Zur Frage der Anfechtbarkeit der Zuwendung einer Lebensversicherungsleistung im Todesfall bei unwiderruflichem Bezugsrecht des Ehegatten
BGH 27.9.2012, IX ZR 15/12Der Kläger ist Verwalter in dem im Dezember 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über den Nachlass des im Februar 2009 verstorbenen Erblassers. Dieser hatte vier Lebensversicherungen abgeschlossen. Nach seinem Tod zahlten die Versicherer die Versicherungssummen i.H.v. insgesamt rd. 415.000 € an die Beklagte aus, mit welcher der Erblasser in dritter Ehe verheiratet war.
Der Kläger focht das Bezugsrecht der Beklagten aus den Lebensversicherungen nach § 134 InsO an. Die Beklagte erstattete dem Kläger die Versicherungssummen aus drei Lebensversicherungen i.H.v. insgesamt rd. 288.000 €, weigerte sich aber unter Berufung auf ein unwiderrufliches Bezugsrecht, die weiteren rd. 127.000 € zu zahlen. Bei diesem Betrag handelte es sich um die Versicherungssumme aus einer im Jahr 1991 umgewandelten Lebensversicherung. Der nach der Umwandlung gültige Versicherungsschein enthält unter der Überschrift "Leistungsempfänger" folgenden Text: "Im Todesfall der Ehegatte, mit dem der Versicherte im Zeitpunkt seines Todes verheiratet ist. Sie haben ein unwiderrufliches Bezugsrecht verfügt."
LG und OLG wies die auf Zahlung von 127.000 € nebst Zinsen (auch aus dem von der Beklagten erstatteten Betrag ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens) und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage ganz überwiegend ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Versicherungssumme nach der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage der § 143 Abs. 1, § 134 Abs. 1 InsO zu Recht verneint.
Die von der Beklagten aufgrund ihres Bezugsrechts erlangte Versicherungssumme unterliegt nicht der Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO. Die Beklagte hat zwar die Versicherungssumme durch eine unentgeltliche Leistung des Erblassers i.S.v. § 134 InsO erlangt. Die Anfechtung scheitert jedoch, weil die anfechtbare Rechtshandlung außerhalb des Zeitraums von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt, auf den § 134 Abs. 1 InsO die Anfechtbarkeit beschränkt. Mit Recht hat das OLG den Zeitpunkt der Eheschließung zwischen der Beklagten und dem Erblasser als maßgeblich für die Vornahme der Leistung erachtet. Die beim Abschluss des Versicherungsvertrags noch nicht bestehende Ehe wurde unstreitig mehr als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens geschlossen.
Wann eine unentgeltliche Leistung i.S.v. § 134 Abs. 1 InsO als vorgenommen gilt, bestimmt sich nach § 140 InsO. Maßgeblich ist nach dessen Absatz 1 der Zeitpunkt, in dem die rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung eintreten. Bezeichnet der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung einen Dritten unwiderruflich als Bezugsberechtigten, erwirbt der Dritte den Anspruch auf die Versicherungsleistung regelmäßig sofort. Im Falle einer widerruflichen Bezeichnung erlangt der Bezugsberechtigte hingegen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag erst mit dem Ableben der versicherten Person; bis dahin hat er auch keine gesicherte Rechtsstellung, sondern lediglich eine tatsächliche Aussicht auf den Erwerb der Rechte. Vorliegend war, wie die Auslegung ergibt, ein unwiderrufliches Be-zugsrecht vereinbart mit der Folge, dass die Beklagte im Zeitpunkt ihrer Eheschließung mit dem Erblasser die Rechte aus dem Versicherungsvertrag erwarb.
Dem steht nicht entgegen, dass dem Ehepartner nur die Versicherungsleistung im Todesfall unwiderruflich zugewendet wurde und die Erlebensfallleistung dem Versicherungsnehmer zustehen sollte. Auch im Fall eines solchen gespaltenen Bezugsrechts erwirbt der begünstigte Dritte die Rechte aus dem Versicherungsvertrag regelmäßig sofort, allerdings unter der auflösenden Bedingung, dass der Versicherte den Ablauf der Versicherung erlebt, während der Rechtserwerb des Versicherungsnehmers entsprechend aufschiebend bedingt ist. Die geteilte Begünstigung widerspricht nicht dem Wesen einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung des Dritten mit sofortigem Rechtsübergang. Auflösend bedingte Rechte sind, solange die Bedingung nicht eingetreten ist, im Insolvenzverfahren wie unbedingte Rechte zu beachten (§ 42 InsO).
Die Einschränkung, dass der Ehegatte bezugsberechtigt sein sollte, mit dem der Versicherte im Zeitpunkt seines Todes verheiratet ist, machte die Zuwendung des Bezugsrechts nicht unwirksam. Bezeichnet der Versicherungsnehmer eines Lebensversicherungsvertrags gegenüber dem Versicherer einen Dritten als Bezugsberechtigten, kommt zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer ein Vertrag zugunsten Dritter nach §§ 328, 331 BGB zustande, der ein unmittelbares Recht des Dritten gegenüber dem Versicherer begründet. Der Dritte muss dabei noch nicht konkret bezeichnet sein; es genügt, dass er bestimmbar ist. Diese Voraussetzung war mit der gewählten Bezeichnung des beim Tod des Versicherungsnehmers mit diesem verheirateten Ehegatten gegeben.
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