Zur Anwendung der Eigenkapitalersatzvorschriften bei Beteiligung eines Gesellschafters an Darlehen nehmender und Darlehen gebender Gesellschaft
BGH 28.2.2012, II ZR 115/11Die Klägerin begehrt als Insolvenzverwalterin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der F-GmbH (Schuldnerin) von der Beklagten, einer GmbH, Zahlung eines Betrages von rd. 90.000 € unter dem Gesichtspunkt eines Rückzahlungsanspruchs nach den Rechtsprechungsregeln analog § 31 Abs. 1 GmbHG a.F. Die Schuldnerin, deren alleiniger Gesellschafter B war, wurde 1997 mit einem Stammkapital von 50.000 DM gegründet. Jeweils zum Jahresabschluss war die Schuldnerin in Jahren 2002 bis 2005 bilanziell überschuldet. Im November 2006 wurde auf den Antrag der Schuldnerin das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet.
Die Beklagte hatte gegen die Schuldnerin einen Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens, der sich zum 31.12.2003 auf einen Betrag von rd. 510.000 € belief. Gesellschafter der Beklagten mit einem Geschäftsanteil von 50 Prozent ist ebenfalls B. Von Juli 1992 bis Juli 2006 war er auch alleiniger und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten. Die Schuldnerin hatte ihrerseits zum 31.12.2003 gegen die Dritte M-GmbH & Co KG (M) Forderungen i.H.v. rd. 530.000 €. Die M wiederum hatte zum 31.12.2003 eine Forderung gegen die Beklagte i.H.v. rd. 515.000 €. Mit Vertrag von Januar 2004 trat die M zur teilweise Erfüllung der gegen sie gerichteten Forderung der Schuldnerin ihre Forderung gegen die Beklagte i.H.v. rd. 510.000 € an die Schuldnerin ab. Der Abtretungsvertrag wurde für die M von ihrem Geschäftsführer B unterzeichnet.
Mit weiterem Vertrag von Januar 2004 schloss die Schuldnerin mit der Beklagten eine Aufrechnungsvereinbarung, mit der die abgetretene Forderung der M gegen die Beklagte i.H.v. rd. 515.000 € gegen den Anspruch der Beklagten gegen die Schuldnerin auf Rückzahlung des Darlehens zum 31.1.2004 aufgerechnet wurde. Die Vereinbarung unterzeichnete für die Beklagte deren Geschäftsführer B. Die Klägerin sieht in der Tilgung des der Schuldnerin von der Beklagten gewährten Darlehens infolge der Aufrechnungsvereinbarung vom 31.1.2004 die verbotene Rückführung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens und verlangt mit der Behauptung einer Unterbilanz i.H.v. rd. 90.000 € zum 31.1.2004 Zahlung in dieser Höhe.
LG und KG wiesen die Klage ab. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das KG zurück.
Die Gründe:
Das KG hätte einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung des geltend gemachten Betrags nach den Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatzrecht in entsprechender Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG aF nicht mit der gegebenen Begründung ablehnen dürfen. Im Ausgangspunkt richtig ist das KG allerdings davon ausgegangen, dass das Eigenkapitalersatzrecht in Gestalt der Rechtsprechungsregeln (§§ 30, 31 GmbHG aF analog) hier noch anwendbar ist, weil das Insolvenzverfahren vor dem Inkrafttreten des MoMiG am 1.11.2008 eröffnet worden ist.
Entgegen der Auffassung des KG unterliegt die Beklagte den Rechtsprechungsregeln über den Eigenkapitalersatz, weil der Alleingesellschafter der Schuldnerin auf die Entscheidung der Beklagten, das Darlehen abzuziehen, einen bestimmenden Einfluss ausüben konnte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats gelten die Eigenkapitalersatzregeln ausnahmsweise auch für Finanzierungshilfen Dritter, wenn der Dritte bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Gesellschafter gleichsteht. Dies kann insbes. zutreffen, wenn der Dritte mit einem Gesellschafter horizontal oder vertikal verbunden ist. Die Verbindung kann in der Weise bestehen, dass der Dritte an einem Gesellschafter der GmbH beteiligt ist (Gesellschafter-Gesellschafter), und führt jedenfalls dann zur Anwendung der Eigenkapitalersatzvorschriften, wenn der Dritte aufgrund einer qualifizierten Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte einen bestimmenden Einfluss auf den Gesellschafter ausüben kann.
Die Verbindung kann aber auch so ausgestaltet sein, dass ein Gesellschafter an beiden Gesellschaften, der Darlehen nehmenden und der Darlehen gebenden Gesellschaft, und zwar an der letztgenannten "maßgeblich" beteiligt ist. Eine maßgebliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Gesellschafter auf die Entscheidungen der Kredit gebenden Gesellschaft, nämlich auf die Gewährung oder auf den Abzug der Kredithilfe, einen bestimmenden Einfluss ausüben, insbes. dem Geschäftsführungsorgan der hilfegewährenden Gesellschaft durch Gesellschafterbeschlüsse gem. § 46 Nr. 6 GmbHG entsprechende Weisungen erteilen kann. Dazu genügt bei einer GmbH eine Beteiligung von mehr als 50 Prozent.
Eine maßgebliche Beteiligung ist aber auch dann anzunehmen, wenn - wie hier - der Gesellschafter einer hilfenehmenden GmbH zwar "nur" zu 50 Prozent an der hilfeleistenden GmbH beteiligt, aber zugleich deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist. Da der Alleingesellschafter der Schuldnerin Inhaber eines Geschäftsanteils von 50 Prozent an der Beklagten ist, können ohne seine Zustimmung keine Gesellschafterbeschlüsse gefasst werden. Dass auch er keine Stimmenmehrheit hat, ist ohne Bedeutung. Als alleiniger Geschäftsführer der Beklagten kann er deren Geschäfte nach seinen Vorstellungen führen, insbes. über den Abzug der Hilfeleistung entscheiden und gegenteilige Weisungen der Gesellschafterversammlung durch seine Sperrminorität verhindern. Sein bestimmender Einfluss auf den Abzug der Kredithilfe ist in gleicher Weise gegeben, wie wenn er aufgrund seiner Stimmmacht den Geschäftsführer entsprechend anweisen könnte.
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