Zur Befriedigung des doppelt gesicherten Gläubigers durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit bei Freiwerden der Gesellschaftersicherheit
BGH 1.12.2011, IX ZR 11/11Der Kläger ist Verwalter in dem am 1.2.2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S-GmbH (Schuldnerin). Der Beklagte ist seit 1994/95 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin. Zur Sicherung von Krediten, welche die S der Schuldnerin gewährte, bestellte er an in seinem Alleineigentum stehenden Grundstücken Grundschulden im Nennwert von insgesamt 977.389 €. Die Kredite waren außerdem durch Sicherungseigentum an Fahrzeugen der Schuldnerin gesichert.
Der Kläger verwertete die Fahrzeuge und zahlte an die S einen Betrag von rd. 42.200 € (Verwertungserlös abzgl. Verwertungspauschalen und Umsatzsteuer). Der Kläger verlangte zunächst Zahlung der Stammeinlage von rd. 25.600 € (50.000 DM) verlangt. Der Beklagte erkannte einen Betrag von rd. 1.280 € an, insoweit erging Anerkenntnisurteil. Der Kläger verfolgte den Anspruch auf Zahlung der Einlage sodann nur noch i.H.v. weiteren rd. 1.280 € weiter und verlangte desweiteren wegen des an die S ausgekehrten Verwertungserlöses Zahlung von rd. 42.200 €, weil die vom Beklagten persönlich gestellte Sicherheit in dieser Höhe freigeworden sei.
Das LG gab der Klage antragsgemäß statt. Das OLG wies sie ganz überwiegend ab und erhielt die Verurteilung lediglich wegen der noch streitigen Einlageforderung i.H.v. rd. 1.280 € aufrecht. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als die Klage unter Abänderung des Schlussurteils des LG wegen eines Betrages von rd. 42.200 € abgewiesen worden ist, und wies die Berufung auch insoweit zurück.
Die Gründe:
Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung des an die S ausgekehrten Erlöses folgt aus § 143 Abs. 3 S. 1 InsO analog.
Der Fall, dass ein doppelt gesicherter Gläubiger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt und die Gesellschaftersicherheit hierdurch frei wird, ist gesetzlich nicht geregelt. Es handelt sich um eine unbeabsichtigte Regelungslücke. Bei wertender Betrachtung besteht kein Unterschied zwischen der Rückzahlung eines gesellschaftergesicherten Darlehens innerhalb der Fristen des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO und derjenigen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Gegen eine analoge Anwendung der Anfechtungsvorschriften wird im Wesentlichen eingewandt, der Verzicht auf die Anfechtungsvoraussetzungen des § 129 InsO - die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlung sowie die Gläubigerbenachteiligung, deren Vorliegen ebenfalls in Zweifel gezogen wird - stelle einen Systembruch dar, der nur als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden solle. Diese Bedenken teilt der Senat nicht. Es geht hier nicht um die Auslegung einer anfechtungsrechtlichen Vorschrift, sondern um deren entsprechende Anwendung.
Die Anfechtung von Rechtshandlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist dem Gesetz nicht völlig fremd. § 147 InsO etwa zeigt, dass § 129 Abs. 1 InsO mit dem Bezug auf Rechtshandlungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine für das Anfechtungsrecht schlechthin unentbehrliche Voraussetzung bezeichnet. Der hier vorliegende Fall der Verwertung einer von der Insolvenzschuldnerin gestellten Sicherheit steht § 147 InsO insofern nahe, als der Insolvenzverwalter - ausgehend von der Annahme, dass der Gläubiger frei entscheiden kann, welche Sicherheit er zuerst verwertet, - den Zugriff des Gläubigers auf die Sicherheit der Masse nicht abwenden kann. Ausgangspunkt ist also jeweils eine masseschmälernde Verfügung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die vom Insolvenzverwalter trotz dessen umfassender Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 InsO) nicht verhindert werden kann.
Dies rechtfertigt in beiden Fällen eine Abweichung von der anfechtungsrechtlichen Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO, die davon ausgeht, dass der Verwalter von der Eröffnung an Gläubigerbenachteiligungen verhindert. Die Frage der Gläubigerbenachteiligung stellt sich in allen Fällen der doppelten Besicherung der Darlehensforderung, mag die Forderung vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus Mitteln der Gesellschaft befriedigt worden sein. Der gesetzlich geregelte Fall (§ 135 Abs. 2, § 143 Abs. 3 InsO) lässt ausreichen, dass Mittel der Gesellschaft aufgewandt wurden und dass die vom Gesellschafter gestellte Sicherheit hierdurch freigeworden ist. Nichts anderes gilt in dem hier zu entscheidenden Fall der Befriedigung des Gläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
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