Zur Klagebefugnis eines Verbands hinsichtlich der Überprüfung der Lauterkeit einer Werbung für Glücksspiele
OLG München 17.3.2011, 29 U 2819/10 u.a.Der Kläger ist ein 2008 gegründeter eingetragener Verein, dessen Mitglieder Unternehmen sind, die auf dem Markt für Gewinn- und Glücksspielwesen auftreten. Der Verein wendet sich mittlerweile ausschließlich gegen die im Deutschen Lotto- und Totoblock (DLTB) organisierten, letztlich öffentlich-rechtlichen Lotterieveranstalter, deren Lauterkeit er zuweilen von Gerichten überprüfen lässt. Gegen seine eigenen Mitglieder macht der Verein keine lauterkeitsrechtlichen Ansprüche geltend.
Der beklagte Freistaat Bayern ist ein Mitglied im Deutschen Lotto- und Totoblock. Er veranstaltet in Bayern über seine Staatliche Lotterieverwaltung Glücksspiele. Dazu enthielt der Internetauftritt der Staatlichen Lotterieverwaltung am 7.4.2009 unter der Überschrift "Glückspäckchen im Osternest - Die Lose von Lotto Bayern wünschen schöne Feiertage" einen bebilderten Hinweis darauf, dass Lotto Bayern rechtzeitig zum Osterfest ein neues Glückspäckchen mit beträchtlichen Sofortgewinnen aufgelegt habe (29 U 2819/10).
Darüber hinaus veranstaltet der Beklagte das Glücksspiel KENO, das er am 4.3.2009 im Internet bewarb, indem er auf Sonderauslosungen vom 2. bis 14.3.2009 hinwies, in denen jeweils täglich ein Cabrio zu gewinnen war. Gleichzeitig ließ der Beklagte in seinen Annahmestellen ein Plakat aushängen, das unter der Überschrift "Sonderauslosung bei KENO" u.a. ein mit jungen Leuten besetztes, in der vom blauen Himmel strahlenden Sonne fahrendes Cabrio zeigte (29 U 2944/10).
Der Kläger sieht das Verhalten des Beklagten als unlauter an. Er beantragte deshalb in beiden Verfahren, den Beklagten zur Unterlassung zu verurteilen. Das LG gab den Klagen statt. Auf die Berufungen des Beklagten hob das OLG die Urteile auf und wies die Klagen - trotz Vorliegens eines unlauteren Verhaltens des Beklagten - wegen fehlender Klagebefugnis des Klägers ab.
Die Gründe:
Der Kläger ist nicht klagebefugt; die Geltendmachung der sich aus § 8 Abs. 1 S. 1 UWG ergebenden Unterlassungsansprüche ist nach § 8 Abs. 4 UWG unzulässig, da missbräuchlich.
Die beiden vom Kläger beanstandeten Internetinhalte sind grundsätzlich als unlauter gem. § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 5 Abs. 3 GlüStV anzusehen. Die beanstandete Werbung verletzt den Glücksspielstaatsvertrag als Marktverhaltensregelung. Die Werbung verstößt gegen § 5 Abs. 3 GlüStV. Es handelt sich nicht nur um eine im Rahmen der Zielsetzung des Glücksspielstaatsvertrags zulässige Information und Aufklärung über die Möglichkeiten zum Glücksspiel, sondern im Verfahren 29 U 2819/10 ("Osternest") nach Inhalt und graphischer Gestaltung um eine ganz gezielte Aufforderung und Animierung zur Teilnahme an dem damit beworbenen Loskauf. Im Verfahren 29 U 2944/10 ("KENO") beschränkt sich das Plakat zudem nicht darauf, eine vorhandene Spielleidenschaft zu kanalisieren, sondern ist darauf gerichtet, einen Entschluss zur Spielteilnahme erst hervorzurufen.
Angesichts seiner Breitenwirkung ist der beanstandete Internetauftritt des Beklagten auch geeignet, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen, was bei dem Spiel "KENO" angesichts dessen Bekanntheit auch für die Plakatwerbung gilt. Die Geltendmachung der sich daraus gem. § 8 Abs. 1 S. 1 UWG ergebenden Unterlassungsansprüche ist allerdings nach § 8 Abs. 4 UWG als unzulässig, da missbräuchlich anzusehen, da sich der klagende Verein von sachfremden Motiven leiten ließ.
Wenn es wie im Streitfall zu den satzungsmäßigen Aufgaben eines Verbands gehört, den lauteren Wettbewerb zu fördern, das Marktverhalten von Marktteilnehmern auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu kontrollieren, den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen und Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen zu schützen, ist es sachfremd, nur gegen Marktteilnehmer vorzugehen, die nicht Mitglieder sind, und gleichartige Verstöße von Mitgliedern aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht zu verfolgen. Sowohl der lautere Wettbewerb als auch die berechtigten Interessen der sich lauter verhaltenden Mitglieder werden durch Wettbewerbsverstöße von Mitgliedern in derselben Weise beeinträchtigt wie durch Verstöße von Nicht-Mitgliedern.
Das Kriterium der Vereinsmitgliedschaft hat keinen Bezug zu den Satzungsaufgaben, deretwegen dem Verein die Klagebefugnis zukommen würde - nämlich der Verfolgung unlauteren Wettbewerbs im öffentlichen Interesse - und ist daher sachfremd. Wird jedoch bei der Geltendmachung von Ansprüchen auf ein sachfremdes Kriterium abgestellt, spricht dies dafür, dass die Anspruchsdurchsetzung missbraucht wird, um andere Ziele zu verfolgen als die, deretwegen die Klagebefugnis eröffnet wurde. Dem klägerischen Verband oblag es, die sich aus seiner kategorischen Weigerung, Wettbewerbsverstöße seiner Mitglieder zu verfolgen, ergebende Indizwirkung zu widerlegen, was nicht geschehen ist.