Zur Entgeltlichkeit einer neu bestellten Sicherheit
BGH v. 19.9.2024 - IX ZR 217/22
Der Sachverhalt:
Das klagende Kreditinstitut begehrt vom Beklagten die Auskehr eines vom Beklagten eingezogenen Rückkaufswerts einer privaten Rentenversicherung. Ein am 7.6.2002 eröffnetes Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde am 30.12.2013 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt. Eine Restschuldbefreiung wurde nicht erteilt. Am 30.5.2008 verpfändete der Schuldner der Rechtsvorgängerin der Klägerin (fortan einheitlich: Klägerin) ein Termingeldkonto über 40.000 € zur Sicherung aller Forderungen der Klägerin gegen die K. H. GmbH (Gesellschaft) aus dem Darlehenskonto Nr. 60220142. Zudem übernahm der Schuldner am 7.12.2009 eine selbstschuldnerische Bürgschaft über 120.000 € zur Sicherung aller Forderungen der Klägerin gegen die Gesellschaft aus dem Konto Nr. 62992 und dem Darlehen Nr. 60220142.
Der Schuldner schloss am 12.12.2014 eine private Rentenversicherung ab und veranlasste die Überweisung des Versicherungsbeitrags i.H.v. 51.500 € an den Versicherer. Die Ansprüche und Rechte aus diesem Versicherungsvertrag trat der Schuldner am 29.12.2014 in voller Höhe an die Klägerin zur Sicherung von Ansprüchen gegen ihn und die Gesellschaft ab. Dabei diente die Abtretung der Ansprüche auf den Todesfall zur Sicherung aller Forderungen, die Abtretung der Ansprüche für den Erlebensfall zur Sicherung des Anspruchs "auf Rückzahlung des noch nicht getilgten Nettokreditbetrags" aus den Darlehen Nr. 6200051214 vom 7.12.2009 und Nr. 6760220142 vom 30.5.2008. Am 1.3.2016 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 17.8.2017 wurde auf einen Antrag vom 9.3.2017 erneut das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Beklagte zum Verwalter bestellt. Die Klägerin meldete eine Forderung über rd. 93.000 € aus der vom Schuldner übernommenen Bürgschaft zur Tabelle an. Mit Schreiben vom 2.10.2020 kündigte die Klägerin dem Versicherer gegenüber den Versicherungsvertrag und bat um Auszahlung des Rückkaufswerts der Rentenversicherung, der sich auf rd. 55.000 € belief. Der Versicherer zahlte die Summe an den Beklagten aus. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von rd. 47.000 € in Anspruch und behauptet, sie habe ein insolvenzfestes Absonderungsrecht an den Ansprüchen aus der Versicherung erlangt. Die von dem Beklagten geltend gemachten Anfechtungsansprüche seien verjährt. Der Beklagte meint, die Verpfändung des Kontos sei unwirksam gewesen. Ein eine Gläubigerbenachteiligung ausschließender Sicherheitentausch habe nicht vorgelegen. Er sei berechtigt, die Auszahlung wegen der anfechtbaren Abtretung zu verweigern, selbst wenn Anfechtungsansprüche verjährt seien.
Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Die bisherigen Feststellungen tragen nicht die Annahme des OLG, die Abtretung der Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag sei entgeltlich erfolgt.
Die Rechtshandlung erfolgte innerhalb des anfechtbaren Zeitraums. Der Schuldner trat am 29.12.2014 und damit innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 9.3.2017 seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag zur Sicherung von Ansprüchen der Klägerin an diese ab. Eine Unentgeltlichkeit der Abtretung der Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag lässt sich nicht verneinen. Das OLG stellt nicht fest, aufgrund welcher Forderungen die Klägerin Absonderungsrechte an den vom Beklagten eingezogenen Beträgen geltend macht. Revisionsrechtlich ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin die Sicherheit wegen ihrer Forderungen gegen die Gesellschaft verwerten möchte, es sich bei den abgetretenen Ansprüchen des Schuldners aus dem Versicherungsvertrag mithin um eine Sicherheit zugunsten einer fremden Verbindlichkeit handelt. Hierfür spricht auch die von der Klägerin vorgelegte Forderungsberechnung vom 19.1.2021, die sich auf die Forderungen der Klägerin gegen die Gesellschaft aus dem Konto Nr. 67602201420 bezieht.
