05.11.2012

Zur Insolvenzfestigkeit der Zweitabtretung einer zuvor bereits einem Sicherungsnehmer übertragenen Forderung

Eine gesicherte Rechtsposition, die dem Erwerbsverbot des § 91 InsO standhält, erlangt der Zessionar nur, wenn ein abgetretener Anspruch durch Wegfall des Sicherungszwecks im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits entstanden war. Entsteht die im Voraus abgetretene Forderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, kann der Zessionar gem. § 91 Abs. 1 InsO grundsätzlich kein Forderungsrecht zu Lasten der Masse mehr erwerben.

BGH 11.10.2012, IX ZR 30/10
Der Sachverhalt:
Der Schuldner trat mit einer als Abtretungsvertrag bezeichneten Abrede vom 10.10.2000 seine Forderung aus einem Sparguthaben bei der B-Bank i.H.v. 80.000 DM (rd. 40.900 €) zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der V als Kautionsversicherer an diese ab. In der Vereinbarung war festgehalten, dass die Abtretung gegenstandslos werde, wenn die V schriftlich mitteile, dass sie daraus keine Ansprüche mehr geltend machen werde.

Die Klägerin gewährte der S-GmbH aufgrund im Januar 2004 ein Darlehen i.H.v. 50.000 €. Nach dem Darlehensvertrag hatte der Gesellschafter, der Ehemann der Klägerin, seine Rentenversicherung als Sicherheit einzusetzen. Mit als Vertragsänderung zum Darlehensvertrag bezeichneter Abrede vom 10.2.2004 vereinbarten die Beteiligten einen Sicherheitenaustausch. Danach trat der Schuldner sein Sparkonto bei der B i.H.v. rd. 41.800 € "unwiderruflich" als neue Sicherheit für das Darlehen an die Klägerin ab.

Im Juli 2007 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Verwalter kündigte das Sparguthaben des Schuldners im November 2007 gegenüber der Bank. Die V teilte dem Beklagten im März 2008 mit, sie benötige die Sicherheit i.H.v. rd. 14.000 €, der darüber hinausgehende Betrag werde freigegeben. Im April 2009 erklärte die V abschließend, sie leite aus der Sicherheit keine Ansprüche mehr her. Das Sparguthaben i.H.v. rd. 41.800 € wurde auf ein Konto des Beklagten überwiesen.

Das LG wies die auf Auszahlung des eingezogenen Betrages und Erstattung vorgerichtlicher Kosten gerichtete Klage ab. Das OLG gab ihr lediglich i.H.v. 860 € und wegen der außergerichtlichen Kosten hinsichtlich eines Freistellungsbetrages von 49 € statt und wies die die Berufung i.Ü. zurück. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat sich darauf beschränkt, die streitgegenständlichen Vereinbarungen vom 10.10.2000 und vom 10.2.2004 - dem reinen Wortlaut folgend - als jeweils auf das Sparguthaben beschränkte Abtretungsvereinbarungen anzusehen. Dies verletzt das rechtliche Gebot einer beiderseits interessengerechten Auslegung.

Es fehlt an der eingehenden Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Abrede vom 10.2.2004, insbes. mit dem in der Fassung als "unwiderrufliche" Abtretung zum Ausdruck kommenden verstärkten Bindungs- und Gewährleistungswillen des Sicherungsgebers. Hieraus könnte abgeleitet werden, der Schuldner habe seine nach der ersten Abtretung bei ihm verbliebene Rechtsposition vollständig und endgültig auf die Klägerin übertragen wollen. Mit den dem Schuldner zum Zeitpunkt der Abtretungserklärung vom 10.2.2004 zustehenden Rechten hat sich das OLG nicht näher befasst. Es hat lediglich die Frage der Abtretung der Guthabenforderung erörtert. Unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der beiderseits interessengerechten Auslegung liegt es hingegen nahe, dass der Schuldner nicht nur das bereits im Jahre 2000 an die V abgetretene Vollrecht, sondern auch die ihm verbliebenen Rechte aus der Sicherheitenabrede auf die Klägerin übertragen hat.

Nach den bisher getroffenen Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass die Klägerin mit der Abtretung vom 10.2.2004 eine Rechtsposition erlangt hat, die ihr durch die Insolvenzeröffnung nicht mehr genommen werden konnte. Eine gesicherte Rechtsposition, die dem Erwerbsverbot des § 91 InsO standhält, erlangt der Zessionar allerdings nur, wenn der abgetretene Anspruch durch Wegfall des Sicherungszwecks im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits entstanden war. Entsteht die im Voraus abgetretene Forderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, kann der Zessionar gem. § 91 Abs. 1 InsO grundsätzlich kein Forderungsrecht zu Lasten der Masse mehr erwerben; nur wenn er bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der abgetretenen Forderung erlangt hat, ist die Abtretung insolvenzfest.

Eine insolvenzfeste Rechtsposition erlangte die Klägerin daher nur, soweit im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung der Sicherungszweck bereits endgültig weggefallen und der Rückgewähranspruch aus der Sicherungsabrede deshalb fällig geworden war. Im Rahmen der streitgegenständlichen Kautionsversicherung ist der Sicherungszweck nur weggefallen, soweit keine weiteren Bürgschaften mehr ausgereicht werden konnten und ein Sicherungsfall aus den bestehenden Bürgschaften nicht mehr oder nicht mehr in der besicherten Höhe entstehen konnte. Denn die vorrangige Abtretung diente der Sicherung aller bestehenden und künftigen - auch bedingten oder befristeten - Ansprüche aus sämtlichen abgeschlossenen Versicherungsverträgen und damit einem weiten Sicherungszweck, nicht lediglich der Besicherung einer konkreten Einzelforderung.

Hierzu hat das OLG, auf Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig, bislang keine Feststellungen getroffen. Es wird nun zu prüfen haben, ob die Abtretungsvereinbarung vom 10.2.2004 auch die dem Schuldner zustehenden Rückübertragungsansprüche gegenüber der V umfasste und diese insolvenzfest (§ 91 InsO) erworben werden konnten. Sollte dies der Fall sein, ist dem auf § 134 InsO gestützten Anfechtungseinwand des Beklagten nachzugehen. Schließlich hat das OLG, sollte die geltend gemachte Anfechtung nicht durchgreifen, zu erwägen, ob Feststellungskosten nach § 170 Abs. 1, § 171 Abs. 1 InsO von dem vereinnahmten Sparguthaben in Abzug zu bringen sind. Diese stehen dem beklagten Verwalter im Regelfall zu.

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