Zur Geltung des AGB-Rechts hinsichtlich der Wirksamkeit von Regelungen zur Vertragserfüllungsbürgschaft in einem Generalunternehmervertrag
BGH 20.3.2014, VII ZR 248/13Die klagende Bauträgerin nimmt die beklagte Bank als Bürgin für die Vertragserfüllung ihres mittlerweile insolventen Generalunternehmers in Anspruch. Die Klägerin schloss mit dem Generalunternehmer im Mai 2005 einen "Werkvertrag" (Generalunternehmervertrag - GUV) über die Errichtung von 62 Townhäusern, 2 Torhäusern sowie einer zweigeschossigen Tiefgarage für eine Vergütung von 18,4 Mio. € zzgl. Umsatzsteuer. Das Bauvorhaben sollte in insgesamt acht Bauabschnitten realisiert werden, die die Klägerin in beliebiger Reihenfolge abrufen konnte. Der GUV enthält unter § 12 folgende Regelungen:
Sicherheiten
- (1) Innerhalb von 14 Tagen nach Abruf der einzelnen Teilbauabschnitte hat der AN (Generalunternehmer) dem AG (Klägerin) zur Sicherung sämtlicher Ansprüche aus diesem Vertrag bauabschnittsweise Vertragserfüllungsbürgschaften über 10 Prozent der vereinbarten Pauschalauftragssumme Zug um Zug gegen Stellung einer Zahlungsbürgschaft durch den AG in gleicher Höhe auszuhändigen. Die Vertragserfüllungsbürgschaft hat dem als Anlage beigefügten Muster zu entsprechen.
- (2) Die Rückgabe der Vertragserfüllungs- und Zahlungsbürgschaften erfolgen bauabschnittsweise Zug um Zug.
- (3) Der AG behält 5 Prozent der anerkannten Brutto-Schluss-rechnungssumme als Sicherheit für die Dauer des Gewährleistungszeitraumes ein.
Am selben Tag erstellten die Klägerin und ihr Generalunternehmer ein "Verhandlungsprotokoll zum GUV", in dem unter Ziffer 10. geregelt ist:
- Der AN bestätigt ausdrücklich, dass im Rahmen der vergangenen Verhandlungen zum GUV über jede Vertragsklausel ausgiebig und ernsthaft mit dem AG diskutiert und verhandelt wurde. Der AN ist sich daher mit dem AG darüber einig, dass es sich bei dem geschlossenen GUV um einen Individualvertrag handelt.
Nachdem die Klägerin den Bauabschnitt 5 mit einem anteiligen Auftragsvolumen von brutto rd. 2,76 Mio. € abgerufen hatte, stellte der Generalunternehmer der Klägerin die Bürgschaftsurkunde der Beklagten von Oktober 2006 zur Verfügung. Der Generalunternehmer hat das Bauvorhaben nicht fertiggestellt. In 2007 kündigten beide Vertragsparteien den Werkvertrag. Der Generalunternehmer hat nach dem Abbruch der Arbeiten keine Restleistungen erbracht, keine Mängel beseitigt und ist mittlerweile insolvent. Die Klägerin nimmt die Beklagte mit der Behauptung, die Bauleistungen des Generalunternehmers seien insgesamt mangelhaft, auf Zahlung der Bürgschaftssumme in Anspruch.
Das LG wies die Klage ab und führte zur Begründung aus, die Beklagte könne der Inanspruchnahme durch die Klägerin die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung entgegenhalten, weil die zwischen der Klägerin und dem Generalunternehmer getroffene Sicherungsvereinbarung in § 12 des GUV wegen unangemessener Benachteiligung des Generalunternehmers nach § 307 BGB unwirksam sei. Auf die Berufung der Klägerin hob das KG das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das LG zurück. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Urteil des KG auf und wies die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG zurück.
Die Gründe:
Die Auffassung des KG, die Regelungen zur Vertragserfüllungsbürgschaft im GUV enthielten keine unangemessene Benachteiligung des Generalunternehmers (§ 307 Abs. 1 BGB), ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
Die Regelungen zur Vertragserfüllungsbürgschaft benachteiligen den Generalunternehmer unangemessen, weil dieser der Klägerin auch für einen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen Mängelansprüchen eine Sicherheit von 10 Prozent der Auftragssumme zu stellen hat. Nach § 12 Abs. 1 S. 1 GUV sichert die Vertragserfüllungsbürgschaft "sämtliche Ansprüche" aus dem GUV. Damit erfasst die Sicherungsvereinbarung auch die nach der Abnahme der Werkleistung des Generalunternehmers entstehenden Mängelansprüche gem. § 11 Abs. 4 GUV. Eine Sicherheit von 10 Prozent für die Gewährleistung übersteigt unter Berücksichtigung der beiderseitigen Vertragsinteressen das angemessene Maß. Der Praxis in der privaten Bauwirtschaft entspricht es, eine Gewährleistungsbürgschaft von höchstens 5 Prozent der Auftragssumme zu vereinbaren.
Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Der Senat entscheidet in der Sache selbst. Die Vereinbarungen zur Vertragserfüllungsbürgschaft sind als von der Klägerin gestellte und für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte AGB zu bewerten. Die Vereinbarungen zur Vertragserfüllungsbürgschaft in § 12 Abs. 1, Abs. 2 Generalunternehmervertrag wurden insbes. nicht im Einzelnen ausgehandelt und stellen daher keine Individualabreden i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB dar. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen AGB enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit der Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären.
Dies war vorliegend nicht der Fall. Der allgemeine Hinweis, alle Vertragsbedingungen hätten zur Disposition gestanden, enthält nicht die notwendige Konkretisierung hinsichtlich der Kerngehalte der einzelnen Klauseln, insbes. zur Sicherheitsleistung. Deshalb ist auch Ziffer 10 S. 1 des Verhandlungsprotokolls, in dem der Generalunternehmer bestätigte, über die Vertragsklauseln sei "ausgiebig und ernsthaft verhandelt worden", zur Darlegung eines Aushandelns bedeutungslos. Könnte der Verwender allein durch eine solche Klausel die Darlegung eines Aushandelns stützen, bestünde die Gefahr der Manipulation und der Umgehung des Schutzes der §§ 305 ff. BGB.
Die Klägerin und der Generalunternehmer haben sich zwar in § 10 S. 2 des Verhandlungsprotokolls individualrechtlich darauf geeinigt, "dass es sich bei dem Generalunternehmervertrag um einen Individualvertrag handelt". Dieser Erklärung kommt aber keine rechtserhebliche Bedeutung zu, da die §§ 305 ff. BGB selbst im unternehmerischen Rechtsverkehr nicht der Disposition der Vertragsparteien unterliegen, sondern zwingendes Recht sind.
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