10.04.2012

Zur Anfechtbarkeit der Nichtauszahlung von Aufwendungshilfen zur Wohnbauförderung nach Insolvenzantrag

Die Nichtauszahlung von Aufwendungshilfen zur Wohnbauförderung wegen Insolvenzantrags des Begünstigten ist nicht als Deckungshandlung anfechtbar. Der Insolvenzverwalter ist darauf beschränkt, den Auszahlungsanspruch geltend zu machen, solange und soweit dieser fortbesteht.

BGH 15.3.2012, IX ZA 107/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 23.5.2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH & Co. KG (Schuldnerin). Diese hatte im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus ein Mehrfamilienhaus mit zwölf Wohnungen errichtet. Mit Bescheid der Wohnungsbau-Kreditanstalt Berlin wurden der Schuldnerin Aufwendungshilfen i.H.v. insgesamt rd. 3,4 Mio. DM gewährt, zum Teil als Aufwendungsdarlehen, zum Teil als Aufwendungszuschuss. Die Aufwendungshilfe wurde in Teilzahlungen jährlich zum 15.2., 15.5., 15.8. und 15.11. ausbezahlt.

Nachdem die Schuldnerin am 13.11.2006 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt hatte, leistete der Beklagte die zum 15.11.2006, 15.2.2007 und 15.5.2007 fällig gewordenen Raten i.H.v. insgesamt rd. 53.500 € nicht mehr. Mit Bescheid vom 6.6.2007 widerrief der Beklagte die Bewilligungsbescheide rückwirkend zum 1.10.2006. Der Widerrufsbescheid ist bestandskräftig. Der Kläger begehrt im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Auszahlung der nach Eingang der Insolvenzanträge fällig gewordenen Aufwendungshilfen über 53.500 €.

Das LG gab der Klage statt; das KG wies sie ab. Mit der vom Kläger angestrebten Revision will dieser sein Klagebegehren weiterverfolgen. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Wiedereinsetzungsverfahren betreffend die versäumte Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des KG sowie zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Nichtauszahlung von Aufwendungshilfen kann gem. § 129 Abs. 2 InsO als Unterlassen anfechtbar sein, wenn dieses Unterlassen einer Rechtshandlung gleichsteht. Dies ist anzunehmen, wenn die Unterlassung bewusst und willentlich geschieht und für die Gläubigerbenachteiligung ursächlich geworden ist. Nötig ist das Bewusstsein, dass die Untätigkeit Rechtsfolgen auslöst. Diese Voraussetzungen liegen hier zweifellos vor. Eine Deckungsanfechtung scheidet aber deshalb aus, weil der Beklagte weder im Zeitpunkt der angefochtenen Handlung noch später Insolvenzgläubiger war.

Der im Rahmen der Deckungsanfechtung (§ 130 Abs. 1, § 131 Abs. 1 InsO) verwendete Begriff des Insolvenzgläubigers setzt allerdings nicht voraus, dass diesem eine beständige Forderung zusteht. Erbringt der Schuldner eine Zahlung auf eine vermeintliche Forderung, ist der Empfänger ebenfalls als Insolvenzgläubiger zu betrachten. Eine Insolvenzforderung liegt schon dann vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich eine Forderung des Gläubigers daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben. Die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs muss jedoch schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein.

Unerheblich ist dagegen, ob die Forderung selbst schon entstanden oder fällig war. Zu den Insolvenzgläubigern gehört jeder, der in der Insolvenz nur eine Forderung i.S.d. § 38 InsO oder einen nachrangigen Anspruch gehabt hätte, weil dessen Erfüllung geeignet ist, die Befriedigungsaussichten der Gläubiger zu schmälern. Eine solche Stellung als Insolvenzgläubiger hatte der Beklagte hinsichtlich der hier in Rede stehenden Forderung nicht. Er war vielmehr bis zum bestandskräftigen Widerruf der Bewilligungsbescheide gegenüber der Masse Schuldner dieser Forderungen. §§ 130, 131 InsO betreffen die Anfechtung von Rechtshandlungen, mit denen einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht wird.

Sie betreffen dagegen nicht Rechtshandlungen, mit denen sich ein Dritter erst zum Insolvenzgläubiger gemacht hat oder - bei Unterlassungen - gemacht haben würde. Deshalb kann der Insolvenzverwalter im Wege der Anfechtung einen Schuldner des Insolvenzschuldners, etwa einen Darlehensgeber, nicht dazu zwingen, Leistungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig waren, nach der Insolvenzeröffnung noch an die Masse zu erbringen, um ihn sodann wegen der Rückforderung auf die Quote zu verweisen. Er ist vielmehr darauf beschränkt, den Auszahlungsanspruch geltend zu machen, solange und soweit dieser fortbesteht. Die schuldrechtliche Grundlage für den Rückforderungsanspruch gegen die Masse in Form einer Insolvenzforderung war auch hier nicht gegeben, solange der Betrag tatsächlich noch nicht an den Schuldner gezahlt war.

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