21.04.2017

Zur ergänzenden Vertragsauslegung bei fehlender Einbeziehung oder Unwirksamkeit einer Zinsänderungsklausel in einem Sparvertrag

Eine planwidrige Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gem. §§ 157, 133 BGB zu schließen. Die ergänzende Auslegung ist als Teil der rechtlichen Würdigung vom Richter selbst durchzuführen, der die für die Auslegung bedeutsamen Tatsachen durch Beweisaufnahme klären kann.

BGH 14.3.2017, XI ZR 508/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Dezember 1998 mit der beklagten Bank einen als "Vermögensplan" bezeichneten Sparvertrag abgeschlossen, der einen variablen Zinssatz i.H.v. anfänglich 3,5% p.a. vorsah. Der Kläger sollte bis 2023 monatlich 100 DM (= 51,13 €) auf das für den Sparvertrag eingerichtete Konto einzahlen. Die Beklagte verpflichtete sich im Gegenzug, neben variablen Guthabenzinsen eine jährliche Bonuszahlung auf die im jeweiligen Kalenderjahr gezahlten Sparraten zu gewähren, und zwar erstmals ab dem dritten Jahr i.H.v. 3% der Jahressparleistung stufenweise ansteigend auf bis zu 50% ab dem 15. Jahr.

Der Vertrag eröffnet dem Kläger nach Ablauf einer anfänglichen Sperrfrist von 24 Monaten die Möglichkeit zur Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten. Grundlage des Vertrags sollten weiter die Sonderbedingungen der Beklagten für den "Vermögensplan" sein. Der Kläger leistete die vereinbarten Sparraten. Die Beklagte senkte den variablen Guthabenzinssatz schrittweise auf zuletzt 0,25% p.a. ab. Zwischen den Parteien war streitig, ob die Sonderbedingungen der Beklagten für den "Vermögensplan" dem Kläger bei Vertragsschluss übergeben worden waren bzw. aushingen. Die Bedingungen enthielten folgende Zinsänderungsklausel:

"Spareinlagen werden zu den von der Bank durch Aushang in den Geschäftsräumen der kontoführenden Stelle bekannt gegebenen Zinssätzen verzinst. Änderungen werden mit der Bekanntgabe wirksam."

Der Kläger war der Ansicht, dass seine Sparbeträge für die Zeit ab Vertragsschluss bis einschließlich März 2013 auf Grundlage des anfänglich vereinbarten Zinssatzes von 3,5% p.a. zu verzinsen seien, da die Beklagte erst ab März 2013 wirksame Änderungsmitteilungen versendet habe. Das Erfordernis einer Bekanntmachung von Zinsänderungen bestehe sowohl auf Grundlage der Zinsänderungsklausel als auch bei Geltung eines Anpassungsrechts der Beklagten gem. § 315 BGB. Zudem ergebe sich das Erfordernis einer vorherigen Änderungsmitteilung aus einer ergänzenden Vertragsauslegung.

Das AG verurteilte die Beklagte zur Gutschrift eines weiteren Betrages von 2.051 €. Das LG reduzierte den Betrag auf 597 €. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf, soweit das AG-Urteil zum Nachteil des Klägers abgeändert worden war und wies die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Gründe:
In dem 1998 geschlossenen Sparvertrag, auf den gem. Art. 229 § 5 S. 2 BGB seit 2003 das BGB in der dann geltenden Fassung anzuwenden war, hatten die Parteien keine wirksame Regelung zu den Modalitäten der danach erforderlichen Anpassung des Zinssatzes getroffen. Sie hatten, wovon auch das LG zu Recht ausgegangen war, die in den Sonderbedingungen der Beklagten für den "Vermögensplan", bei denen es sich um AGB i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB handelte, enthaltene Zinsänderungsklausel nicht wirksam in den Vertrag einbezogen, da der Kläger entgegen § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht die Möglichkeit hatte, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Selbst wenn die in den Sonderbedingungen der Beklagten enthaltene Zinsänderungsklausel in den Vertrag einbezogen worden wäre, wäre sie wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, weil sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufwies.

Das Berufungsgericht war auch zu Recht davon ausgegangen, dass die jedenfalls bestehende Regelungslücke im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen war. Zutreffend hatte es zudem angenommen, dass die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelten Zinsanpassungen nicht deswegen unwirksam waren, weil sie dem Kläger nicht schon vor dem jeweiligen Geltungszeitraum mitgeteilt worden waren. Rechtsfehlerhaft hatte es aber unterlassen, die planwidrige Regelungslücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gem. §§ 157, 133 BGB zu schließen. Die ergänzende Auslegung ist als Teil der rechtlichen Würdigung vom Richter selbst durchzuführen, der die für die Auslegung bedeutsamen Tatsachen durch Beweisaufnahme klären kann.

Das LG hatte sich bei seiner Entscheidung darauf beschränkt, das Ergebnis des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens wiederzugeben, demzufolge der Sachverständige unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung und der Art des Vertrags, seiner Laufzeit und des Referenzzinssatzes einen Saldo i.H.v. 597 € berechnet habe. Dies stellte aber keine ergänzende Vertragsauslegung durch das Berufungsgericht dar. Das Berufungsgericht muss nun im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach Maßgabe der einschlägigen Senatsrechtsprechung die Parameter einer Zinsanpassung feststellen, die in sachlicher und zeitlicher Hinsicht dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprachen. In diesem Zusammenhang wird bei der Bestimmung des Referenzzinssatzes zu berücksichtigen sein, dass ein Referenzzinssatz für langfristige Spareinlagen heranzuziehen sein wird. Denn der Sparvertrag hat eine Laufzeit von 25 Jahren.

Linkhinweise:

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