Zur Bestimmung der Höhe einer Abfindungszahlung für den ausgeschiedenen Gesellschafter einer GbR durch das Gericht
BGH 7.6.2011, II ZR 186/08Der Kläger hat sich mit Beitrittserklärungen vom 1.2. und 16.2.2006 jeweils in einer sogenannten Haustürsituation mit Einlagen i.H.v. 35.520 € und 47.600 € an der Beklagten, einer GbR, beteiligt, deren Zweck der Erwerb, das Halten und die Veräußerung von Anteilen an Investmentvermögen, Investitionen in Immobiliengesellschaften und der Erwerb, das Halten und die Veräußerung von Beteiligungen an Gesellschaften ist. Be der ersten Beitrittserklärung war eine Einmalzahlung von 6.000 € zzgl. 5 Prozent Agio sowie über 30 Jahre mtl. Ratenzahlungen von 86,10 € (inkl. Agio)vorgesehen, bei der zweiten Beitrittserklärung eine Einmalzahlung von 8.000 € zzgl. Agio und über 30 Jahre mtl. Ratenzahlungen von 115,50 € (inkl. Agio).
Beide Beitrittserklärungen wurden am 1.3.2006 von der zur Aufnahme weiterer Gesellschafter berechtigten geschäftsführenden Gesellschafterin der Beklagten angenommen. Auf die erste Beitrittserklärung leistete der Kläger die Einmalzahlung nebst Agio sowie fünf mtl. Raten, auf die zweite leistete er bereits vor deren Annahme die Einmalzahlung nebst Agio sowie danach noch eine Ratenzahlung. Mit Schreiben vom 8.3.2006 erklärte der Kläger die "Kündigung meines Vertrages i.H.v. 8.000 €", mit Anwaltschreiben vom 18.9.2006 widerrief er sodann auch seine erste Beitrittserklärung im Hinblick auf die Haustürsituation.
Nachdem die Beklagte zunächst ein "negatives Abfindungsguthaben", d.h. eine Zahlungspflicht des Klägers i.H.v. 1.746 € errechnet hatte, stellte sie im November 2007 ein Abfindungsguthaben zu seinen Gunsten i.H.v. 73 € fest. Mit der Klage verlangt der Kläger seine Einlageleistungen zurück und begehrt Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten; hilfsweise stützt er seine Zahlungsklage auf die Zahlung eines Abfindungsguthabens in dieser Höhe.
Das LG gab der Klage i.H.v. 15.185 € statt; das OLG wies sie als derzeit unbegründet ab. Auf die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht der Revision steht dem Kläger gegen die Beklagte aufgrund des Widerrufs der Beitrittserklärungen kein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Einlagen nach § 357 Abs. 1 S. 1, § 346 Abs. 1 BGB zu. Die Folgen des Widerrufs richten sich, wie das OLG noch zutreffend erkannt hat, nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft. Danach hat der Kläger nur einen Anspruch auf Zahlung eines Abfindungsguthabens nach § 738 BGB.
Das OLG ist allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klage derzeit unbegründet sei, weil nach § 26 Nr. 4 S. 1 des Gesellschaftsvertrages (künftig: GV) wegen der zwischen den Parteien über die Höhe des Abfindungsguthabens bestehenden Meinungsverschiedenheiten vorab ein Schiedsgutachten einzuholen sei. Zwar enthält der Vertrag der Parteien eine Schiedsgutachtenabrede. Die Parteien haben in § 26 Nr. 4 GV vereinbart, dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Abfindungsguthabens dieses von einem Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter auf der Basis des Gesellschaftsvertrags ermittelt werden soll. Es entspricht auch allgemeiner Meinung, dass eine Klage insgesamt als verfrüht ("als zur Zeit unbegründet") abzuweisen ist, wenn der - wie hier - beweispflichtige Kläger die rechtserhebliche Tatsache, deren Feststellung dem Schiedsgutachter übertragen ist, nicht durch Vorlage des Schiedsgutachtens nachweist.
Das OLG hat jedoch verkannt, dass der Kläger hier trotz der Regelung in § 26 Nr. 4 GV zu Recht unmittelbar auf das ihm seiner Ansicht nach zustehende Abfindungsguthaben geklagt hat (§ 319 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 BGB entsprechend). Nach § 26 Nr. 4 GV oblag es der Beklagten, durch die geschäftsführende Gesellschafterin den Schiedsgutachter zu benennen und damit zu beauftragen, das Schiedsgutachten über die Höhe des Abfindungsguthabens zu erstellen. Unterlässt - wie hier - die hierzu befugte und verpflichtete Vertragspartei über einen Zeitraum von fast zwei Jahren und damit außerhalb objektiv angemessener Zeit die Benennung des Schiedsgutachters und die Einholung des Gutachtens, entspricht es allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur, § 319 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 BGB entsprechend anzuwenden.
Nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB hat die Bestimmung der Leistung durch Urteil des angerufenen Gerichts zu erfolgen, wenn der Dritte, dem die Bestimmung obliegt, diese verzögert. Die Vorschrift gilt entsprechend, wenn die Verzögerung der Leistungsbestimmung, die kein Verschulden voraussetzt, auf der Nichtbenennung des bestimmungsberechtigten Dritten durch eine hierzu verpflichtete Vertragspartei beruht. Der Senat konnte in der Sache nicht selbst entscheiden, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist. Das OLG wird in der wiedereröffneten Berufungsverhandlung die Höhe des Abfindungsguthabens durch Einholung des vom Kläger beantragten Sachverständigengutachtens zu bestimmen haben.
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