16.10.2014

Zur Einzelzwangsvollstreckung wegen einer Insolvenzforderung in den Freistellungsanspruch des Schuldners gegen dessen Haftpflichtversicherer

Während des Insolvenzverfahrens ist die Einzelzwangsvollstreckung wegen einer Insolvenzforderung in den Freistellungsanspruch des Schuldners gegen dessen Haftpflichtversicherer unzulässig, sofern der Gläubiger seine persönliche Forderung und nicht das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Schuldners verfolgt.

BGH 25.9.2014, IX ZB 117/12
Der Sachverhalt:
Die Gläubigerin beantragte wegen einer durch vorläufig vollstreckbares Urteil titulierten Geldforderung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer Schuldnerin im Wege der Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO die Pfändung der Forderung der Schuldnerin gegen ihren Haftpflichtversicherer. Sie behauptet, der Insolvenzverwalter habe die zu pfändende Forderung aus der Insolvenzmasse freigegeben.

Das Vollstreckungsgericht - AG - wies den Antrag zurück. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hatte vor dem LG keinen Erfolg. Ihre Rechtsbeschwerde blieb vor dem BGH ebenfalls ohne Erfolg.

Die Gründe:
Der von der Gläubigerin betriebenen Zwangsvollstreckung steht das als Vollstreckungshindernis von Amts wegen zu beachtende Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO entgegen. Hiernach sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig.

Die Gläubigerin gehört zu den von dem Vollstreckungsverbot betroffenen Gläubigern. Mit ihrem Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses betreibt sie die Sicherungsvollstreckung eines vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen und vorläufig vollstreckbar titulierten persönlichen Anspruchs. Hinsichtlich dieses Anspruchs ist sie deshalb Insolvenzgläubigerin (§ 38 InsO). Sie wäre nur dann nicht von § 89 Abs.1 InsO betroffen, wenn mit dem Pfändungsantrag nicht die persönliche Forderung vollstreckt, sondern ein Absonderungsrecht verwertet werden sollte. So liegt der Fall jedoch nicht. Die Rechtsbeschwerde macht allerdings mit Recht geltend, dass die Gläubigerin als Haftungsgläubigerin wegen des ihr gegen die Schuldnerin zustehenden Haftungsanspruchs gem. § 110 VVG abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch der Schuldnerin gegen deren Haftpflichtversicherer verlangen kann, nachdem über das Vermögen der Schuldnerin als Versicherungsnehmerin das Insolvenzverfahren eröffnet ist.

Gem. § 110 VVG kann der geschädigte Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen, wenn über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Dies stellt sicher, dass die Versicherungsleistung dem geschädigten Dritten und nicht den Gläubigern des Versicherungsnehmers zugutekommt; letzteres widerspräche der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung zu Gunsten des Dritten. Materiell-rechtlich erlangt der Dritte wegen § 110 VVG in der Insolvenz des Schädigers ein gesetzliches Pfandrecht am Freistellungsanspruch. Mit dem Antrag auf Pfändung des Freistellungsanspruchs macht die Gläubigerin jedoch nicht ihr Absonderungsrecht geltend. Aufgrund der Regelung in § 110 VVG verfügt die Gläubigerin bereits über ein Pfandrecht, mindestens über ein pfandrechtsähnliches Recht an dem Freistellungsanspruch der Schuldnerin.

Nach dem danach anwendbaren § 50 Abs. 1 InsO sind Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein Pfandrecht haben, gem. §§ 166 bis 173 InsO für Hauptforderung, Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung an dem Pfandgegenstand berechtigt. Ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 166 Abs. 2 InsO besteht nicht. Der deshalb gem. § 173 Abs. 1 InsO selbst zur Verwertung berechtigte Gläubiger kann sein Absonderungsrecht entsprechend den auf sein Sicherungsrecht anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen außerhalb des Insolvenzverfahrens durchsetzen. Als Inhaberin eines Pfandrechts könnte die Gläubigerin entweder die Forderung der Schuldnerin gegen ihren Haftpflichtversicherer unmittelbar einziehen (§ 1282 Abs. 1, § 1228 Abs. 2 BGB), nach Feststellung des Haftungsanspruchs somit unmittelbar vom Versicherer Zahlung verlangen. Einer vorherigen Pfändung bedarf es in diesem Fall nicht.

Alternativ könnte die Gläubigerin nach § 1282 Abs. 2, § 1277 BGB Befriedigung aus dem mit dem Pfandrecht belasteten Recht suchen. Erforderlich wäre hierfür ein dinglicher Titel auf Duldung der Zwangsvollstreckung oder auf Gestattung der Befriedigung aus dem verpfändeten Recht. Aus einem solchen Titel geht die Gläubigerin nicht vor. Sie betreibt vielmehr die Sicherungsvollstreckung aus einem persönlichen Zahlungstitel. Mit ihrem Absonderungsrecht aus § 110 VVG hat dies nichts zu tun. Nichts anderes gilt, wenn der Insolvenzverwalter, wie von der Gläubigerin behauptet, den Freistellungsanspruch der Schuldnerin gegen ihren Haftpflichtversicherer freigegeben hat. Das nach § 110 VVG materiell-rechtlich entstandene Pfandrecht am Deckungsanspruch erlischt durch die Freigabe nicht. Seine Verwertung erfolgt auch in diesem Fall nach den angeführten gesetzlichen Bestimmungen. Der Antrag auf Pfändung dient dieser Verwertung nicht. Vollstreckt die Gläubigerin mithin als Insolvenzgläubigerin ihre persönliche Forderung, greift das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO.

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