Zur Höhe des Beschwerdewerts bei der Berufung gegen eine Unterlassungsverurteilung
KG Berlin 12.8.2011, 5 U 71/11Das LG verurteilte die beklagte "primacall GmbH" gem. Unterlassungs- und auf Zahlungsantrag (betreffend Abmahnkosten; insoweit unter - rechtskräftiger - Teilabweisung eines weiter gehenden Zahlungsbegehrens) der Klägerin,
1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen der telefonischen Akquise von primacall-Verträgen zu behaupten,
- a) der Anruf diene lediglich der Durchführung einer Umfrage und/oder
- b) für die Teilnahme an einer Umfrage erhalte der Kunde 100 Freiminuten, insbes. wenn dies mit der weiteren Behauptung geschieht, dass diese Freiminuten von der Telekom gewährt würden,
- wenn der Kunde in dem Telefonat tatsächlich einen primacall-Vertrag abschließen soll,
2. an die Klägerin 1.580 € nebst Zinsen zu zahlen.
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Sie bezweifelt die Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen durch das erstinstanzliche Gericht. Nach einem Hinweis des Gerichts auf ein (mögliches) Nichtübersteigen des in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgesehenen Werts trug die Beklagte zur Höhe der Beschwer vor, die Kosten der Beklagten zur Einhaltung der Unterlassungspflicht überstiegen um ein Vielfaches die Mindestbeschwer: Besprechungen wegen neu zu beachtender Unterlassungstitel (50 Teamleiter á 15 Min. = 200 €; Schulung der Teams durch die Leiter (50 Teamleiter á 15 Min. = 200 € + ca. 1.250 € Bezahlung der Call-Center-Agenten); externe rechtsberatende Prüfung sämtlicher Werbung rd. 2.000 €; etc.
Das KG wies die Berufung als unzulässig zurück.
Die Gründe:
Die Vorschrift des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO greift nicht, da der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € nicht übersteigt.
Die Beschwer des zu einer Unterlassung verurteilten Beklagten bemisst sich nach seinem Interesse an einer Beseitigung dieser Verurteilung und richtet sich mithin nach den Nachteilen, die aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen, etwa nach dem Interesse daran, das Unterlassungsgebot nicht befolgen zu müssen. Der Beschwerdewert einer Berufung gegen die Verurteilung zur Unterlassung ist daher häufig auf den Mindestwert von bis zu 300 € festzusetzen, wenn die Parteien sich nicht über die Unterlassungspflicht selbst, sondern nur über einen bereits erfolgten Verstoß gegen die Unterlassungspflicht streiten. Denn in diesem Fall richtet sich die Beschwer (allenfalls) nach dem Aufwand und den Kosten des Unterlassungsschuldners, die diesem entstehen können, wenn er dem titulierten Unterlassungsanspruch nachkommt.
Nach diesen Grundsätzen war der Wert der Beschwer im Streitfall auf bis zu 300 € zu bemessen. Die Parteien streiten sich nicht über die Existenz der (ausgeurteilten) Unterlassungspflichten selbst (welche gem. §§ 8, 3, 5 UWG auch klar und eindeutig sind, denn die der Beklagten vorgehaltenen Behauptungen sind schlicht unwahr und damit irreführend), sondern über die Existenz bereits erfolgter Verstöße gegen die Unterlassungspflichten. Gegen die Verurteilung bringt die Beklagte vor, die streitgegenständlichen Behauptungen seien nicht aufgestellt worden. Ein Interesse der Beklagten, so zu handeln, wie es verboten worden ist, wird von der Berufung nicht behauptet oder gar aufgezeigt.
Es war vorliegend nicht ersichtlich oder dargelegt, dass Aufwand und Kosten der Beklagten zur Einhaltung der Unterlassungspflicht den festgesetzten Wert von 300 € übersteigen könnten. Dass z.B. - wie behauptet - sämtliche 50 Gruppenleiter über jeden neuen gerichtlichen Unterlassungstitel umständlich im Wege einer Besprechung informiert werden, wofür jeweils 15 Minuten anzusetzen seien, und diese Gruppenleiter ihre je 10 Gruppenmitglieder in entsprechender Weise mit ebensolchem Zeitaufwand jeweils nachschulen, erscheint nicht plausibel und jedenfalls - maßgebend für die Beschwerbemessung - objektiv in keiner Weise erforderlich.
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