Zur Beihilfe zum unerlaubten Verbreiten von Vervielfältigungsstücken urheberrechtlich geschützter Werke durch einen Spediteur
EuGH 21.6.2012, C-5/11Herr Donner, ein deutscher Staatsangehöriger, wurde vom LG wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke verurteilt. Nach den Feststellungen des LG hatte Herr Donner zwischen 2005 und 2008 an der Verbreitung von Nachbildungen von Einrichtungsgegenständen im "Bauhaus"-Stil, die in Deutschland urheberrechtlich geschützt waren, mitgewirkt. Diese Vervielfältigungsstücke der Werke kamen aus Italien, wo sie zwischen 2002 und 2007 nicht urheberrechtlich geschützt waren oder im entscheidungserheblichen Zeitraum keinen vollen Schutz genossen.
Die Nachbildungen wurden in Deutschland ansässigen Kunden von dem italienischen Unternehmen Dimensione Direct Sales über Zeitschriftenanzeigen und -beilagen, durch direkte Werbeanschreiben und über eine deutschsprachige Internetseite zum Verkauf angeboten. Für den Transport der Nachbildungen nach Deutschland empfahl Dimensione eine italienische Spedition, deren Geschäftsführer Herr Donner war. Die Fahrer der Spedition holten die von den deutschen Kunden bestellte Ware bei Dimensione in Italien ab und zahlte dieser den Kaufpreis. Bei der Ablieferung der Ware an die Kunden in Deutschland zogen sie von diesen den Kaufpreis und die Frachtkosten ein.
Das Eigentum an den von Dimensione verkauften Gegenständen ging in Italien auf die deutschen Kunden über. Die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Gegenstände erlangten die Kunden jedoch erst mit der Übergabe in Deutschland mit Hilfe von Herrn Donner. Daher erfolgte die Verbreitung i.S.d. Urheberrechts nach Ansicht des LG nicht in Italien, sondern in Deutschland, wo sie mangels Zustimmung der Inhaber des Urheberrechts verboten war.
Herr Donner legte gegen das Urteil des LG Revision beim BGH ein. Dieser möchte vom EuGH wissen, ob die Anwendung der deutschen Strafvorschriften im vorliegenden Fall eine ungerechtfertigte Einschränkung der unionsrechtlich garantierten Warenverkehrsfreiheit darstellt.
Die Gründe:
Das Unionsrecht verbietet es einem Mitgliedstaat nicht, einen Spediteur wegen Beihilfe zum unerlaubten Verbreiten von Vervielfältigungsstücken urheberrechtlich geschützter Werke in Anwendung seiner nationalen Strafvorschriften strafrechtlich zu verfolgen. Voraussetzung ist, dass diese Vervielfältigungsstücke in dem betreffenden Mitgliedstaat (Deutschland) im Rahmen eines Verkaufsgeschäfts an die Öffentlichkeit verbreitet werden, das speziell auf die Öffentlichkeit in diesem Mitgliedstaat ausgerichtet ist und von einem anderen Mitgliedstaat (Italien) aus abgeschlossen wird, in dem ein urheberrechtlicher Schutz der Werke nicht besteht oder nicht durchsetzbar ist.
Die Anwendung der Strafvorschriften setzt also zunächst voraus, dass im Inland eine "Verbreitung an die Öffentlichkeit" i.S.d. Unionsrechts stattgefunden hat. Ein Händler, der seine Werbung auf in einem bestimmten Mitgliedstaat ansässige Mitglieder der Öffentlichkeit ausrichtet und ein spezifisches Lieferungssystem sowie spezifische Zahlungsmodalitäten schafft und die Zielgruppe so in die Lage versetzt, sich Vervielfältigungsstücke von Werken liefern zu lassen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat urheberrechtlich geschützt sind, nimmt in dem Mitgliedstaat, in dem die Lieferung erfolgt, eine solche Verbreitung vor. In diesem Zusammenhang haben die nationalen Gerichte die Aufgabe zu beurteilen, ob der betreffende Händler eine solche Verbreitung an die Öffentlichkeit vorgenommen hat.
Zu dem strafrechtlich sanktionierten Verbot der Verbreitung in Deutschland ist festzustellen, dass dieses Verbot grundsätzlich eine Behinderung des freien Warenverkehrs darstellt. Eine derartige Beschränkung kann jedoch zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sein. Die fragliche Beschränkung beruht nämlich darauf, dass die praktischen Bedingungen des Schutzes der betreffenden Urherberrechte von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sind. Diese Unterschiedlichkeit ist untrennbar mit dem Bestehen der ausschließlichen Rechte verknüpft.
Im vorliegenden Fall kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der Schutz des Verbreitungsrechts zu einer unverhältnismäßigen oder künstlichen Abschottung der Märkte führt. Die Anwendung strafrechtlicher Vorschriften kann nämlich als erforderlich angesehen werden, um den spezifischen Gegenstand des Urheberrechts zu schützen, das u.a. ein ausschließliches Verwertungsrecht gewährt. Die fragliche Beschränkung ist daher gerechtfertigt und steht in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck.
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