Zur Erschöpfung des Markenrechts (Hyundai-Grauimport)
BGH v. 27.5.2021 - I ZR 55/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die in Korea ansässige, weltweit tätige Fahrzeugherstellerin "HYUNDAI". Zu den Tochtergesellschaften der Klägerin gehört die in Nošovice in Tschechien ansässige HMMC, die dort ein Werk unterhält. Die in Nošovice hergestellten Fahrzeuge werden an nationale Distributoren verkauft und sind jeweils mit dem "H-Logo" und "HYUNDAI" sowie einer Modellbezeichnung wie "TUCSON" oder "i30" gekennzeichnet.
Zu den Abnehmern der HMMC gehört die in Zypern ansässige A. M. L. , die ihrerseits die Muttergesellschaft der in Belgrad in Serbien ansässigen H. S. ist. Eine konzernrechtliche Verbundenheit mit der Klägerin besteht nicht. Die A. M. L. kaufte von HMMC ein Fahrzeug Hyundai i30 und ein Fahrzeug Hyundai Tucson. HMMC übergab das Fahrzeug Hyundai i30) im Dezember 2015 und das Fahrzeug Hyundai Tucson im August 2016 an einen von ihr beauftragten Frachtführer, welcher die Fahrzeuge bei der H. S. in Belgrad ablieferte. Der Beklagte ist als Fahrzeughändler tätig. Er erwarb das Fahrzeug Hyundai Tucson unmittelbar von der H. S. und das Fahrzeug Hyundai i30 über einen in der EU ansässigen Zwischenhändler und veräußerte beide in Deutschland weiter.
Die Klägerin hat den Beklagten wegen der Verletzung ihrer Markenrechte durch den Import der streitgegenständlichen Fahrzeuge abgemahnt. Der Beklagte verpflichtete sich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht strafbewehrt, es zu unterlassen, die Marken der Klägerin zu verwenden, insbesondere mit den Marken der Klägerin versehene Fahrzeuge anzubieten, soweit diese nicht mit Zustimmung der Klägerin im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Weitere Ansprüche der Klägerin lehnte er ab.
Das LG hat in dem Verkauf der beiden Fahrzeuge eine Verletzung der Unionswortmarke "HYUNDAI", der deutschen Wortmarke "TUCSON", der internationalen Markenregistrierung "HYUNDAI i30" und der Unionsbildmarke "HLogo" gesehen und die Voraussetzungen der Erschöpfung verneint. Das OLG hat die Entscheidung bestätigt. Auch die Revision des Beklagten vor dem BGH blieb erfolglos.
Gründe:
Das Berufungsgericht hat der Klägerin in der Sache zu Recht Ansprüche auf Auskunftserteilung gem. § 19 Abs. 1 und 3 MarkenG i.V.m. § 107 Abs. 1, § 125b Nr. 2 MarkenG, § 242 BGB und auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gem. § 14 Abs. 6 MarkenG zugesprochen. Daher ist auch der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten gemäß §§ 677, 683 BGB begründet.
Ansprüche auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Verletzung von Unionsmarken und IR-Marken beurteilen sich gem. Art. 101 Abs. 2 GMV und UMV aF i.V.m. Art. 145 GMV und UMV aF sowie Art. 8 Abs. 2 Rom-II-VO nach deutschem Recht, wenn - wie hier - der Ort der Verletzungshandlung in Deutschland liegt. Somit kommen im Streitfall § 14 Abs. 6 und § 19 Abs. 1 und 3 MarkenG und § 242 BGB nicht nur hinsichtlich der deutschen Klagewortmarke "TUCSON", sondern - i.V.m. § 125b Nr. 2 MarkenG - auch hinsichtlich der beiden Unionsklagemarken und der geltend gemachten, für die EU Schutz genießenden IR-Marke zur Anwendung.
Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV/Art. 9 Abs. 2 Buchst. a UMV aF (= Art. 9 Abs. 2 Buchst. a UMF nF) i.V.m. Art. 145 GMV und UMV aF (Art. 189 UMV nF) sind im Streitfall im Hinblick auf die Klagemarken erfüllt. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Beklagte die mit den Klagemarken gekennzeichneten streitgegenständlichen Fahrzeuge in Deutschland weiterveräußert hat. Damit ist vorliegend ein Fall der Doppelidentität im Hinblick auf die Klagemarken gegeben. Der Beklagte hat im geschäftlichen Verkehr mit den Klagemarken identische Zeichen ohne Zustimmung der Klägerin für identische Waren verwendet, für die die Marken Schutz genießen. Dies wird von der Revision auch nicht angegriffen.
Das Berufungsgericht hat zu Recht die Voraussetzungen der Erschöpfung der Markenrechte der Klägerin nach § 24 Abs. 1 MarkenG bzw. Art. 13 GMV und UMV aF (= Art. 15 UMV nF) verneint. Durch die Übergabe der Ware an einen von der Tochtergesellschaft des Markeninhabers beauftragten Frachtführer im Europäischen Wirtschaftsraum tritt eine Erschöpfung des Markenrechts nicht ein, wenn die Ware nach dem Inhalt des mit einem in der EU ansässigen Käufer geschlossenen Kaufvertrags an eine außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums ansässige Tochtergesellschaft des Käufers geliefert werden soll.
