broschüre "Arbeitspapier für Steuerberater zwecks Investitionsplanung". Die Broschüre ist ebenfalls auf ihrer Internetseite frei zum Download abrufbar und richtet sich an Steuerberater, die Zahnärzte bei der potentiellen Anschaffung des Systems der Beklagten beraten. In der Broschüre heißt es u.a. "Mit dem System wandelt der Zahnarzt Fremdlaborkosten in Eigenlaborgewinn um."
Der Kläger ist ein Wettbewerbsverband. Er war der Ansicht, die Beklagte erwecke in den Broschüren den unzutreffenden Eindruck, der Zahnarzt könne die eigenständig erbrachten zahntechnischen Leistungen willkürlich "kalkulieren". Es werde gegenüber den angesprochenen Verkehrskreisen der unzutreffende Eindruck erweckt, diese könnten das System der Beklagten und die damit erbrachten zahntechnischen Leistungen zur Gewinnsteigerung nutzen, was eine unwahre Behauptung darstelle. Für das Betreiben eines Praxislabors bedarf es keineswegs unbedingt eines Gewinnes.
Das LG wies die Unterlassungsklage ab.
Die Gründe:
Die Beklagte hat durch die Verwendung der streitgegenständlichen Broschüren keinerlei Aussagen getroffen, die einzeln oder in ihrer Gesamtschau wettbewerbsrechtlich zu beanstanden sind. Insbesondere stellt es keinen Verstoß gegen Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb dar, wenn in den von der Beklagten als Werbemittel verwandten Broschüren der Eindruck vermittelt wird, dass Zahnärzte, die mit dem CAD/CAM-gestützten System erbrachte Leistungen abrechnen, im Rahmen des Ersatzes von Auslagen für zahntechnische Leistungen gem. § 9 Abs. 1 GOZ einen angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil abrechnen dürfen. Denn im Rahmen der Abrechnung zahntechnischer Leistungen nach § 9 Abs. 1 GOZ, die in einem eigenen Praxislabor erbracht werden, ist Abrechnung eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils durch den Zahnarzt nicht unzulässig.
Aus den Gesetzesmaterialien geht hervor, dass die Abrechnung einer Gewinnmarge für Arbeiten, die im praxiseigenen Labor gefertigt wurden, zulässig sein soll. So heißt es im Regierungsentwurf (BR-Drucks 276/87) zu § 9 GOZ ausdrücklich: "Auch für zahntechnische Leistungen, die im eigenen Praxislabor erbracht werden, darf der Zahnarzt nur die tatsächlich entstandenen Kosten unter Einschluss eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils als Auslagen abrechnen.
Soweit teilweise vertreten wird, dass diese Begründung keinen Niederschlag in § 9 GOZ gefunden habe, sie im offenen Widerspruch zum Wortlaut des § 9 GOZ stehe und deswegen nicht zur Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden könne, vermag die Kammer dem nicht beizutreten. Es besteht nämlich kein "offener Widerspruch" zwischen der in dem Regierungsentwurf enthaltenen Begründung und dem Wortlaut von § 9 Abs. 1 GOZ.
Dabei kann dahinstehen, ob die in dem Regierungsentwurf enthaltene Begründung so zu verstehen ist, dass der angemessene kalkulatorische Gewinnanteil als Teil der "tatsächlich entstandenen Kosten" zu begreifen ist oder neben diesen als Teil der abrechenbaren Auslagen. Denn sowohl die Formulierung "tatsächlich entstandenen Kosten" als auch der Begriff "Auslagen" zwingen nicht dazu, einen "angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil" als von ihnen nicht erfasst anzusehen.
Dieses Ergebnis, dass der Wortlaut des § 9 Abs. 1 GOZ der Abrechnung eines angemessenen Gewinnanteils nicht entgegensteht, wird auch durch folgende Erwägung gestützt: Wenn eine Fremdlaborrechnung vom Zahnarzt nach § 9 Abs. 1 GOZ abgerechnet wird, findet durchweg eine Abrechnung der vom Fremdlabor in Rechnung gestellten Gewinnmarge statt, wobei diese - in der Regel nicht offen ausgewiesene - Gewinnmarge zunächst Teil der dem Zahnarzt entstandenen "Kosten" ist, die dieser dann als "Auslage" abrechnet.
Die Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 GOZ spricht nicht gegen die Auffassung, wonach ein Zahnarzt, der zahntechnische Leistungen in einem eigenen Praxislabor erbringt, einen angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil abrechnen darf. Dass es dem Zahnarzt grundsätzlich verwehrt ist, im Rahmen des § 9 Abs. 1 GOZ einen zusätzlichen Gewinn zu erwirtschaften, ist (auch) darin begründet, dass der Zahnarzt dann, wenn er bloß Kosten weiterreicht, in der Regel keine maßgebliche eigene Leistung erbringt, und insofern der Kostenträger geschont werden soll. Auch trägt der Zahnarzt, der ein Fremdlabor mit der Erbringung einer zahntechnischen Leistung beauftragt, in der Regel kein eigenes wirtschaftliches Risiko. Diese Erwägungen verfangen jedoch dann nicht, wenn der Zahnarzt ein eigenes Praxislabor betreibt, und die mit dem Betrieb dieses Labors einhergehenden wirtschaftlichen Risiken zu tragen hat.