Zur Frage der Auslegung einer "Besichtigungsklausel" als Ausschluss der Gewährleistung beim Kaufvertrag
BGH 6.4.2016, VIII ZR 261/14Die Klägerin bearbeitet Metallwerkstücke, die Beklagte handelt mit Werkzeugmaschinen. Im Frühjahr 2009 hatte die Klägerin wegen des Erwerbs einer CNC-Zyklendrehmaschine Kontakt zur Beklagten aufgenommen. Diese unterbreitete daraufhin der Klägerin ein Angebot. Die Klägerin besichtigte die Maschine und legte dabei die Zeichnung eines zu bearbeitenden Werkstücks vor. Die anschließende telefonische Bestellung der Klägerin wurde von der Beklagten mit "Auftragsbestätigung" bestätigt. In dem Schreiben wurde vermerkt, dass die Maschine im Zustand wie bei der Besichtigung geliefert werde.
In der Folgezeit beanstandete die Klägerin, dass die Maschine Werkstücke entsprechend der von ihr bei der Besichtigung vorgelegten Zeichnung nicht zufriedenstellend bearbeiten könne und deshalb den vorgesehenen Zweck der Serienproduktion von Achsen nicht erfülle. Von der Beklagten vorgenommene Nachbesserungsarbeiten führten nicht zu dem von der Klägerin gewünschten Erfolg. Die Beklagte wies eine Verantwortung dafür zurück.
Die Klägerin trat von dem Vertrag zurück. Gestützt auf kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche und Verletzung von Beratungspflichten verlangte sie Ersatz ihres entgangenen Gewinns i.H.v. 59.154 € sowie die Rückabwicklung des Kaufvertrages (Zahlung von 62.177 € an die Leasinggesellschaft Zug um Zug gegen Rückgabe der Zyklendrehmaschine).
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als bezüglich der auf kaufrechtliche Gewährleistung gestützten Ansprüche zum Nachteil der Klägerin entschieden worden war und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes konnte dem im Eingang der "Auftragsbestätigung" enthaltenen Besichtigungshinweis kein Ausschluss jeglicher Gewährleistung der Beklagten entnommen werden.
Die Vorinstanz hatte bereits nicht erwogen, ob der einleitende Passus der "Auftragsbestätigung" angesichts der an späterer Stelle in eine gegenläufige Richtung weisenden Garantie der Beklagten nach dem insoweit maßgeblichen Empfängerhorizont der Klägerin überhaupt als ein Gewährleistungsausschluss verstanden werden konnte oder ob darin nicht etwa nur ein warenbeschreibender Hinweis auf den im Zuge der Besichtigung konkretisierten und damit ausgesonderten Liefergegenstand (vgl. § 243 Abs. 2 BGB) gelegen hatte. Schon der Wortlaut der Vereinbarung, der ausschließlich auf den Zustand "wie besichtigt" abstellte, sprach gegen einen umfassenden Gewährleistungsausschluss. Außerdem hatte das Berufungsgericht nicht bedacht, dass Freizeichnungsklauseln - als Ausnahme von der sich aus dem dispositiven Recht ergebenden Haftung - grundsätzlich eng auszulegen sind.
Gewährleistungsausschlüsse, die durch die Wendung "wie besichtigt" an eine vorangegangene Besichtigung anknüpfen, beziehen sich in aller Regel nur auf bei der Besichtigung wahrnehmbare, insbesondere sichtbare Mängel der Kaufsache. Wird dabei zugleich der Bezug zu einer Besichtigung des Käufers hergestellt, kommt es auf die Wahrnehmbarkeit des Mangels durch ihn und nicht darauf an, ob eine sachkundige Person den Mangel hätte entdecken oder zumindest auf dessen Vorliegen hätte schließen können.
Um derartige, bereits bei einer bloßen Besichtigung der Maschine im Lager der Beklagten wahrnehmbare Mängel stritten die Parteien indes nicht. Vielmehr machte die Klägerin grundlegende Mängel der Funktionsfähigkeit und der Konstruktion geltend, die erst später im laufenden Betrieb der Maschine bei der Bearbeitung verschiedener Werkstücke erkennbar geworden seien. Demgegenüber hatte die in der "Auftragsbestätigung" angesprochene Besichtigung nur in einer bloßen Sichtprüfung ohne Funktionstest bestanden.
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