Zur Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren
OLG Frankfurt a.M. v. 7.11.2024 - 16 W 50/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger wendet sich gegen zwei hebräische Veröffentlichungen des Beklagten im Internet. Er hat seinen Wohnsitz in Hessen und ist israelischer Staatsbürger. Der Beklagte berichtete unter Nennung seines Vor- und Zunamens sowie eines Fotos über ein gegen ihn laufendes Strafverfahren. In dem Bericht wurde u.a. darauf verwiesen, dass Deutschland die Auslieferung des Klägers fordere, um ihn wegen Betrugs innerhalb einer kriminellen Vereinigung zu verfolgen. Er sei auf seinem Weg von Israel nach Kiew verhaftet worden.
Das LG wies seinem im Eilverfahren auf Unterlassung gerichteten Antrag ab. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte überwiegend Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
Der Kläger kann Unterlassung der identifizierenden Berichterstattung verlangen. Diese Berichterstattung ist hier unzulässig.
Eine den Beschuldigten identifizierende Berichterstattung über die Verfolgung einer Straftat beeinträchtigt zwangsläufig sein Recht auf den Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufes. Das Interesse des Klägers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts überwiegt hier auch die schutzwürdigen Interessen auf Meinungs- und Pressefreiheit. Die Presse darf zwar nicht grundsätzlich auf anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden. Verfehlungen - auch konkreter Personen - aufzuzeigen, gehört zu den legitimen Aufgaben der Medien. Die Verletzung der Rechtsordnung begründet grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter.
Die hier zu beurteilende Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten unterfällt dem Bereich der Verdachtsäußerungen. Deren Zulässigkeit erfordert u.a. vor der Veröffentlichung eine Konfrontation des Betroffenen mit dem konkreten Gegenstand der geplanten Berichterstattung, zu denen er Stellung nehmen können muss. Diese Anhörung fehlt hier. Sie war auch nicht ausnahmsweise verzichtbar. Selbst wenn damit zu rechnen gewesen wäre, dass der Angeklagte die Vorwürfe lediglich pauschal zurückweist, wäre eine Anhörung nicht entbehrlich. Der Betroffene soll grundsätzlich durch die Anhörung Gelegenheit erhalten, seinen Standpunkt zur geplanten Berichterstattung zum Ausdruck zu bringen. Der Standpunkt soll zudem in der Berichterstattung sichtbar werden. Dabei ist auch ein bloßes Dementi geeignet, einer Vorverurteilung zu begegnen.
Der Kläger kann auch verlangen, dass von ihm keine Bilder im Zusammenhang mit der Berichterstattung veröffentlicht werden. Auch hier sind die kollidierenden Rechtspositionen gegeneinander abzuwägen. Zu Gunsten der Beklagten ist zwar zu berücksichtigen, dass das hier verwendete passbildähnliche Bild kontextneutral und nicht eigenständig verletzend ist. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Kläger keine in der Öffentlichkeit stehende Person ist. Zudem ist über den Verdacht der Begehung einer Straftat berichtet worden, ohne die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung zu wahren. Die Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht ist schließlich durch die Veröffentlichung von Bildnissen deutlich höher als bei bloßer Wortberichterstattung. Die visuelle Erkennbarkeit birgt das Risiko einer nochmals verstärkten "Prangerwirkung".
Die für ein Eilverfahren erforderliche Dringlichkeit hat der Kläger vorliegend nicht durch sein Verhalten selbst widerlegt.
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OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 2 vom 21.1.2025
Der Kläger wendet sich gegen zwei hebräische Veröffentlichungen des Beklagten im Internet. Er hat seinen Wohnsitz in Hessen und ist israelischer Staatsbürger. Der Beklagte berichtete unter Nennung seines Vor- und Zunamens sowie eines Fotos über ein gegen ihn laufendes Strafverfahren. In dem Bericht wurde u.a. darauf verwiesen, dass Deutschland die Auslieferung des Klägers fordere, um ihn wegen Betrugs innerhalb einer kriminellen Vereinigung zu verfolgen. Er sei auf seinem Weg von Israel nach Kiew verhaftet worden.
Das LG wies seinem im Eilverfahren auf Unterlassung gerichteten Antrag ab. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte überwiegend Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
Der Kläger kann Unterlassung der identifizierenden Berichterstattung verlangen. Diese Berichterstattung ist hier unzulässig.
Eine den Beschuldigten identifizierende Berichterstattung über die Verfolgung einer Straftat beeinträchtigt zwangsläufig sein Recht auf den Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufes. Das Interesse des Klägers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts überwiegt hier auch die schutzwürdigen Interessen auf Meinungs- und Pressefreiheit. Die Presse darf zwar nicht grundsätzlich auf anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden. Verfehlungen - auch konkreter Personen - aufzuzeigen, gehört zu den legitimen Aufgaben der Medien. Die Verletzung der Rechtsordnung begründet grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter.
Die hier zu beurteilende Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten unterfällt dem Bereich der Verdachtsäußerungen. Deren Zulässigkeit erfordert u.a. vor der Veröffentlichung eine Konfrontation des Betroffenen mit dem konkreten Gegenstand der geplanten Berichterstattung, zu denen er Stellung nehmen können muss. Diese Anhörung fehlt hier. Sie war auch nicht ausnahmsweise verzichtbar. Selbst wenn damit zu rechnen gewesen wäre, dass der Angeklagte die Vorwürfe lediglich pauschal zurückweist, wäre eine Anhörung nicht entbehrlich. Der Betroffene soll grundsätzlich durch die Anhörung Gelegenheit erhalten, seinen Standpunkt zur geplanten Berichterstattung zum Ausdruck zu bringen. Der Standpunkt soll zudem in der Berichterstattung sichtbar werden. Dabei ist auch ein bloßes Dementi geeignet, einer Vorverurteilung zu begegnen.
Der Kläger kann auch verlangen, dass von ihm keine Bilder im Zusammenhang mit der Berichterstattung veröffentlicht werden. Auch hier sind die kollidierenden Rechtspositionen gegeneinander abzuwägen. Zu Gunsten der Beklagten ist zwar zu berücksichtigen, dass das hier verwendete passbildähnliche Bild kontextneutral und nicht eigenständig verletzend ist. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Kläger keine in der Öffentlichkeit stehende Person ist. Zudem ist über den Verdacht der Begehung einer Straftat berichtet worden, ohne die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung zu wahren. Die Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht ist schließlich durch die Veröffentlichung von Bildnissen deutlich höher als bei bloßer Wortberichterstattung. Die visuelle Erkennbarkeit birgt das Risiko einer nochmals verstärkten "Prangerwirkung".
Die für ein Eilverfahren erforderliche Dringlichkeit hat der Kläger vorliegend nicht durch sein Verhalten selbst widerlegt.
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