Zur Hemmung der Verjährung bei der Geltendmachung von Schadenersatz im Mahnverfahren
BGH 5.8.2014, XI ZR 172/13Der Kläger nimmt die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau im Revisionsverfahren noch auf Leistung von Schadenersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten in Anspruch. Der Kläger und seine Ehefrau ließen sich am 24.4.2007 von einer Mitarbeiterin der Beklagten über auf die Entwicklung des DowJones EURO-STOXX 50 bezogene Bonuszertifikate zur Wertpapierkennnummer (künftig: Zertifikate) beraten. Am 26.4.2007 einigten sich die Parteien über die Beschaffung von 600 Stück dieser Zertifikate. Die Zertifikate wurden am 2.5.2007 zugunsten des Klägers und seiner Ehefrau eingebucht und später mit Verlust veräußert.
Zwischen dem 17.7.2009 und dem 26.8.2009 korrespondierten die Parteien wegen eines Anspruchs gegen die Beklagte aus Beratungspflichtverletzung. Der Kläger stellte am 7.6.2010 Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids, mit dem er die Beklagte u.a. auf ("kleinen") Schadenersatz wegen einer Beratungspflichtverletzung im April 2007 i.H.v. rd. 31.000 € in Anspruch genommen hat. Der antragsgemäß erlassene Mahnbescheid wurde der Beklagten am 14.6.2010 zugestellt.
Das LG erließ im streitigen Verfahren Versäumnisurteil gegen den Kläger und erhielt seine klageabweisende Entscheidung auf Einspruch aufrecht. Die Berufung des Klägers wies das OLG zurück. Auf die Revision des Klägers, mit der er einen Schadenersatzanspruch i.H.v. (noch) rd. 25.000 € nebst Zinsen sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten weiterverfolgt, hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die Annahme des OLG, ein Anspruch des Klägers sei jedenfalls verjährt, hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Dabei kann dahinstehen, ob zugunsten der Beklagten die kurze Verjährungsfrist des § 37a WpHG aF i.V.m. § 43 WpHG eingreift und welcher Zeitpunkt im konkreten Fall für den Beginn der Verjährung nach diesen Vorschriften maßgeblich ist. Denn der Kläger hat die Verjährungsfrist in jedem Fall rechtzeitig (erneut) gehemmt.
Bei schwebenden Verhandlungen wirkt die Hemmung grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurück, in dem der Gläubiger seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend gemacht hat. Vorliegend haben die Parteien zwischen dem 17.7.2009 und dem 26.8.2009 über den Anspruch des Klägers verhandelt; die Verjährungsfrist war gem. § 203 S. 1 BGB in diesem Zeitraum gehemmt. Der 17.7.2009 und der 26.8.2009 gehörten als die Tage, in deren Verlauf der Hemmungsgrund entstand und wegfiel, zur Hemmungszeit. Damit lief die Verjährungsfrist des § 37a WpHG aF deren Anlaufen mit dem OLG am 26.4.2007 unterstellt nicht mit dem Ende des 26.4.2010 (§ 188 Abs. 2 Fall 1 BGB), sondern nicht vor dem Ende des 6.6.2010 ab.
Da der 6.6.2010 ein Sonntag war, genügte es allerdings zur (erneuten) Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, dass der Kläger den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids am darauf folgenden Montag, dem 7.6.2010, bei Gericht einreichte. Insoweit gilt § 193 BGB entsprechend. Die verjährungshemmende Wirkung trat nach § 167 ZPO bereits mit Antragstellung am 7.6.2010 ein, weil der Mahnbescheid am 14.6.2010 und damit demnächst zugestellt wurde. Dass der Kläger im Mahnverfahren wegen § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO lediglich den "kleinen" Schadenersatz geltend gemacht hat, auf den er, nachdem er einen Anspruch auf "großen" Schadenersatz begründet hat, im Laufe des Rechtsstreits zurückgekommen ist, hindert den Eintritt der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht.
Ob die eine oder die andere Art des Schadenersatzes geltend gemacht wird, ist lediglich eine Frage der Schadensberechnung. Wechselt der Kläger die Art der Schadensberechnung, ohne seinen Antrag auf einen abgewandelten Lebenssachverhalt zu stützen, liegt keine Klageänderung vor. Ein Missbrauch des Mahnverfahrens, der den Antragsteller bei der Geltendmachung von "großem" Schadenersatz im Einzelfall nach § 242 BGB daran hindern kann, sich auf die Hemmung der Verjährung zu berufen, wenn er eine Erklärung nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO abgibt, obwohl er nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung die empfangene Leistung Zug um Zug zurückzugeben hat, fällt dem Kläger nicht zur Last.
Das Berufungsurteil war nach alldem aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückzuverweisen. Eine eigene Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3 ZPO kam nicht in Betracht, da das OLG zum Haftungsgrund keine tragfähigen Feststellungen getroffen hat.
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