10.03.2015

Zur Kündigung einer Beteiligung durch den einem Gesellschafter einer Personengesellschaft gleichgestellten Treugeber

Der einem Gesellschafter einer Personengesellschaft aufgrund der Regelungen im Treuhand- und im Gesellschaftsvertrag gleichgestellte Treugeber kann seine Beteiligung durch Kündigung gegenüber der Gesellschaft beenden und hat dann einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Zahlung eines etwaigen Abfindungsguthabens, wenn er bei seinem Beitritt über die Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung waren oder hätten sein können, nicht vollständig und verständlich aufgeklärt worden ist.

BGH 20.1.2015, II ZR 444/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger beteiligte sich mit einer Einlage i.H.v. 20.000 € zzgl. eines Agios i.H.v. 1.000 € gem. Beitrittserklärung vom 5.11.2005 über die Beklagte zu 4) als Treuhandkommanditistin an der Beklagten zu 1), einem Prozesskostenhilfefonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft.

Mit der Behauptung, er sei über die Risiken der Beteiligung unzureichend aufgeklärt worden, verlangt er von den Beklagten Rückzahlung seiner Einlage und Ersatz von Anwaltskosten Zug um Zug gegen Übertragung seiner Gesellschaftsbeteiligung sowie die Feststellungen, dass die Beklagten mit der Annahme des Angebots zur Übertragung der Beteiligung im Verzug seien und dass die Beklagte zu 1) aus dem Beteiligungsvertrag keine Rechte mehr herleiten könne. Hilfsweise begehrt er im Wege der Stufenklage Rechnungslegung über sein Auseinandersetzungsguthaben. Über die Vermögen der Beklagten zu 2) bis 4) - Komplementärin, Gründungskommanditistin und Treuhänderin der Beklagten zu 1) - sind mittlerweile Insolvenzverfahren eröffnet worden.

LG und OLG wiesen die Klage gegen die Beklagte zu 1) durch Teilurteil ab. Auf die Revision des Klägers, die insoweit zugelassen wurde, als die Berufung hinsichtlich der hilfsweise erhobenen Stufenklage zurückgewiesen worden ist, hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Für das Revisionsverfahren ist zu unterstellen, dass der Kläger bei Abschluss des Treuhandvertrags über die Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung waren oder hätten sein können, nicht verständlich und vollständig aufgeklärt worden ist und dass dies für seine Beitrittsentscheidung ursächlich geworden ist. Damit hat er als Treugeber, der nach dem Treuhand- und dem Gesellschaftsvertrag im Innenverhältnis einem Kommanditisten gleichgestellt ist, ein Recht auf außerordentliche Kündigung des Treuhand- und Gesellschaftsvertrags und einen Anspruch auf Zahlung eines nach den Regeln des Gesellschaftsvertrags oder - soweit der Gesellschaftsvertrag keine Regelungen enthält - den gesetzlichen Bestimmungen zu berechnenden - möglichen - Abfindungsguthabens. Demnach hat er auch einen Anspruch gegen die Beklagte, dass sie eine Auseinandersetzungsbilanz aufstellt und ihm so Rechnung legt.

Es entspricht ständiger BGH-Rechtsprechung, dass im Falle einer sog. offenen oder qualifizierten Treuhand die an der Gesellschaft Beteiligten ihr gesellschafterliches Innenverhältnis so gestalten können, als ob die Treugeber selbst Gesellschafter wären. Die Gestaltung ihrer internen Rechtsbeziehungen ist im Allgemeinen einer freien vertraglichen Vereinbarung zugänglich. Nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags und unter Berücksichtigung des Treuhandvertrags und der Beitrittserklärung des Klägers handelt es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen einerseits der Treuhandkommanditistin und der Beklagten und andererseits dem Kläger als Treugeber nicht um ein einfaches Treuhandverhältnis, sondern um eine von gesellschaftsrechtlichen Bindungen überlagerte Treuhandbeziehung.

Laut Gesellschaftsvertrag sollen die Treugeber im Innenverhältnis wie unmittelbar beteiligte Gesellschafter behandelt werden. Das soll insbesondere gelten für die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, am Gewinn und Verlust, an der Verteilung des Auseinandersetzungsguthabens sowie für die Ausübung der Stimm- und Kontrollrechte. Dementsprechend heißt es im Treuhandvertrag, dass der Treugeber wirtschaftlich die Stellung haben solle, als wäre er unmittelbar beteiligter Kommanditist. Der Gesellschaftsvertrag solle für und gegen ihn gelten. Damit hat der Kläger als "Quasi-Gesellschafter" im Innenverhältnis zur Beklagten alle Rechte, die auch ein Kommanditist hat. Zu diesen Rechten gehört auch das Recht des Anlegers, sich durch eine außerordentliche Kündigung von dem Vertrag zu lösen, wenn er durch eine nicht ordnungsgemäße Aufklärung über die für seine Anlageentscheidung erheblichen Umstände zum Beitritt bestimmt worden ist.

Nach der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft kann sich der Gesellschafter nicht mit Wirkung ex tunc von dem fehlerhaften Beitrittsvertrag lösen. Er kann seine Gesellschafterstellung aber durch eine Kündigung mit Wirkung ex nunc beenden. Die Rechtsfolgen einer derartigen Kündigung ergeben sich aus den für das Ausscheiden eines Gesellschafters vorgesehenen gesetzlichen Regeln der §§ 738 ff. BGB 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB, sofern und soweit nichts anderes vereinbart ist. Von diesem Kündigungsrecht hat der Kläger nach seinem Vortrag mit Schreiben vom 16.11.2010, spätestens aber mit der Klageerhebung am 1.11.2011 Gebrauch gemacht. Denn jedenfalls mit der Klage hat er zu erkennen gegeben, dass er nicht weiter (Quasi-)Gesellschafter der Beklagten sein wolle. Danach ist die Beklagte verpflichtet, nach § 738 BGB und § 24 des Gesellschaftsvertrags eine Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen, um die Höhe des Abfindungsanspruchs des Klägers - oder des von ihm auszugleichenden Fehlbetrags - zu ermitteln.

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