Zur Anwendung des Ertragswertverfahrens bei der Unternehmensbewertung im Zugewinnausgleich
BGH 8.11.2017, XII ZR 108/16Die Parteien streiten um die Bewertung einer Unternehmensbeteiligung des Beklagten im Zugewinnausgleich. Die 1988 geschlossene Ehe der Parteien wurde im Oktober 2004 rechtskräftig geschieden. Mit ihrer im November 2007 zugestellten Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zugewinnausgleich i.H.v. 850.000 € in Anspruch. Der Beklagte begehrt widerklagend ebenfalls Zugewinnausgleich i.H.v. rd. 34.500 €.
Der Beklagte und drei weitere gleichberechtigte Gesellschafter gründeten im Jahr 1994 eine GbR. Diese ging mit Wirkung zum 1.3.2000 im Wege der Anwachsung auf die von den vier GbR-Gesellschaftern gegründete D-GmbH über. Die GmbH wiederum wurde rückwirkend zum 1.1.2000 auf die zeitgleich von den vier GbR-Gesellschaftern gegründete, nicht börsennotierte D- AG verschmolzen, an der die vier Gesellschafter jeweils 25 % der Aktien übernahmen. Gegenstand des Geschäftsbetriebs ist u.a. die Entwicklung und der Vertrieb von Spracherkennungs- und Sprachlernsoftware.
Das AG gab der Klage teilweise, nämlich i.H.v. rd. 140.000 € nebst Zinsen, statt und wies sie im Übrigen ebenso wie die Widerklage ab. Die Berufung des Beklagten hatte vor dem KG ebenso wenig Erfolg, wie die vorliegende Revision vor dem BGH.
Die Gründe:
Für die Bewertung des Endvermögens nach § 1376 Abs. 2 BGB ist der objektive (Verkehrs-)Wert der Vermögensgegenstände maßgebend. Ziel der Wertermittlung ist es, die Unternehmensbeteiligung des Ehegatten mit ihrem "vollen, wirklichen" Wert anzusetzen. Grundsätze darüber, nach welcher Methode das zu geschehen hat, enthält das Gesetz nicht. Es ist hier nicht zu beanstanden, dass das sachverständig beratene KG den Wert der in das Endvermögen des Beklagten fallenden 25-prozentigen Beteiligung an der AG nach der Ertragswertmethode ermittelt hat. Bei freiberuflichen Praxen und inhabergeführten Unternehmen kann die Bewertung allerdings grundsätzlich nicht nach dem reinen Ertragswertverfahren erfolgen, weil sich die Ertragsprognose kaum von der Person des Inhabers trennen lässt und der Ertrag von ihm durch unternehmerische Entscheidungen beeinflusst werden kann. Daher hat der Senat für solche Fälle eine modifizierte Ertragswertmethode gebilligt, die sich an den durchschnittlichen Erträgen orientiert und davon einen Unternehmerlohn des Inhabers absetzt. Diesen Vorgaben entspricht die vom KG gewählte Bewertungsmethode.
Auch die Anwendung der gewählten Bewertungsmethode begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Revision rügt allerdings zu Recht, dass das KG bei der Bemessung des kalkulatorischen Unternehmerlohns für die Jahre 1997 bis 1999 die Berücksichtigung anderer als der unternehmensleitenden Tätigkeiten schon aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt hat. Für die Ertragskraft eines Unternehmens ist ein maßgeblicher Faktor, welcher Personalaufwand betrieben wird. Soweit der Gesellschafter selbst ohne Vergütung Tätigkeiten jedweder Art für das Unternehmen erbringt und dadurch Personalkosten erspart, ist hierfür ein kalkulatorischer Unternehmerlohn anzusetzen, weil dem potenziellen Unternehmenserwerber die "kostenlose" Arbeitskraft des Unternehmers nicht mehr zur Verfügung stünde. Nichts anderes gilt für den vorliegenden Fall, in dem eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse von GbR und AG hergestellt werden muss. Mithin hat das KG seinen Blickwinkel in unzulässiger Weise verengt, indem es allein auf § 202 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. d BewG abgestellt und deshalb als Unternehmerlohn nur die Vergütung angesetzt hat, die eine Fremdgeschäftsführung erhalten würde.
Vielmehr waren dem Grundsatz nach auch sonstige Arbeitsleistungen der vier Gesellschafter für die Gesellschaft mit einem kalkulatorischen Lohn zu berücksichtigen. Denn auch für diese Tätigkeiten müsste die AG eine Vergütung entrichten. Gleichwohl hat es das KG im vorliegenden Fall zu Recht abgelehnt, einen höheren als den vom Sachverständigen für die unternehmensleitende Tätigkeit in den Jahren 1997 bis 1999 als angemessen angesehenen Unternehmerlohn von 110.000 € jährlich in Ansatz zu bringen. Für die Bewertung von Gegenständen des Endvermögens ist grundsätzlich der Ausgleichsgläubiger darlegungs- und beweisbelastet. Der ihm deshalb zustehende Auskunftsanspruch aus § 1379 BGB erstreckt sich allerdings nicht auf Gegenstand und Umfang der in den Jahresabschlüssen des Unternehmens nicht abgebildeten Unternehmertätigkeit. Insoweit hat der Ausgleichsgläubiger allenfalls einen Anspruch auf Wertfeststellung durch einen Sachverständigen entsprechend § 1377 Abs. 2 S. 3 BGB, der auf Duldung der Ermittlungen durch den Sachverständigen gerichtet ist.
Macht der Ausgleichschuldner nach erfolgter sachverständiger Wertermittlung geltend, diese sei unzutreffend, weil sie Gegebenheiten unberücksichtigt lasse, so trifft ihn jedenfalls dann nach allgemeinen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast für die nach seiner Auffassung in die Wertermittlung noch einzubeziehenden Umstände, wenn der Ausgleichsgläubiger außerhalb des insoweit maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den rechtserheblichen Sachverhalt nicht von sich aus ermitteln kann. So verhält es sich mit Umfang und Gegenstand der von den vier Gesellschaftern für die GbR in den Jahren 1997 bis 1999 ausgeübten Tätigkeiten, auf deren kalkulatorischen Wert es für die Bestimmung des Unternehmerlohns und damit letztlich für den in das Endvermögen des Beklagten einzustellenden Wert seines Unternehmensanteils ankommt. Dieser sekundären Darlegungslast hat der Beklagte nicht genügt. Daher geht es zu seinen Lasten, dass der Umfang der nicht unternehmensleitenden Tätigkeiten der vier Gesellschafter unklar geblieben ist und bei der Ermittlung des Unternehmerlohns keine Berücksichtigung finden konnte.
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