13.05.2020

Zur Haftung des Abschlussprüfers gegenüber den Anlegern

Eine Haftung des Abschlussprüfers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 332 Abs. 1 HGB setzt voraus, dass Gegenstand der Prüfung eine nach Maßgabe des Handelsrechts vorgeschriebene Pflichtprüfung ist. Eine solche Pflichtprüfung liegt nicht vor, wenn die Prüfung der Jahresabschlüsse und der Lageberichte lediglich auf der Grundlage wertpapierrechtlicher Vorschriften über den notwendigen Inhalt eines Prospekts für die Emission einer Orderschuldverschreibung erforderlich ist.

BGH v. 12.3.2020 - VII ZR 236/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte am 8.10.2012 eine Orderschuldverschreibung i.H.v. 25.000 € und am 14.1.2013 eine weitere Orderschuldverschreibung der F. i.H.v. 50.000 € gezeichnet. Beide Zeichnungen beruhten auf mit der Vermittlerin K. geführten Beratungsgesprächen, wobei die Anlageentscheidungen nach den Angaben in den Zeichnungsanträgen aufgrund der Emissionsprospekte, insbesondere des Basisprospekts für Orderschuldverschreibungen 2011/2012 und der Geschäftsberichte der F. sowie infolge der mündlichen Erläuterungen der Vermittlerin getroffen worden sein sollen.

Der Basisprospekt enthielt für die Geschäftsjahre 2009 und 2010 Bestätigungsvermerke des beklagten Wirtschaftsprüfers, in denen jeweils bekundet wurde, dass die Prüfungen zu den Jahresabschlüssen zu keinen Einwendungen geführt hätten und die Lageberichte der Gesellschaft im Einklang mit den Jahresabschlüssen stünden, insgesamt ein zutreffendes Bild von der Lage der Gesellschaft vermittelten sowie die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend darstellten. Im April 2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der F. eröffnet.

Der Kläger nahm daraufhin den Beklagten als Wirtschaftsprüfer wegen Erstellung von in Anlageprospekten veröffentlichten Bestätigungsvermerken über die Prüfung der Jahresabschlüsse nebst Lageberichten der F. auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 76.328 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus den Orderschuldverschreibungen in Anspruch. Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Rechtsstreit hinsichtlich des jetzigen Beklagten abgetrennt und ihn auf die Berufung des Klägers zur Zahlung von 69.975 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus den Orderschuldverschreibungen verurteilt sowie festgestellt, dass die Ansprüche des Klägers aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultierten. Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von 69.975 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus den Orderschuldverschreibungen gegen den Beklagten zwar nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 332 Abs. 1 HGB zu. Denn der Beklagte hatte keine Pflichtprüfung, wie sie von § 332 Abs. 1 HGB erfordert wird, durchgeführt.

Eine Haftung des Abschlussprüfers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 332 Abs. 1 HGB setzt voraus, dass Gegenstand der Prüfung eine nach Maßgabe des Handelsrechts vorgeschriebene Pflichtprüfung ist. Eine solche Pflichtprüfung liegt allerdings nicht vor, wenn die Prüfung der Jahresabschlüsse und der Lageberichte lediglich auf der Grundlage wertpapierrechtlicher Vorschriften über den notwendigen Inhalt eines Prospekts für die Emission einer Orderschuldverschreibung erforderlich ist. Es kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen aus § 7 WpPG in der bis zum 25.6.2011 geltenden Fassung, in dem für die in einen Prospekt aufzunehmenden Mindestangaben auf die Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 (Prospektverordnung, ABl. EU Nr. L 149, S. 1) verwiesen wird, eine generelle oder zumindest im Streitfall bestehende Verpflichtung zur Aufnahme von Lageberichten in den Prospekt folgt. Eine analoge Anwendung der Strafnorm des § 332 Abs. 1 HGB zu Lasten des Abschlussprüfers ist ausgeschlossen (Art. 103 Abs. 2 GG).

Ein Anspruch folgt jedoch aus § 826 BGB. Der Anspruch eines Anlegers aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen einen Wirtschaftsprüfer kommt in Betracht, wenn der in einem Wertpapierprospekt enthaltene Bestätigungsvermerk nicht nur unrichtig ist, sondern der Wirtschaftsprüfer seine Aufgabe nachlässig erledigt, zum Beispiel durch unzureichende Ermittlungen oder durch Angaben ins Blaue hinein und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die angesichts der Bedeutung des Bestätigungsvermerks für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint.

Die Feststellungen des Berufungsgerichts zur bewussten unrichtigen Testierung über die Lageberichte der Geschäftsjahre 2009 und 2010 recht-fertigen die Annahme, dass der Beklagte i.S.d. § 826 BGB sittenwidrig gehandelt hat. Der Beklagte war seiner gesetzlichen Verpflichtung als unabhängiger Experte nicht nachgekommen und hat die potentiellen Anleger in trügerischer Sicherheit gewogen, indem er die Risikodarstellung in den Lageberichten der Geschäftsjahre 2009 und 2010 beanstandungsfrei testiert hatte. Dadurch war es der F. möglich, ihre nahezu einzige Refinanzierungsquelle - die Orderschuldverschreibungen - aufrecht zu erhalten. Bei der gebotenen Gesamtschau ist dieses Verhalten des Beklagten als gewissenlos und verwerflich zu bewerten, wobei das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, den Beklagten gerade auch in Bezug auf die arglos zeichnenden Anleger trifft.

 
BGH online
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