Zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nach § 89b HGB (hier: Kfz-Vertragshändler)
BGH 13.7.2011, VIII ZR 17/09Die Klägerin war seit vielen Jahren als Vertragshändlerin der Beklagten tätig. Nach einer ordentlichen Kündigung durch die Beklagte zum 31.10.2002 einigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 31.12.2002. Die Klägerin schloss mit der Beklagten zum 1.1.2003 einen Vertragswerkstattvertrag, der einvernehmlich zum 30.6.2004 aufgelöst wurde.
Im Februar 2003 vereinbarte die Klägerin mit der A, einer Vertragshändlerin der Beklagten, dass die Klägerin für die A den Verkauf von Volvo-Neufahrzeugen vermitteln und dafür von dieser eine Provision erhalten solle. Die Klägerin bewarb in der Folgezeit Volvo-Neufahrzeuge. Mit der Klage hat die Klägerin, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, einen Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB i.H.v. rd. 255.000 € geltend gemacht.
Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte unter Berücksichtigung einer i.H.v. rd. 3.300 € erfolgreichen Hilfsaufrechnung zur Zahlung von rd. 68.500 €. Das OLG wies die Berufung der Klägerin zurück und reduzierte auf die Berufung der Beklagten deren Zahlungsverpflichtung - unter Berücksichtigung der Hilfsaufrechnung - auf einen Betrag von rd. 65.000 €. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese einen weiteren Ausgleichsanspruch nur noch i.H.v. rd. 154.000 € geltend macht. Der BGH hob das Berufungsurteil auf, als darin die Klage i.H.v. 154.000 € abgewiesen wurde, und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die vom OLG vorgenommene Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Von Rechtsfehlern beeinflusst ist die Auffassung des OLG, das Geschäft Nr. 72 (Kunde F) sei nicht als Stammkundengeschäft zu qualifizieren, da die Klägerin nicht hinreichend vorgetragen habe, dass der den Erstkauf tätigende Sohn des Folgekäufers nicht nur die gleiche Rechnungsanschrift habe wie sein Vater, sondern auch mit diesem in häuslicher Gemeinschaft lebe. Das OLG hat insoweit zu hohe Anforderungen an das Vorliegen der Stammkundeneigenschaft gestellt. Der Senat hat entschieden, dass ein berücksichtigungsfähiger Mehrkundenverkauf auch dann vorliegt, wenn das zweite Fahrzeug auf den Ehegatten oder einen nahen Angehörigen des Käufers des Erstfahrzeugs zugelassen wurde.
Diese im Bereich der Zulassung angenommene Privilegierung des besonderen Näheverhältnisses lässt sich übertragen auf den Fall, dass nicht nur die Zulassung des zweiten Fahrzeugs auf den Ehegatten oder nahen Angehörigen erfolgt, sondern dieser bereits den Kaufvertrag über das Fahrzeug schließt. Denn der Kaufentschluss des Nacherwerbers kann angesichts seiner engen familiären Verbindung mit dem Vorkunden auf die dem Abschluss des Kaufvertrags mit diesem vorangegangene Tätigkeit des Vertragshändlers zurückzuführen sein. Anders als das OLG meint, ist hierfür eine häusliche Gemeinschaft zwischen dem Erst- und dem Zweitkäufer nicht erforderlich.
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann auch eine Qualifizierung des unter der Nr. 21 (Kunde S) aufgeführten Geschäfts als Stammkundengeschäft nicht verneint werden. Das OLG hat zu Unrecht angenommen, die Klägerin habe nicht hinreichend dargelegt, dass es um den Kauf eines Neufahrzeugs gegangen sei. Zwar sind für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nur Neuwagengeschäfte zu berücksichtigen. Ein solches ist jedoch nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil - wie im Streitfall - zwischen der Auslieferung des Fahrzeugs an den Vertragshändler und dessen Verkauf an den Kunden ein Zeitraum von über einem Jahr liegt und das Fahrzeug somit nicht mehr fabrikneu ist. Vielmehr kann von einem Neuwagengeschäft nur dann nicht mehr gesprochen werden, wenn das Fahrzeug bereits gebraucht war.
Die Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs aus Billigkeitsgründen (nach § 89b Abs. 1 Nr. 3 HGB aF (§ 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB nF)) lässt keine Rechtsfehler erkennen. Dies gilt insbes. auch für die Vornahme eines Billigkeitsabschlags von 5 Prozent wegen der Tätigkeit der Klägerin als Vertragswerkstatt der Beklagten. Denn im Rahmen der Billigkeitsprüfung kann ausgleichsmindernd berücksichtigt werden, dass der Vertragshändler die Möglichkeit behält, seinen Kundenstamm in irgendeiner Weise weiter zu nutzen. Eine derartige Weiternutzung kann angenommen werden, wenn der vormalige Vertragshändler einen Vertragswerkstattbetrieb fortführt, da es wahrscheinlich erscheint, dass zumindest ein Teil der geworbenen Neukunden auch nach der Aufgabe des Händlerbetriebs ihr Fahrzeug bei dem ihnen vertrauten früheren Händler reparieren und warten lässt.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.