Zur Einreichung einer unbedingt zu erhebenden Klage zusammen mit einem (vollständigen) PKH-Antrag
BGH 5.11.2014, III ZR 559/13Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen fehlerhafter Angaben im Zusammenhang mit einer Anlagevermittlung bzw. -beratung geltend. Er erwarb 1992 auf Empfehlung des für die zu der Zeit noch anderweitig firmierende Beklagte tätigen Vertriebsmitarbeiters F eine Eigentumswohnung für rd. 97.000 DM, die er entsprechend dem ihm erteilten Rat vollständig fremdfinanzierte. Nachdem die Mieteinnahmen nicht die prognostizierte Höhe erreichten, geriet der Kläger mit der Rückzahlung des Darlehens in Rückstand. 2004 kündigte die finanzierende Bank den Kredit. Die daraufhin eingeleitete Zwangsversteigerung der Wohnung erbrachte lediglich einen Erlös von 7.000 €. Den nach der Verwertung der Sicherheiten verbliebenen Schaden, den der Kläger mit rd. 67.000 € beziffert, verlangt er von der Beklagten ersetzt.
Der Kläger behauptet, der für die Beklagte tätige Vertriebsmitarbeiter habe mehrere unzutreffende Angaben über das Anlageobjekt gemacht. U.a. macht er geltend, der Mitarbeiter habe ihm gegenüber erklärt, die finanzierende Bank habe selbst den Substanzwert und die Ertragskraft der zum Verkauf stehenden Wohnungen durch einen Sachverständigen ermitteln lassen. Dieser habe bestätigt, dass die geforderten Kaufpreise dem tatsächlichen Wert der Wohnungen entsprächen. Die Aussage des Vertriebsmitarbeiters sei jedoch falsch gewesen. Das angeblich eingeholte Gutachten habe es nicht gegeben. Tatsächlich habe die Bank den Kaufpreis allein im Hinblick auf seine, des Klägers, Bonität finanziert. Hätte er gewusst, dass das Kreditinstitut eine den Kaufpreis bestätigende Bewertung der Immobilie nicht vorgenommen habe, hätte er die Wohnung nicht erworben.
LG und KG wiesen die Klage ab. Auf die Beschwerde des Klägers hob der BGH den Beschluss des KG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Das KG hat dadurch, dass es davon ausgegangen ist, dem Kläger sei der Inhalt des Gutachtens gänzlich unbekannt und auch egal gewesen, offenbart, dass es den Klägervortrag nicht vollständig zur Kenntnis genommen hat. Der Kläger hat dementgegen behauptet, ihm sei das Ergebnis des nach Angaben des Vertriebsmitarbeiters F von der finanzierenden Bank eingeholten Gutachtens mitgeteilt worden. Der Kläger hat ausgeführt, ihm sei erklärt worden, der von der Bank eingeschaltete Sachverständige habe den Substanzwert und die Ertragskraft der Wohnungen bewertet und bestätigt, dass die geforderten Kaufpreise ihrem tatsächlichen Wert entsprächen. Damit war dem Kläger seinem Vortrag zufolge das Gutachten, das nach den Angaben F's existieren sollte, zwar nicht im Einzelnen bekannt geworden. Jedoch hatte er Kenntnis von dessen Ergebnis und damit von dem für den Kaufentschluss entscheidenden Teil seines (angeblichen) Inhalts. Die Würdigung des KG ist damit unvereinbar.
Das übergangene bzw. nicht in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommene Vorbringen des Klägers ist entscheidungserheblich. Bei ordnungsgemäßer Berücksichtigung der Behauptungen ist es nicht auszuschließen, dass die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs des Klägers nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung erfüllt sind, die gem. Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB auf den Streitfall noch anwendbar sind. Die auf die übergangenen bzw. nicht in der gebotenen Weise berücksichtigten Behauptungen gestützte Schadensersatzforderung ist nach dem im vorliegenden Verfahrensstadium zugrunde zu legenden Vortrag des Klägers auch nicht verjährt. Er hat danach erst im Jahr vor der Klageerhebung davon erfahren, dass das Gutachten, dessen Vorliegen der Vertriebsmitarbeiters wahrheitswidrig angegeben hat, tatsächlich nicht existierte (§ 195, § 199 Abs. 1 BGB).
Die absolute Verjährung gem. § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB ist nicht eingetreten. Die Klage nebst PKH-Antrag ist am 30.12.2011 bei Gericht eingegangen und hat den Ablauf der Verjährungsfrist rechtzeitig gehemmt. Ob dies der Fall gewesen wäre, wenn die Klage unter der Bedingung der Bewilligung von PKH eingereicht worden wäre, ist im Hinblick darauf, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers erst mit Schriftsatz vom 18.1.2012 - und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist - mitgeteilt hat, das Prozesskostenhilfegesuch möge unverzüglich zugestellt werden, fraglich, kann jedoch auf sich beruhen. Aus der Klageschrift geht hinreichend deutlich hervor, dass die Klage unbedingt erhoben werden sollte. Es werden dort nach der Einleitung "Namens und in Vollmacht des Klägers erhebe ich Klage und werde beantragen:" die Klageanträge formuliert. Im Anschluss hieran folgt nach der Einleitung "Weiterhin beantrage ich," der PKH-Antrag.
Dem ist zu entnehmen, dass dieser kumulativ zu den Klageanträgen hinzutreten sollte und jene demgemäß nicht von der Bewilligung der PKH abhängig sein sollten. Die Zustellung der Klageeschrift an die Beklagte am 12.4.2012 war noch "demnächst" i.S.v. § 167 ZPO. Der Kläger hatte mit Einreichung der unbedingt erhobenen Klage und des Prozesskostenhilfeantrags am 30.12.2011 alles ihm Zumutbare getan, um eine alsbaldige Zustellung der Klageschrift zu ermöglichen. Der anschließende Zeitablauf lag in der Sphäre des Gerichts und ist ihm nicht zuzurechnen. Zwar obliegt es einem Kläger, sofern er - wie hier - den Gerichtskostenvorschuss nicht sogleich entrichtet, grundsätzlich, spätestens nach sechs Wochen nachzufragen, wenn die Gerichtskostenrechnung ausbleibt. Dies war in der vorliegenden Fallgestaltung jedoch entbehrlich, weil der Kläger darauf vertrauen durfte, dass vor einer etwaigen Gerichtskostenanforderung über sein PKH-Gesuch befunden werden würde.
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