21.02.2025

Zur Frage des immateriellen Schadens i.S.d. Art. 82 Abs. 1 DSGVO

Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt dem in Art. 82 Abs. 1 DSGVO niedergelegten Schadensersatzanspruch ausschließlich eine Ausgleichsfunktion zu. Er erfüllt keine Abschreckungs- oder gar Straffunktion.

BGH v. 28.1.2025 - VI ZR 183/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch um die Höhe des immateriellen Schadensersatzes wegen Verletzung der DSGVO.

Die Beklagte schloss mit der Klägerin, einem Telekommunikationsunternehmen, am 25.9.2018 einen Mobilfunkvertrag. Der Vertrag räumte der Beklagten die Möglichkeit ein, im Fall einer frühzeitigen Vertragsverlängerung um 24 Monate zu einem günstigeren Tarif zu wechseln. Die Beklagte nahm diese Möglichkeit am 27.12.2018 in Anspruch. In der Auftragsbestätigung der Klägerin vom 27.12.2018 heißt es: "Ihr bisheriger Tarif ... mit allen Inklusivleistungen entfällt zum 27.12.2008". Die Beklagte widerrief mit Schreiben vom 6.1.2019 den "Vertrag vom 27.12.2018". Die Klägerin stellte der Beklagten mehrfach Beträge in Rechnung, die die Beklagte nicht beglich. Sie berief sich darauf, den Vertrag widerrufen zu haben und nicht zur Leistung verpflichtet zu sein. Am 16.9.2019 veranlasste die Klägerin einen Eintrag bei der SCHUFA zulasten der Beklagten; am 27.9.2019 gab sie die Löschung des Eintrags in Auftrag. Der Eintrag wurde frühestens im Juli 2021 vollständig gelöscht.

Mit ihrer Klage beantragte die Klägerin, die Beklagte zur Zahlung von 542 € nebst Zinsen und Nebenkosten zu verurteilen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat im Wege der Widerklage beantragt, die Klägerin zu verurteilen, immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO in Höhe eines Teilbetrags von 6.000 € nebst Zinsen zu zahlen und die SCHUFA darüber zu informieren, dass die Voraussetzungen für die Meldung personenbezogener Daten und eines Zahlungsverzugs der Beklagten nicht vorgelegen hätten und sämtliche von der Klägerin mitgeteilten Daten der Beklagten zu löschen seien.

Das LG gab der Klage in vollem Umfang statt und wies die Widerklage ab. Das OLG wies die Klage ab und gab der Widerklage teilweise statt. Es verurteilte die Klägerin im Hinblick auf die Widerklage, an die Beklagte 500 € abzgl. eines von der Beklagten auf die Klageforderung anerkannten Betrags von 54,74 € als immateriellen Schadensersatz nebst Zinsen zu zahlen. Die Revision der Beklagten, mit der sie ihren im Wege der Widerklage geltend gemachten Zahlungsantrag im verbleibenden Umfang weiterverfolgte, hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Zwar sind die Erwägungen, mit denen das OLG den immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO mit 500 € bemessen hat, rechtsfehlerhaft. Entgegen der Ansicht der Revision hätte das OLG bei der Bemessung des Schadensersatzes einer abschreckenden Wirkung aber nicht noch größeres Gewicht einräumen müssen. Es hätte diese vielmehr überhaupt nicht, sondern ausschließlich eine Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes berücksichtigen dürfen. Dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten ausgewirkt hätte, ist aber nicht ersichtlich.

Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt dem in Art. 82 Abs. 1 DSGVO niedergelegten Schadensersatzanspruch ausschließlich eine Ausgleichsfunktion zu. Er erfüllt keine Abschreckungs- oder gar Straffunktion (EuGH v. 20.6.2024 - C-182/22 und C-189/22). In Anbetracht der Ausgleichsfunktion des in Art. 82 DSGVO vorgesehenen Schadensersatzanspruchs, wie sie in ErwG 146 Satz 6 DSGVO zum Ausdruck kommt, ist eine auf Art. 82 DSGVO gestützte Entschädigung in Geld als "vollständig und wirksam" anzusehen, wenn sie es ermöglicht, den aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung konkret erlittenen Schaden in vollem Umfang auszugleichen. Da der Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO weder eine Abschreckungs- noch eine Straffunktion erfüllt, darf weder die Schwere des Verstoßes gegen die DSGVO, durch den der betreffende Schaden entstanden ist, berücksichtigt werden, noch der Umstand, ob schuldhaft gehandelt wurde.

Als immateriellen Schaden hat das OLG zum einen die Weitergabe von personenbezogenen Daten der Beklagten an die SCHUFA, die im Rahmen etwaiger SCHUFA-Abfragen zu einem für eine unbekannte Zahl von Dritten einsehbaren Eintrag bei der SCHUFA zu Lasten der Beklagten führte, berücksichtigt. Zum anderen hat es beachtet, dass der Eintrag bei der SCHUFA die Kreditwürdigkeit der Beklagten beeinträchtigte und sich dies nach den nicht angegriffenen Feststellungen des OLG bereits zum Nachteil der Beklagten ausgewirkt hatte, da ihre Hausbank eine Kreditvergabe zeitweilig angehalten hatte. Ein etwaiger daraus resultierender materieller Schaden ist allerdings nicht Gegenstand der Klage.

Es ist nicht ersichtlich, dass der zuerkannte Betrag von 500 € nicht ausreichend wäre, um den immateriellen Schaden der Beklagten auszugleichen. Das OLG hat bei der Bemessung des Schadensersatzes neben dem Kreis derjenigen, die Zugriff auf die personenbezogenen Daten der Klägerin bei der SCHUFA hatten, auch die Dauer des Eintrags und dessen Folgen für die Beklagte in den Blick genommen. Soweit das OLG die Höhe des zuerkannten Schadensersatzes rechtsfehlerhaft auch mit einer Genugtuungs- und generalpräventiven Funktion des Schadensersatzes begründet hat, ist nicht ersichtlich, dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten ausgewirkt hätte.

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