24.10.2011

Zur Aufklärungspflicht über die Zahlung von Vertriebsprovisionen bei der Vermittlung von Beteiligungen an Fondgesellschaften

Vor dem Abschluss eines Unterbeteiligungsvertrages zu Anlagezwecken ist der Vertragspartner des Kapitalanlegers nur unter besonderen Voraussetzungen verpflichtet, diesen über die Zahlung von Vertriebsprovisionen aufzuklären, die er an einen zugleich für den Anleger beratend tätigen Anlagevermittler leistet. Eine solche Aufklärungspflicht liegt jedenfalls nicht vor, wenn zwischen Anleger und Provisionsempfänger kein Vertragsverhältnis besteht, aufgrund dessen der Provisionsempfänger ähnlich einem Vermögensverwalter die Wahrnehmung der Interessen des Anlegers schuldet.

BGH 20.9.2011, II ZR 277/09
Der Sachverhalt:
Die beklagte Privatbank beteiligte sich im Jahr 2000 mit rd. 8,5 Mio. € an der Fondsgesellschaft "W. V. II GmbH & Co. KG". Die Beklagte räumte der Klägerin per Vertrag eine Unterbeteiligung i.H.v. 100.000 € ein. Zu diesem Zweck vereinbarten die Parteien eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts; die Klägerin erwarb keine Mitberechtigung an der Hauptbeteiligung, sondern nur schuldrechtliche Ansprüche aus dem Vertrag mit der Beklagten. Die Klägerin verpflichtete sich, zzgl. zu der Einlage i.H.v. 100.000 € ein Agio i.H.v. 5 Prozent zu leisten, das der Aufbringung des Agios für die Hauptbeteiligung dienen sollte.

Die Unterbeteiligung der Klägerin war auf Empfehlung des S zustande gekommen, der die Klägerin seinerzeit in Geldanlagen beriet und der zugleich Geschäftsbeziehungen zu der Beklagten unterhielt. S stand auch mit weiteren Anlegerinnen in Verbindung, die bei der Beklagten eine Unterbeteiligung an dem genannten Fonds erwarben. Im März 2000 überwies ihm die Beklagte 40.000 DM (20.452 €) als "Bonifikation bzgl. Ihrer Vermittlungstätigkeit V. II Zeichnungen". Hierüber klärte sie die Klägerin nicht auf.

Die Klägerin überließ S den Beteiligungsbetrag zzgl. Agio i.H.v. insgesamt 105.000 € zur Weiterleitung an die Beklagte. Diese forderte den Betrag, wie im Unterbeteiligungsvertrag optional vorgesehen, erst nach und nach in Teilbeträgen ein, wobei sie ihre Kapitalabrufe an S richtete, ohne die Klägerin darüber zu informieren. S kam den Kapitalabrufen nur teilweise nach. Im November 2004 beging er Selbstmord. Der Insolvenzverwalter über seinen Nachlass zahlte im September 2007 an die Klägerin 11.356 €.

LG und OLG gaben der Klage statt und sprach der Klägerin Schadensersatz in Höhe des Anlagebetrages samt Agio abzgl. der geleisteten Zahlung Zug um Zug gegen Rückübertragung der Ansprüche aus der Unterbeteiligung sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die bisherigen Feststellungen des OLG bieten keine tragfähige Grundlage für die Annahme eines vorvertraglichen Aufklärungsverschuldens der Beklagten.

Zwischen den Parteien ist eine Innengesellschaft des Bürgerlichen Rechts zustande gekommen, an der sich die Klägerin zu Anlagezwecken beteiligt hat. Der Vertragspartner des Anlegers kann diesem wegen Verschuldens beim Abschluss des mit ihm geschlossenen Gesellschaftsvertrags zum Schadenersatz verpflichtet sein, wenn er den Anleger bei der Vertragsanbahnung nicht über alle für seine Anlageentscheidung wesentlichen Umstände zutreffend, verständlich und vollständig aufklärt. Der Vertragspartner des Anlegers ist jedoch grundsätzlich nicht verpflichtet, diesen vor Vertragsabschluss über die Zahlung von Vertriebsprovisionen aufzuklären, die er an einen (zugleich für den Anleger beratend tätigen) Anlagevermittler leistet.

Zwar besteht selbst bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den von ihm verfolgten Vertragszweck vereiteln können. Nur unter besonderen Voraussetzungen jedoch hat der Vertragspartner des Anlegers diesem gegenüber die an einen Vermittler gezahlte Vertriebsprovision offenzulegen. Der BGH hat eine solche Offenbarungspflicht für den Fall bejaht, dass eine Bank den Vermögensverwalter eines Kunden an ihren Provisionen und Depotgebühren beteiligt. Durch die Vereinbarung, dem Vermögensverwalter einen Teil der Provisionen und Depotgebühren zu vergüten, die sie künftig von Kunden erhalte, die er ihr zuführe, schaffe die Bank nämlich für ihn einen Anreiz, nicht allein das Interesse des Kunden, sondern auch das eigene Interesse an möglichst umfangreichen Vergütungen der Bank zu berücksichtigen.

An einer vergleichbaren Interessengefährdung und damit an der Grundlage für die Annahme einer Aufklärungspflicht fehlt es jedoch, wenn zwischen dem Anleger und dem Provisionsempfänger kein Vertragsverhältnis besteht, aufgrund dessen der Provisionsempfänger ähnlich einem Vermögensverwalter die Wahrnehmung der Interessen des Anlegers schuldet. Das OLG hat vorliegend die für die Annahme einer Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten erforderlichen Feststellungen nicht getroffen. Es durfte sich schon im Rahmen der Prüfung, ob zwischen S und der Klägerin ein Vertragsverhältnis bestand, das als Grundlage für eine Aufklärungspflicht der Beklagten über die Provisionszahlung an S in Betracht kam, nicht darauf beschränken, offen zu lassen, ob S als Vermögensverwalter der Klägerin oder als deren Anlageberater tätig geworden ist, ohne nähere Feststellungen zum konkreten Inhalt der Rechtsbeziehung zu treffen.

Wie der BGH - nach Erlass des Berufungsurteils - entschieden hat, besteht für einen nicht bankmäßig gebundenen, freien Anlageberater - soweit nicht § 31d WpHG eingreift - jedenfalls dann keine Verpflichtung gegenüber seinem Kunden, ungefragt über eine von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären, wenn der Kunde selbst keine Provision an den Berater zahlt und offen ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen werden, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden.

Linkhinweis:

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