Zur erforderlichen Ermessensausübung der Berufungsgerichte vor einer erneuten Zurückweisung an die Vorinstanz
BGH 5.7.2011, II ZR 188/09Die Kläger hatten gegen die beklagte AG und ihre beiden ehemaligen Vorstandsmitglieder Schadensersatzansprüche wegen unrichtiger Ad-hoc-Mitteilungen geltend gemacht. Das LG wies die Klage wegen Verjährung ab, da die Klage nicht "demnächst" i.S.d. § 167 ZPO zugestellt worden sei. Das OLG hob das Urteil auf und wies die Sache an das LG zurück. Es war der Auffassung, die Zustellung sei "demnächst" erfolgt. Außerdem könne für den Beginn der Verjährung nicht auf die Anklageerhebung gegen die Vorstandsmitglieder abgestellt werden. Die Verjährung habe vielmehr erst mit der Eröffnung des Hauptverfahrens begonnen und sei daher durch die Klageeinreichung gehemmt worden.
Das LG wies die Klage erneut wegen Verjährung ab und nahm dabei an, dass die Verjährungsfrist mit der Anklageerhebung begonnen. Daraufhin hob das OLG das landgerichtliche Urteil nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO wegen Missachtung seiner Rechtsauffassung (§ 563 Abs. 2 ZPO analog) nochmals auf und wies die Sache an das LG zurück. Auf die Revisionen der Parteien hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Das Berufungsgericht hat die Sache verfahrensfehlerhaft gem. § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO an das LG zurückverwiesen.
Das OLG war nicht berechtigt, von einer eigenen Entscheidung in der Sache abzusehen. Unabhängig davon hatte es die bei der Anwendung des § 538 Abs. 2 ZPO notwendige Ermessensausübung nicht dargelegt, was ebenfalls zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führte. Denn verweist das Berufungsgericht den Rechtsstreit wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers zurück, müssen seine Ausführungen erkennen lassen, dass es das ihm in § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO eingeräumte Ermessen, eine eigene Sachentscheidung zu treffen oder ausnahmsweise den Rechtsstreit an das Erstgericht zurückzuverweisen, pflichtgemäß ausgeübt hat.
Hier hatte das OLG allerdings weder in Erwägung gezogen, dass eine Zurückverweisung der Sache in aller Regel zu einer Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits führt, was den schützenswerten Interessen der Parteien entgegenstehen kann, noch hatte es nachprüfbar dargelegt, dass eine aus seiner Sicht durchzuführende Beweisaufnahme so aufwändig und umfangreich ist, dass eine Zurückverweisung an das LG ausnahmsweise gerechtfertigt erscheint. Gerade der Umstand, dass die Sache bereits einmal an das LG zurückverwiesen worden war, hätte im Rahmen der erforderlichen Abwägung berücksichtigt werden müssen.
Die Frage, ob die Klageansprüche verjährt sind, hängt davon ab, ob die Kläger schon zum Zeitpunkt der Anklageerhebung oder erst zum Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens Kenntnis von den die Ansprüche begründenden Umständen und den Personen der Schuldner erlangten hatten oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen. Die dafür erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen und die Würdigung wird das Berufungsgericht im weiteren Verfahren nachholen müssen. Es ist dabei nicht entsprechend § 563 Abs. 2 ZPO an seine Ansicht gebunden, die Verjährungsfrist habe erst mit der Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Vorstandsmitglieder begonnen. Denn dabei handelt es sich nicht um eine Rechtsansicht, sondern um die wertende Beurteilung tatsächlicher Feststellungen.
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