13.03.2012

Zur Ausübung des Vorkaufsrechts hinsichtlich einer Eigentumswohnung bei Vorliegen einer den Vorkaufsfall auslösenden kaufähnlichen Vertragsgestaltung

Bringt der Verpflichtete die mit einem Vorkaufsrecht belastete Sache in eine von ihm beherrschte Gesellschaft ein und überträgt er anschließend die Gesellschaftsanteile entgeltlich an einen Dritten, kann eine den Vorkaufsfall auslösende kaufähnliche Vertragsgestaltung vorliegen. Der Verpflichtete kann die Erstreckung des Vorkaufs auf andere Gegenstände als diejenigen, auf die sich das Vorkaufsrecht bezieht, nur dann verlangen, wenn sich infolge der Trennung der vorkaufsbelasteten Sache kein adäquater Preis für die verbleibenden Gegenstände erzielen lässt.

BGH 27.1.2012, V ZR 272/10
Der Sachverhalt:
Den Klägern gehört seit 1986 eine Eigentumswohnung nebst Stellplatz in Form eines Wohnungs- und Teilerbbaurechts. Zu ihren Gunsten besteht ein dingliches Vorkaufsrecht für alle Fälle des Verkaufs des Erbbaugrundstücks.

Über das Vermögen der ursprünglichen Eigentümerin des Erbbaugrundstücks (Schuldnerin) wurde 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 3) als Insolvenzverwalter bestellt. Dieser bot den Klägern einen ihrem Wohnungs- und Teilerbbaurecht entsprechenden Miteigentumsanteil an dem Grundstück zum Kauf an. Das lehnten die Kläger ab, weil ihnen der Preis zu hoch erschien, während andere Wohnungserbbauberechtigte entsprechende Angebote akzeptierten.

Mit notariellem Vertrag von März 2005 übertrug der Beklagte zu 3) das Eigentum an dem Erbbaugrundstück und an weiteren 86, ebenfalls mit Erbbaurechten belasteten Grundstücken unentgeltlich an die Beklagte zu 1), einer unmittelbar zuvor gegründeten GmbH & Co. KG. Mit weiterem notariellen Vertrag vom selben Tag übertrug der Beklagte zu 3) die Gesellschaftsanteile an der Beklagten zu 1) und an deren Komplementärin zum Preis von 25.000 € für die GmbH-Anteile und von 7,44 Mio. € für die Kommanditanteile auf die V-AG. Die Beklagte zu 1) verwaltet seither die Erbbaurechte für die V-AG.

Die Kläger, die aufgrund der im März 2005 geschlossenen Verträge den Vorkaufsfall für eingetreten halten, haben das Vorkaufsrecht ausgeübt. Mit ihrer Klage verlangen sie von den Beklagten zu 1) und zu 3) u.a. die Übertragung des ihrem Wohnungs- und Teilerbbaurecht entsprechenden Miteigentumsanteils an dem Erbbaugrundstück Zug um Zug gegen Zahlung von 14.860 €.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG verneint zu Unrecht den Eintritt des Vorkaufsfalls und hält deshalb alle mit der Klage verfolgten Ansprüche für unbegründet.

Eine interessengerechte Auslegung von § 463 BGB gebietet es, die Norm auch auf solche Vertragsgestaltungen zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten anzuwenden, die bei materieller Betrachtung einem Kauf i.S.d. Vorkaufsrechts so nahe kommen, dass sie ihm gleichgestellt werden können. Eine kaufähnliche Vertragsgestaltung in diesem Sinne kann gegeben sein, wenn der Verpflichtete die mit einem Vorkaufsrecht belastete Sache in eine von ihm beherrschte Gesellschaft einbringt und anschließend die Gesellschaftsanteile entgeltlich an einen Dritten überträgt. Maßgeblich ist, ob allen formellen Vereinbarungen zum Trotz der Wille der Vertragsschließenden auf eine Eigentumsübertragung (auch) der vorkaufsbelasteten Sache gegen Zahlung eines bestimmten Preises gerichtet war.

Das OLG hält diese Voraussetzungen hier zu Unrecht für nicht gegeben. Diese Bewertung lässt sich auch nicht unter Hinweis darauf in Frage stellen, nicht der Verkauf der Grundstücke habe im Vordergrund gestanden, sondern die Übertragung eines - durch die Ausgliederung eines Betriebsteils der Schuldnerin in die Beklagte zu 1) entstandenen - Unternehmens mit dem Zweck der Gewinnerzielung durch die Einnahme von Erbbauzinsen. Hierbei wird bereits verkannt, dass die Veräußerung eines Unternehmens, welches keinen anderen Zweck hat, als die in seinem Eigentum stehenden Grundstücke zu verwalten, wirtschaftlich dem Verkauf dieser Grundstücke gleichsteht.

Für das weitere Verfahren war auf Folgendes hinzuweisen: Ein Nachteil i.S.v. § 467 S. 2 BGB, der den Beklagten zu 3) zu dem Einwand berechtigte, der Vorkauf müsse auf alle 87 Grundstücke oder auf alle Miteigentumsanteile des vorkaufsbelasteten Grundstücks erstreckt werden, ist nicht schon im Wegfall der Vorteile zu sehen, die sich aus der Veräußerung der Grundstücke im "Paket" ergeben. Kein Nachteil im Sinne dieser Vorschrift ist es, wenn der Mengenverkauf für den Vorkaufsverpflichteten vorteilhafter war als ein Einzelverkauf; denn mit der Auflösung des "Pakets" musste der Verpflichtete angesichts des Vorkaufsrechts von vornherein rechnen.

Die Erstreckung des Vorkaufs auf sämtliche Gegenstände kann der Verpflichtete nur dann verlangen, wenn sich infolge der Trennung des vorkaufsbelasteten Gegenstands kein adäquater Preis für die verbleibenden Sachen erzielen lässt. So kann es beispielsweise liegen, wenn zusammen mit dem vorkaufsbelasteten Grundstück eine isoliert nicht sinnvoll nutzbare Fläche oder ein speziell für ein Haus angefertigter Einrichtungsgegenstand verkauft worden ist.

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