29.06.2012

Zur Hauptsacheerledigung im Verfahren auf Ermächtigung einer Aktionärsminderheit zur Einberufung einer Hauptversammlung

Im Verfahren auf Ermächtigung einer Aktionärsminderheit zur Einberufung einer Hauptversammlung und Ergänzung der Tagesordnung gem. § 122 Abs. 1 bis 3 AktG tritt Hauptsacheerledigung ein, wenn die Hauptversammlung entsprechend dem Verlangen gesetzes- und satzungsgemäß einberufen und durchgeführt worden ist. Ein Rechtsmittel wird mit der Erledigung der Hauptsache grundsätzlich insgesamt unzulässig, wenn kein Fall des § 62 Abs. 1 FamFG vorliegt oder der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in zulässiger Weise auf den Kostenpunkt beschränkt.

BGH 8.5.2012, II ZB 17/11
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin, eine Aktionärin der Rechtsbeschwerdeführerin, beantragte beim AG, sie zur Einberufung einer Hauptversammlung mit den Tagesordnungspunkten "Geltendmachung von Ersatzansprüchen gem. § 147 Abs. 1 S. 2 AktG gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden" und "Bestellung eines besonderen Vertreters gem. § 147 Abs. 2 S. 1 AktG" zu ermächtigen. Das AG gab dem Antrag am 28.2.2011 statt. Auf der Hauptversammlung der Rechtsbeschwerdeführerin vom 31.3.2011 kam es nicht zur Feststellung der beantragten Beschlüsse. Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende als Versammlungsleiter bewertete die Stimmen der Antragstellerin als treuwidrig abgegeben und nichtig.

Daraufhin stellte die Antragstellerin den Antrag auf Einberufung einer Hauptversammlung mit den genannten Tagesordnungspunkten am 20.5.2011 erneut. Das AG wies den Antrag ab, weil es bereits mit Beschluss vom 28.2.2011 einem solchen Antrag der Antragstellerin stattgegeben habe. Der dagegen erhobenen Beschwerde der Antragstellerin half das AG insoweit ab, als es eine Ergänzung der Tagesordnung für die inzwischen auf den 30.8.2011 einberufene Hauptversammlung der Rechtsbeschwerdeführerin um die genannten Tagesordnungspunkte anordnete. Gegen den Teilabhilfebeschluss legte die Rechtsbeschwerdeführerin ihrerseits Beschwerde ein.

Das KG verwarf mit Beschluss vom 25.8.2011 die Beschwerde der Antragstellerin, soweit ihr nicht abgeholfen worden war, als unzulässig, weil der Vorstand der Rechtsbeschwerdeführerin bereits für den 30.8.2011 eine Hauptversammlung einberufen habe, wies die Beschwerde der Rechtsbeschwerdeführerin zurück und ließ die Rechtsbeschwerde zu. Danach sagte die Rechtsbeschwerdeführerin die auf den 30.8.2011 anberaumte Hauptversammlung ab. Gegen den Beschluss des KG legte die Rechtsbeschwerdeführerin am 31.8.2011 Rechtsbeschwerde ein, mit der sie beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ihrer Beschwerde stattzugeben, hilfsweise das Verfahren zur neuen Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

Auf erneuten Antrag der AG ermächtigte sie das AG am 12.9.2011 zur Einberufung einer Hauptversammlung mit den genannten Tagesordnungspunkten. In der Hauptversammlung der Rechtsbeschwerdeführerin vom 17.10.2011 wurden entsprechende Beschlüsse gefasst. Der BGH verwarf die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des KG vom 25.8.2011 als unzulässig.

Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde war als unzulässig zu verwerfen (§ 74 Abs. 1 FamFG), weil die Hauptsache mit der Fassung der beantragten Beschlüsse in der Hauptversammlung der Rechtsbeschwerdeführerin am 17.10.2011 erledigt ist.

Ein bereits eingelegtes Rechtsmittel wird im unternehmensrechtlichen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit der Erledigung der Hauptsache grundsätzlich insgesamt unzulässig, wenn kein Fall des § 62 Abs. 1 FamFG vorliegt oder der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in zulässiger Weise auf den Kostenpunkt beschränkt. Mit der Erledigung entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für das Rechtsmittel. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit tritt eine Erledigung der Hauptsache ein, wenn der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, das eine Veränderung der Sach- und Rechtslage bewirkt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, da eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann.

Mit der Beschlussfassung in der Hauptversammlung am 17.10.2011 über die Tagesordnungspunkte "Geltendmachung von Ersatzansprüchen gem. § 147 Abs. 1 S. 2 AktG gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden" und "Bestellung eines besonderen Vertreters gem. § 147 Abs. 2 S. 1 AktG" hat sich das Begehren der Minderheit gem. § 122 Abs. 3 AktG und somit die Hauptsache des mit dem Antrag vom 20.5.2011 eingeleiteten Verfahrens erledigt. Der Verfahrensgegenstand ist weggefallen, so dass die Weiterführung des Verfahrens sinnlos geworden ist und eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann.

Im Verfahren auf Ermächtigung einer Aktionärsminderheit zur Einberufung einer Hauptversammlung und Ergänzung der Tagesordnung gem. § 122 Abs. 1 bis 3 AktG tritt eine Hauptsacheerledigung ein, wenn die Hauptversammlung entsprechend dem Verlangen gesetzes- und satzungsgemäß einberufen und durchgeführt worden ist. Wenn die Hauptversammlung über die mit der beantragten Ermächtigung gewünschten Beschlussgegenstände abgestimmt hat und ein Abstimmungsergebnis festgestellt ist, ist der Verfahrensgegenstand für das Ermächtigungsverfahren nach § 122 Abs. 3 AktG entfallen.

Die Rechtmäßigkeit der Ermächtigung ist nach der Beschlussfassung auf einer satzungs- und gesetzesmäßig einberufenen Hauptversammlung ohne Bedeutung. Wegen der Gestaltungswirkung der gerichtlichen Ermächtigung kann die Anfechtung des gefassten Beschlusses nicht darauf gestützt werden, dass die Ermächtigung nicht hätte erteilt werden dürfen; insofern stünde auch eine Aufhebung der hier angefochtenen Entscheidung des KG und eine Wiederherstellung des Beschlusses des AG vom 27.6.2011 der Wirksamkeit der am 17.10.2011 gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse nicht entgegen.

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