17.08.2018

Zur Prospekthaftung im weiteren Sinne

Es entspricht der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler auch ohne Kenntnisnahme des Prospekts durch den Anleger für die Anlageentscheidung ursächlich wird, wenn der Prospekt entsprechend dem Vertriebskonzept der Fondsgesellschaft von den Anlagevermittlern als Arbeitsgrundlage verwendet wird, weil dann die Anleger auf andere als die im Prospekt genannten Risiken nicht hingewiesen werden konnten. Diese Grundsätze können aber nicht auf Ausführungen im Prospekt übertragen werden, die unter dem Gesichtspunkt einer Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen wegen der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens durch einen Vertreter, Dritten oder Sachwalter zu bewerten sind.

BGH 17.7.2018, II ZR 13/17
Der Sachverhalt:

Die Klägerin hatte sich im Januar 2009 mit 30.000 € an einer Fondsgesellschaft beteiligt. Sie erhielt daraufhin Ausschüttungen i.H.v. insgesamt 10.355 €. Gegenstand der Fondsgesellschaft war der Erwerb, die Bebauung, die Herstellung, die langfristige Verwaltung, Bewirtschaftung und Vermietung von langlebigen Wirtschafts- und Investitionsgütern, sowie das langfristige Eingehen von Beteiligungen zu diesem Zweck, insbesondere die Beteiligung an der H. GmbH & Co. Beteiligungs-KG. Diese war mittelbar über die Eigentümerin an einem Bürokomplex mit ca. 75.000 m² Mietfläche bestehend aus fünf Gebäudeflügeln und dazugehörigen Tiefgaragen- und Außenstellplätzen beteiligt.

Der Komplex war zum Zeitpunkt der Prospekterstellung im November 2008 zum Teil fertiggestellt und zum Teil noch im Bau. Die Klägerin wurde bei einem Besuch von einer Mitarbeiterin der ehemaligen Beklagten zu 1) auf die Anlage in dem Fonds angesprochen. Die Beklagte zu 2) war Initiatorin, Anbieterin, Eigen- und Fremdkapitalvermittlerin des Fonds, sie hatte die Konzeption entwickelt, ihr oblag die Geschäftsbesorgung.

Im Prospekt aus November 2008 hieß es

- im Kapitel "Investitionsobjekt" unter "Anzahl Pkw-Stellplätze": "Rund 600 Tiefgaragen-Stellplätze ..., rund 50 Außenstellplätze ..., weitere Stellplätze in Planung.",

- in Kapitel "Anlageziel und Anlagepolitik": "Behördliche Genehmigung Sämtliche zur Erreichung der Anlageziele und der Anlagepolitik erforderlichen behördlichen Genehmigungen, liegen vor."

Bei Prospekterstellung waren bereits 760 Stellplatzflächen vermietet, wobei 566 Tiefgaragenstellplätze genehmigt waren und weitere 84 Tiefgaragenstellplätze später genehmigt wurden. Baurechtlich genehmigungsfähig waren insgesamt nur 650 Stellplätze. Tatsächlich wurden 1200 Tiefgaragenstellplätze und 500 Außenstellplätze errichtet. Die weiteren über die genehmigungsfähigen Stellplätze hinausgehenden Bauanträge wurden abgelehnt.

LG und OLG haben die Beklagte zu 2) neben den ehemaligen Beklagten zu 1) und 3) u.a. verurteilt, an die Klägerin 21.144 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus dem Treuhandvertrag zu zahlen. Auf die Revision der Beklagten zu 2) hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Gründe:

Mit der vom Berufungsgericht angeführten Begründung kann eine Haftung der Beklagten zu 2) aus Prospekthaftung im weiteren Sinne als Anwendungsfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, Abs. 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 und Abs. 3 BGB nicht angenommen werden.

Aus Prospekthaftung im weiteren Sinne haftet nur derjenige, der Vertragspartner des Anlegers geworden ist oder hätte werden sollen. Ausnahmsweise kann daneben der für den Vertragspartner auftretende Vertreter, Vermittler oder Sachwalter in Anspruch genommen werden, wenn er im besonderen Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat. Die Beklagte zu 2) ist allerdings nicht als Vertreterin aufgetreten und hat keinen unmittelbaren Kontakt zur Klägerin gehabt. Neben dem fehlenden persönlichen Kontakt hatte die Beklagten zu 2) auch keine Stellung, nach der sie in eine Vertragsbeziehung zum Anleger trat, weil sie dessen Beitritt im Namen der Fondsgesellschaft zu bewirken gehabt hätte.

Die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens kann auch nicht darauf gestützt werden, dass der Fondsprospekt Grundlage des Beratungsgesprächs der Klägerin mit der ehemaligen Beklagten zu 1) gewesen sei. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler auch ohne Kenntnisnahme des Prospekts durch den Anleger für die Anlageentscheidung ursächlich wird, wenn der Prospekt entsprechend dem Vertriebskonzept der Fondsgesellschaft von den Anlagevermittlern als Arbeitsgrundlage verwendet wird, weil dann die Anleger auf andere als die im Prospekt genannten Risiken nicht hingewiesen werden konnten. Diese Grundsätze können aber nicht auf Ausführungen im Prospekt übertragen werden, die unter dem Gesichtspunkt einer Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen wegen der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens durch einen Vertreter, Dritten oder Sachwalter zu bewerten sind. Es kann nach der Lebenserfahrung nicht davon ausgegangen werden, dass solche Erklärungen im Prospekt in das Aufklärungsgespräch eingeflossen sind und die Anlageentscheidung beeinflusst haben.

Auch eine Haftung der Beklagten zu 2) wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen als Dritte, die nicht Vertragspartner selbst werden sollte, wegen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses am Vertragsschluss scheidet aus. Unbeschadet dessen, dass die Beklagte nicht gegenüber der Klägerin als Vertreterin aufgetreten ist, reicht der insoweit von der Revisionserwiderung geltend gemachte Umstand, dass die Beklagte zu 2) Alleingesellschafterin der Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaft gewesen sei, zur Begründung einer Haftung nach § 311 Abs. 2 oder Abs. 3 BGB wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses nicht aus. das Gleiche gilt für die vom Berufungsgericht angesprochene, von ihm für möglich gehaltene Haftung der Beklagten zu 2) aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bzw. eines Vertrages zu Gunsten Dritter. Das Berufungsgericht hat die im Verfahren angesprochene deliktische Haftung der Beklagten zu 2) bislang jedoch offengelassen und hat deren Prüfung nachzuholen.

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