28.07.2015

Zur Patentierbarkeit mathematischer Methoden im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG

Eine mathematische Methode kann nur dann als nicht-technisch angesehen werden, wenn sie im Zusammenhang mit der beanspruchten Lehre keinen Bezug zur gezielten Anwendung von Naturkräften aufweist. Ausreichend ist dieser Bezug, wenn eine mathematische Methode zu dem Zweck herangezogen wird, anhand von zur Verfügung stehenden Messwerten zuverlässigere Erkenntnisse über den Zustand eines Flugzeugs zu gewinnen und damit die Funktionsweise des Systems, das der Ermittlung dieses Zustands dient, zu beeinflussen.

BGH 30.6.2015, X ZB 1/15
Der Sachverhalt:
Die Rechtsbeschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung einer Patentanmeldung. Die am 18.1.2007 eingereichte Anmeldung betrifft ein Verfahren zur Zustandsermittlung eines Flugzeugs. Anspruch 1 betrifft in der zuletzt beanspruchten Fassung grob ein Verfahren zur Ermittlung eines Flugzeugzustandes, nämlich der Position, Geschwindigkeit und Lage des Flugzeugs, das mehrere Schritte umfasst.

Anspruch 5 betrifft sinngemäß ein System zur Ermittlung eines Flugzeugzustandes, das nach diesem Verfahren arbeitet. Vier weitere Ansprüche sind auf einen dieser Ansprüche rückbezogen.

Das Patentamt wies die Anmeldung zurück. Das BPatG wies Beschwerde der Anmelderin ebenso zurück wie der BGH die vorliegende Rechtsbeschwerde.

Die Gründe:
Die Anmeldung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung von Position, Geschwindigkeit und Lage eines Flugzeugs und vor diesem Hintergrund das technische Problem, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das eine zuverlässige und schnelle Zustandsschätzung ermöglicht. Von zentraler Bedeutung für das beanspruchte Verfahren ist die Auswahl und Berechnung der Daten, die dem Kalman-Filter zugeführt werden. Dieser ist ein Verfahren, bei dem anhand einer Vielzahl von mit Unsicherheiten behafteten Messwerten durch mathematische Berechnungen ein möglichst zuverlässiger Wert ermittelt wird.

Merkmale, die sich in der Anwendung einer mathematischen Methode erschöpfen, dürfen bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht berücksichtigt werden. Bei der Prüfung, ob der Gegenstand einer Anmeldung auf erfinderischer Tätigkeit beruht, dürfen nur diejenigen Anweisungen berücksichtigt werden, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen. Für die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG als solche von der Patentierung ausgeschlossenen mathematischen Methoden gilt im Grundsatz das Gleiche. Allerdings kann eine mathematische Methode nicht ohne weiteres als nicht-technisch angesehen werden. Technisches Handeln besteht im Arbeiten mit den Mitteln der Naturkräfte. Die diesen zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeiten werden in aller Regel mit Hilfe mathematischer Methoden beschrieben. Die Anwendung solcher Methoden zur Erzielung eines bestimmten technischen Erfolgs ist deshalb ihrerseits dem Gebiet der Technik zuzuordnen.

Als nicht-technisch kann eine mathematische Methode nur dann angesehen werden, wenn sie im Zusammenhang mit der beanspruchten Lehre keinen Bezug zur gezielten Anwendung von Naturkräften aufweist. Die Anwendung dieser Grundsätze führt dazu, dass die in der Anmeldung beanspruchten Merkmale d bis g bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen sind. Diese Merkmale betreffen für sich gesehen zwar Rechenoperationen, die im Wesentlichen die Anwendung statistischer Methoden betreffen. Diese Rechenschritte weisen bei dem beanspruchten Verfahren aber einen hinreichenden Bezug zur gezielten Anwendung von Naturkräften auf. Die mit ihnen bewirkte Zusammenfassung von Messwerten zur Beschleunigung der mit dem Kalman-Filter verbundenen weiteren Rechenschritte dient dem Zweck, anhand der zur Verfügung stehenden Messwerte zuverlässigere Erkenntnisse über den Zustand des Flugzeugs zu gewinnen und damit die Funktionsweise des Systems, das der Ermittlung dieses Zustands dient, zu beeinflussen.

In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob dieses Problem bereits durch andere im Stand der Technik bekannte Verfahren gelöst wurde und ob die Merkmale d bis g im Vergleich zu den im Stand der Technik bekannten Verfahren zu einer Verbesserung führen. Die Patentfähigkeit eines Gegenstands hängt nicht davon ab, ob dieser einen technischen Fortschritt mit sich bringt. Zwar ist es auch nach dem Wegfall dieses nach früherem Recht geltenden Schutzerfordernisses nicht Sinn des Patentrechts, Lehren zu schützen, die technisch unsinnig sind. Ein Gegenstand, der neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht, kann aber nicht allein deshalb als nicht patentfähig angesehen werden, weil er im Vergleich zum Stand der Technik keinen erkennbaren Vorteil bietet. Ein solcher Gegenstand ist vielmehr jedenfalls dann patentfähig, wenn mit ihm im Vergleich zum Stand der Technik ein anderer Weg aufgezeigt wird. Diesen Anforderungen wird der Gegenstand der Anmeldung nach den vom BPatG getroffenen tatsächlichen Feststellungen gerecht.

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