BGH online
Die Klägerin ist die in Korea ansässige, weltweit tätige Fahrzeugherstellerin "HYUNDAI". Zu den Tochtergesellschaften der Klägerin gehört die in Nošovice in Tschechien ansässige HMMC, die dort ein Werk unterhält. Die in Nošovice hergestellten Fahrzeuge werden an nationale Distributoren verkauft und sind jeweils mit dem "H-Logo" und "HYUNDAI" sowie einer Modellbezeichnung wie "TUCSON" oder "i30" gekennzeichnet.
Zu den Abnehmern der HMMC gehört die in Zypern ansässige A. M. L. , die ihrerseits die Muttergesellschaft der in Belgrad in Serbien ansässigen H. S. ist. Eine konzernrechtliche Verbundenheit mit der Klägerin besteht nicht. Die A. M. L. kaufte von HMMC ein Fahrzeug Hyundai i30 und ein Fahrzeug Hyundai Tucson. HMMC übergab das Fahrzeug Hyundai i30) im Dezember 2015 und das Fahrzeug Hyundai Tucson im August 2016 an einen von ihr beauftragten Frachtführer, welcher die Fahrzeuge bei der H. S. in Belgrad ablieferte. Der Beklagte ist als Fahrzeughändler tätig. Er erwarb das Fahrzeug Hyundai Tucson unmittelbar von der H. S. und das Fahrzeug Hyundai i30 über einen in der EU ansässigen Zwischenhändler und veräußerte beide in Deutschland weiter.
Die Klägerin hat den Beklagten wegen der Verletzung ihrer Markenrechte durch den Import der streitgegenständlichen Fahrzeuge abgemahnt. Der Beklagte verpflichtete sich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht strafbewehrt, es zu unterlassen, die Marken der Klägerin zu verwenden, insbesondere mit den Marken der Klägerin versehene Fahrzeuge anzubieten, soweit diese nicht mit Zustimmung der Klägerin im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Weitere Ansprüche der Klägerin lehnte er ab.
Das LG hat in dem Verkauf der beiden Fahrzeuge eine Verletzung der Unionswortmarke "HYUNDAI", der deutschen Wortmarke "TUCSON", der internationalen Markenregistrierung "HYUNDAI i30" und der Unionsbildmarke "HLogo" gesehen und die Voraussetzungen der Erschöpfung verneint. Das OLG hat die Entscheidung bestätigt. Auch die Revision des Beklagten vor dem BGH blieb erfolglos.
Gründe:
Das Berufungsgericht hat der Klägerin in der Sache zu Recht Ansprüche auf Auskunftserteilung gem. § 19 Abs. 1 und 3 MarkenG i.V.m. § 107 Abs. 1, § 125b Nr. 2 MarkenG, § 242 BGB und auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gem. § 14 Abs. 6 MarkenG zugesprochen. Daher ist auch der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten gemäß §§ 677, 683 BGB begründet.
Ansprüche auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Verletzung von Unionsmarken und IR-Marken beurteilen sich gem. Art. 101 Abs. 2 GMV und UMV aF i.V.m. Art. 145 GMV und UMV aF sowie Art. 8 Abs. 2 Rom-II-VO nach deutschem Recht, wenn - wie hier - der Ort der Verletzungshandlung in Deutschland liegt. Somit kommen im Streitfall § 14 Abs. 6 und § 19 Abs. 1 und 3 MarkenG und § 242 BGB nicht nur hinsichtlich der deutschen Klagewortmarke "TUCSON", sondern - i.V.m. § 125b Nr. 2 MarkenG - auch hinsichtlich der beiden Unionsklagemarken und der geltend gemachten, für die EU Schutz genießenden IR-Marke zur Anwendung.
Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV/Art. 9 Abs. 2 Buchst. a UMV aF (= Art. 9 Abs. 2 Buchst. a UMF nF) i.V.m. Art. 145 GMV und UMV aF (Art. 189 UMV nF) sind im Streitfall im Hinblick auf die Klagemarken erfüllt. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Beklagte die mit den Klagemarken gekennzeichneten streitgegenständlichen Fahrzeuge in Deutschland weiterveräußert hat. Damit ist vorliegend ein Fall der Doppelidentität im Hinblick auf die Klagemarken gegeben. Der Beklagte hat im geschäftlichen Verkehr mit den Klagemarken identische Zeichen ohne Zustimmung der Klägerin für identische Waren verwendet, für die die Marken Schutz genießen. Dies wird von der Revision auch nicht angegriffen.
Das Berufungsgericht hat zu Recht die Voraussetzungen der Erschöpfung der Markenrechte der Klägerin nach § 24 Abs. 1 MarkenG bzw. Art. 13 GMV und UMV aF (= Art. 15 UMV nF) verneint. Durch die Übergabe der Ware an einen von der Tochtergesellschaft des Markeninhabers beauftragten Frachtführer im Europäischen Wirtschaftsraum tritt eine Erschöpfung des Markenrechts nicht ein, wenn die Ware nach dem Inhalt des mit einem in der EU ansässigen Käufer geschlossenen Kaufvertrags an eine außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums ansässige Tochtergesellschaft des Käufers geliefert werden soll.