Zur Einbeziehung des Geschäftsführers in den Schutzbereich eines von der GmbH erteilten Umsatzsteuermandats
BGH 13.10.2011, IX ZR 193/10Der Kläger wurde nach der Umsatzsteuersonderprüfung einer GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer er bis zum 18.8.2003 war, gem. § 69 AO vom Finanzamt für die festgesetzten Steuernachforderungen nebst Zinsen und Säumniszuschlägen von zusammen rd. 108.000 € durch Bescheid vom 3.1.2005 in Haftung genommen. Dieser Betrag wurde durch den Einspruchsbescheid vom 27.2.2007 auf insgesamt rd. 102.000 € herabgesetzt.
Die beklagten Steuerberater und die von ihnen begründete GbR betreuten die GmbH seit dem Mai 2002 steuerlich in streitigem Umfang. Für das Entstehen der Steuernachforderung, die seiner persönlichen Haftung zugrunde liegt, macht der Kläger die Beklagten verantwortlich, weil sie bei der Betriebsprüfung Anforderungen der Finanzverwaltung nicht hinreichend nachgekommen seien und zuvor schon fehlerhafte Buchungen und Bilanzierungsarbeiten vorgenommen hätten.
Zudem seien die umsatzsteuerrechtlich streitigen Zahlungen der schweizer I. AG an die steuerpflichtige GmbH, denen eine Netto-Rechnung zugrunde liege, auf die von der Finanzverwaltung im Ergebnis nicht gebilligte Gestaltungsberatung der Beklagten zurückzuführen. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf den nach seiner Ansicht drittschützenden Beratungsvertrag der GmbH als eigenes Recht. Zugleich nimmt er die Beklagten aufgrund Abtretung der Schadensersatzansprüche durch die GmbH vom 17.8.2003 in Anspruch.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als i.H.v. mehr als 108.000 € zu dessen Nachteil erkannt worden ist, und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Unrichtige Steuererklärungen und unzureichende Mitwirkung für die steuerpflichtige GmbH begründen ein spezifisches steuerliches Haftungsrisiko, dem der Geschäftsführer nach den §§ 69, 191, 219 AO ausgesetzt ist und welches bei entsprechender Einschaltung der Berater der GmbH auf deren Tätigkeit zurückgehen kann.
Der strengere Pflichtenmaßstab des steuerlichen Haftungsrechts im Vergleich zur bürgerlich-rechtlichen Beraterhaftung schafft für den Geschäftsführer einer GmbH ein spezifisches Risiko, für die Folgen einer fehlerhaften Wahrnehmung des Steuermandats der Gesellschaft in Haftung genommen zu werden, obwohl dem Haftungsschuldner weder als Organwalter noch aufgrund des Steuerberatungsvertrags obliegt, die Tätigkeit der Berater mit ähnlicher Intensität zu überwachen. Dieses Pflichtengefälle kann nur dadurch ausgeglichen werden, dass für entsprechende steuerliche Haftungsschäden des Geschäftsführers einer GmbH die vertragliche Dritthaftung des letztverantwortlichen Steuerberaters der GmbH eröffnet wird.
Für die Voraussetzungen der vorbezeichneten Dritthaftung sind die Grundsätze übertragbar, die der BGH zur vertraglichen Haftung des Steuerberaters für einen steuerstrafrechtlichen Schaden des Auftraggebers aufgestellt hat. Der Steuerberater hat den Geschäftsführer einer von ihm betreuten GmbH vor den Nachteilen zu schützen, die sich für ihn persönlich aus unrichtiger oder unvollständiger Darstellung steuerlich bedeutsamer Vorgänge der GmbH gegenüber dem Finanzamt ergeben. Seine Beraterpflicht besteht auch darin, den Geschäftsführer der Mandantin davor zu bewahren, sich durch Verletzung seiner steuerrechtlichen Geschäftsführerpflichten der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme gem. §§ 69, 191, 219 AO auszusetzen.
Das Interesse des Gläubigers am Schutz des Dritten, welches die vertragliche Dritthaftung voraussetzt, lässt sich für das steuerliche Haftungsrisiko des Geschäftsführers einer GmbH bei der steuerlichen Betreuung der Gesellschaft ebenfalls nicht schlechthin verneinen. Mit der gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil danach nicht bestehen bleiben. Es erweist sich, soweit die drittschützende Wirkung des Steuerberatungsvertrags zwischen der beklagten Sozietät und der damaligen Anstellungs-GmbH des Klägers verneint worden ist, auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
Der Schadensersatzanspruch des Klägers als seinerzeitiger Geschäftsführer der steuerpflichtigen GmbH aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist nach den §§ 195, 199 Abs. 1 BGB auch nicht verjährt. Nach der vom BGH in ständiger Rechtsprechung zu § 68 StBerG vertretenen Risiko-Schaden-Formel, die auf die Anspruchsentstehung i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB übertragbar ist, tritt der Schaden des Geschäftsführers erst ein, wenn das Finanzamt seinen auf die Haftung bezogenen Entscheidungsprozess mit dem Erlass des Haftungsbescheids abgeschlossen hat.
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