08.03.2012

Zur notwendigen Streitgenossenschaft des Inhaber eines Gebrauchsmusters und des Inhabers einer ausschließlichen Lizenz an diesem Recht

Der Inhaber eines Patents oder Gebrauchsmusters und der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz an diesem Recht, die einen Verletzer gemeinsam auf Ersatz des ihnen aus einer Verletzung des Schutzrechts entstandenen Schadens in Anspruch nehmen, sind notwendige Streitgenossen. Die notwendige Streitgenossenschaft hat zur Folge, dass ein Streitgenosse auch dann weiter am Verfahren zu beteiligen ist, wenn er gegen eine Instanzentscheidung kein Rechtsmittel eingelegt hat.

BGH 24.1.2012, X ZR 94/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin zu 1) ist Inhaberin des Klagegebrauchsmusters, das im September 2002 durch Zeitablauf erloschen ist und eine Tintentankpatrone und deren Behälter betrifft. Die Klägerin zu 2) war Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz an dem Schutzrecht. Nach dem Lizenzvertrag war sie verpflichtet, als Gegenleistung für die Lizenzeinräumung von der Klägerin zu 1) erhebliche Mengen der lizenzierten Produkte zu erwerben und sich nach besten Kräften zu bemühen, diese in Deutschland anzubieten und zu vermarkten.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) war, vertreibt Tintenpatronen. In einem vorangegangenen Rechtsstreit wegen Verletzung des Klagegebrauchsmusters durch den Vertrieb von drei Typen von Tintenpatronen hat das LG Düsseldorf festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, den Klägerinnen den Schaden zu ersetzen, der diesen durch die angegriffenen Verletzungshandlungen entstanden ist und noch entstehen wird. Das Urteil ist rechtskräftig. Nach Auskunftserteilung und Rechnungslegung haben die Klägerinnen im vorliegenden Rechtsstreit gegen die Beklagten zu 1) und 2) Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz an die Klägerinnen i.H.v. rd. 680.000 € geltend gemacht.

Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von rd. 200.000 €. Gegen das erstinstanzliche Urteil legten die Beklagten Berufung ein. Die Klägerinnen legten ihrerseits Anschlussberufung ein, mit der sie anstrebten, die Beklagten zur Zahlung von insgesamt rd. 400.000 € an die Klägerinnen zu verurteilen. Die Klägerin zu 1) nahm die Anschlussberufung später zurück. Im Zusammenhang damit trat sie ihre Ansprüche an die Klägerin zu 2) ab. Die Klägerin zu 2) stellte ihren Antrag dahin um, dass die begehrte Zahlung allein an sie erfolgen soll. Das OLG wies die Klage in vollem Umfang ab.

Auf die Revision der Klägerin zu 2) hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG meint zu Unrecht, die Klägerin zu 2) sei im Streitfall daran gehindert, den auf die Klägerin zu 1) entfallenden Teil des Gesamtschadens geltend zu machen. Der Anspruch auf Ersatz dieses Schadens sei nach der Rücknahme der Anschlussberufung durch die Klägerin zu 1) rechtskräftig aberkannt. Hierbei lässt das OLG außer Acht, dass die beiden Klägerinnen notwendige Streitgenossen i.S.v. § 62 Abs. 1 Fall 2 ZPO sind.

Notwendige Streitgenossenschaft liegt nach dieser Vorschrift vor, wenn ein Recht aus materiellrechtlichen Gründen nur von mehreren Berechtigten oder gegen mehrere Verpflichtete gemeinsam ausgeübt werden darf, die Klage also wegen fehlender Prozessführungsbefugnis abgewiesen werden müsste, wenn sie nur von einem einzelnen Mitberechtigten oder gegen einen einzelnen Mitverpflichteten erhoben würde. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Schutzrechtsinhaber und der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz gemeinsam auf Herausgabe des vollen Verletzergewinns klagen. Eine solche Klage hat, wie auch das OLG im Ansatz zutreffend gesehen hat, nur dann Erfolg, wenn sie von beiden Berechtigten gemeinsam erhoben wird.

§ 432 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach jeder Gläubiger verlangen kann, dass der Schuldner die gesamte Leistung an alle Gläubiger gemeinsam erbringt, ist nicht anwendbar, weil Schutzrechtsinhaber und Lizenznehmer eben nicht Mitgläubiger im Sinne dieser Vorschrift sind, sondern den jeweils auf sie entfallenden Schaden unabhängig voneinander geltend machen können. Wenn sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen und stattdessen gegenüber dem Verletzer den Ersatz des gesamten Schadens fordern, um den Ersatzbetrag im Innenverhältnis untereinander aufteilen zu können, sind sie aber, sofern sie nicht den Weg über eine Abtretung beschreiten, darauf angewiesen, sich über eine gemeinsame Geltendmachung ihrer Ansprüche zu verständigen und gemeinsam gegen den Verletzer vorzugehen.

In diesem gemeinsamen Vorgehen liegt nicht nur eine prozessuale Anspruchshäufung i.S.d. §§ 59, 60 und 260 ZPO. Die Klage ist vielmehr auf ein anderes Ziel gerichtet, weil die Berechtigten nicht die Herausgabe von jeweils einem Teil des Gewinns an jeden einzelnen von ihnen, sondern die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr oder die Herausgabe des gesamten Verletzergewinns an beide gemeinsam fordern. Ein auf dieses Ziel gerichteter Anspruch hat materiell-rechtlich zur Voraussetzung, dass die Berechtigten sich über diese Art der Geltendmachung einigen und den Anspruch gemeinsam geltend machen. Damit sind sie im Prozess notwendige Streitgenossen.

Die notwendige Streitgenossenschaft hat gem. § 62 Abs. 2 ZPO zur Folge, dass ein Streitgenosse auch dann weiter am Verfahren zu beteiligen ist, wenn er gegen eine Instanzentscheidung kein Rechtsmittel eingelegt hat. Entgegen der Auffassung des OLG hatte der Umstand, dass die Klägerin zu 1) das erstinstanzliche Urteil nicht mit der Berufung angefochten und die von ihr eingelegte Anschlussberufung später zurückgenommen hat, deshalb nicht zur Folge, dass die vom LG ausgesprochene Klageabweisung rechtskräftig geworden ist. Die Klägerin zu 2) ist vielmehr aufgrund der zwischen den Klägerinnen geschlossenen Abtretungsvereinbarung von Mai 2009 befugt, Leistung an sich selbst zu verlangen. Sie hat von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, indem sie den Klageantrag entsprechend umgestellt und dazu erklärt hat, sie mache ihre Ansprüche zugleich aus abgetretenem Recht der Klägerin zu 1) geltend.

Zur Prüfung der Höhe des Schadensersatzanspruchs war die Sache an das OLG zurückzuverweisen.

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