Allein die Besicherung der zugunsten der Klägerin übernommenen Bürgschaftsverpflichtung des Schuldners führt nicht dazu, dass es sich um eine Sicherheit für eigene Verbindlichkeiten des Schuldners handelt. Die Grundsätze zur Unentgeltlichkeit der Besicherung fremder Schuld gelten auch, wenn der Schuldner eine Personalsicherheit für die fremde Schuld übernimmt und zusätzlich zur Absicherung der Ansprüche aus der Personalsicherheit eine weitere Sicherheit bestellt. Diese Besicherung der eigenen Verbindlichkeit aus der Personalsicherheit ist ebenfalls nach den Grundsätzen einer Fremdbesicherung zu behandeln. Soweit eine Besicherung einer fremden Verbindlichkeit durch die Abtretung der Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag in Betracht kommt, trifft das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen dazu, dass die Klägerin für die Abtretung der Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag vom 12.12.2014 eine ausgleichende Gegenleistung erbracht hat.
Rechtsfehlerhaft meint das OLG, dass sich eine ausgleichende Gegenleistung für die nachträgliche Bestellung einer neuen Sicherheit bereits daraus ergebe, dass der Schuldner der Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt eine andere Sicherheit bestellt habe und diese Sicherheit eine entgeltliche Leistung dargestellt habe. Darauf kommt es nicht an. Ob die Leistung des Schuldners entgeltlich ist, richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Rechtserwerbs des Anfechtungsgegners. Die Entgeltlichkeit einer neu bestellten Sicherheit ergibt sich nicht allein daraus, dass eine zuvor für die gleichen Verbindlichkeiten bestellte Sicherheit eine entgeltliche Leistung darstellte. Bei der Besicherung einer fremden Verbindlichkeit kommt es vielmehr darauf an, ob der Gläubiger eine ausgleichende Gegenleistung erbringt.
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Das klagende Kreditinstitut begehrt vom Beklagten die Auskehr eines vom Beklagten eingezogenen Rückkaufswerts einer privaten Rentenversicherung. Ein am 7.6.2002 eröffnetes Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde am 30.12.2013 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt. Eine Restschuldbefreiung wurde nicht erteilt. Am 30.5.2008 verpfändete der Schuldner der Rechtsvorgängerin der Klägerin (fortan einheitlich: Klägerin) ein Termingeldkonto über 40.000 € zur Sicherung aller Forderungen der Klägerin gegen die K. H. GmbH (Gesellschaft) aus dem Darlehenskonto Nr. 60220142. Zudem übernahm der Schuldner am 7.12.2009 eine selbstschuldnerische Bürgschaft über 120.000 € zur Sicherung aller Forderungen der Klägerin gegen die Gesellschaft aus dem Konto Nr. 62992 und dem Darlehen Nr. 60220142.
Der Schuldner schloss am 12.12.2014 eine private Rentenversicherung ab und veranlasste die Überweisung des Versicherungsbeitrags i.H.v. 51.500 € an den Versicherer. Die Ansprüche und Rechte aus diesem Versicherungsvertrag trat der Schuldner am 29.12.2014 in voller Höhe an die Klägerin zur Sicherung von Ansprüchen gegen ihn und die Gesellschaft ab. Dabei diente die Abtretung der Ansprüche auf den Todesfall zur Sicherung aller Forderungen, die Abtretung der Ansprüche für den Erlebensfall zur Sicherung des Anspruchs "auf Rückzahlung des noch nicht getilgten Nettokreditbetrags" aus den Darlehen Nr. 6200051214 vom 7.12.2009 und Nr. 6760220142 vom 30.5.2008. Am 1.3.2016 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 17.8.2017 wurde auf einen Antrag vom 9.3.2017 erneut das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Beklagte zum Verwalter bestellt. Die Klägerin meldete eine Forderung über rd. 93.000 € aus der vom Schuldner übernommenen Bürgschaft zur Tabelle an. Mit Schreiben vom 2.10.2020 kündigte die Klägerin dem Versicherer gegenüber den Versicherungsvertrag und bat um Auszahlung des Rückkaufswerts der Rentenversicherung, der sich auf rd. 55.000 € belief. Der Versicherer zahlte die Summe an den Beklagten aus. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von rd. 47.000 € in Anspruch und behauptet, sie habe ein insolvenzfestes Absonderungsrecht an den Ansprüchen aus der Versicherung erlangt. Die von dem Beklagten geltend gemachten Anfechtungsansprüche seien verjährt. Der Beklagte meint, die Verpfändung des Kontos sei unwirksam gewesen. Ein eine Gläubigerbenachteiligung ausschließender Sicherheitentausch habe nicht vorgelegen. Er sei berechtigt, die Auszahlung wegen der anfechtbaren Abtretung zu verweigern, selbst wenn Anfechtungsansprüche verjährt seien.
Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Die bisherigen Feststellungen tragen nicht die Annahme des OLG, die Abtretung der Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag sei entgeltlich erfolgt.
Die Rechtshandlung erfolgte innerhalb des anfechtbaren Zeitraums. Der Schuldner trat am 29.12.2014 und damit innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 9.3.2017 seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag zur Sicherung von Ansprüchen der Klägerin an diese ab. Eine Unentgeltlichkeit der Abtretung der Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag lässt sich nicht verneinen. Das OLG stellt nicht fest, aufgrund welcher Forderungen die Klägerin Absonderungsrechte an den vom Beklagten eingezogenen Beträgen geltend macht. Revisionsrechtlich ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin die Sicherheit wegen ihrer Forderungen gegen die Gesellschaft verwerten möchte, es sich bei den abgetretenen Ansprüchen des Schuldners aus dem Versicherungsvertrag mithin um eine Sicherheit zugunsten einer fremden Verbindlichkeit handelt. Hierfür spricht auch die von der Klägerin vorgelegte Forderungsberechnung vom 19.1.2021, die sich auf die Forderungen der Klägerin gegen die Gesellschaft aus dem Konto Nr. 67602201420 bezieht.
Allein die Besicherung der zugunsten der Klägerin übernommenen Bürgschaftsverpflichtung des Schuldners führt nicht dazu, dass es sich um eine Sicherheit für eigene Verbindlichkeiten des Schuldners handelt. Die Grundsätze zur Unentgeltlichkeit der Besicherung fremder Schuld gelten auch, wenn der Schuldner eine Personalsicherheit für die fremde Schuld übernimmt und zusätzlich zur Absicherung der Ansprüche aus der Personalsicherheit eine weitere Sicherheit bestellt. Diese Besicherung der eigenen Verbindlichkeit aus der Personalsicherheit ist ebenfalls nach den Grundsätzen einer Fremdbesicherung zu behandeln. Soweit eine Besicherung einer fremden Verbindlichkeit durch die Abtretung der Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag in Betracht kommt, trifft das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen dazu, dass die Klägerin für die Abtretung der Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag vom 12.12.2014 eine ausgleichende Gegenleistung erbracht hat.
Rechtsfehlerhaft meint das OLG, dass sich eine ausgleichende Gegenleistung für die nachträgliche Bestellung einer neuen Sicherheit bereits daraus ergebe, dass der Schuldner der Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt eine andere Sicherheit bestellt habe und diese Sicherheit eine entgeltliche Leistung dargestellt habe. Darauf kommt es nicht an. Ob die Leistung des Schuldners entgeltlich ist, richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Rechtserwerbs des Anfechtungsgegners. Die Entgeltlichkeit einer neu bestellten Sicherheit ergibt sich nicht allein daraus, dass eine zuvor für die gleichen Verbindlichkeiten bestellte Sicherheit eine entgeltliche Leistung darstellte. Bei der Besicherung einer fremden Verbindlichkeit kommt es vielmehr darauf an, ob der Gläubiger eine ausgleichende Gegenleistung erbringt.
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