Zur Qualifizierung von Süßlupineneiweiß als "Zutat" eines veganen Joghurt-Ersatz-Produkts
OLG Rostock v. 16.2.2022 - 2 U 24/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist eine Vereinigung von Verbraucherverbänden in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Streitbegriffen ist die Etikettierung des von der Beklagten produzierten veganen Joghurt-Ersatzes, ein lupinenbasiertes Produkt, das im Einzelhandel vertrieben wird und u.a. auch Mango bzw. Mangopüree enthält. Für die Herstellung wird aus der Lupinenpflanze Eiweiß extrahiert. Im Endprodukt findet sich dieses Eiweiß - zusammen mit Wasser - als Bestandteil einer sog. "Lupinenzubereitung". Auf dem Etikett wird, farblich vom übrigen Text abgehoben, das "Eiweiß der Süßlupine" erwähnt und es finden sich Angaben zum Anteil der "Lupinenzubereitung" am Gesamtprodukt sowie zum Gesamteiweißanteil.
Der Kläger hielt die Gestaltung des Etiketts für unvereinbar mit lebensmittelrechtlichen Vorgaben, woraus Ansprüche sowohl aus § 8 Abs. 1 UWG als auch aus § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG resultieren würden. Konkret stelle es einen Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 lit. b) LMIV dar, wenn die Beklagte einerseits auf der Verpackung das "Eiweiß der Süßlupine" - offenkundig werbend - in den Vordergrund rücke, dann aber den Anteil konkret dieser "Zutat" am Produkt nicht angebe.
Das LG hat der Unterlassungsklage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos.
Die Gründe:
Die angegriffene Unterlassungsverurteilung begegnet keinen Bedenken. Die Beklagte ist, wie das LG zutreffend erkannt hat, verpflichtet, die Menge des bei der Herstellung ihrer veganen Joghurtalternative verwendeten Lupineneiweißes anzugeben; das folgt aus Art. 22 Abs. 1 lit. b) LMIV.
Bei dem Lupineneiweiß handelt es sich um eine "Zutat" i.S.d. Art. 22 Abs. 1 LMIV. Daran ändert weder der Umstand etwas, dass "Eiweiß" zugleich ein unter Nährwertgesichtspunkten deklarierungspflichtiger Inhaltsstoff i.S.d. Art. 30 Abs. 1 Satz 1 lit. b) LMIV ist, noch die Tatsache, dass sich zwischen die Verarbeitungsstufen "Lupineneiweiß" und "Endprodukt" als Durchgangsstadium des Produktionsprozesses die im Zutatenverzeichnis (Art. 18 LMIV) als solche erwähnte - quarkähnliche - "Lupinenzubereitung" (bestehend aus dem Lupineneiweiß, seinerseits im Wege eines isoelektrischen Proteinfällungsprozesses aus der Lupine gewonnen - isoliert -, und Wasser) "schiebt". Dass auch die Lupine als solche, also der natürliche "Urstoff", "Zutat" im hier maßgeblichen Sinne ist bzw. sein kann, steht der Eigenschaft des "Lupineneiweißes" als "Zutat" gleichfalls nicht entgegen.
Die Überschneidung zwischen Art. 22 Abs. 1 LMIV und Art. 30 Abs. 1 Satz 1 lit. b) LMIV ist - zunächst für die Einordnung des "Lupineneiweißes" als Zutat an sich, aber auch für die nachfolgend zu beantwortende Frage der ausreichenden Angaben zur Menge - irrelevant. Bereits der jeweilige Normwortlaut bietet keinen Anhalt dafür, ein Produktbestandteil könne im Sinne wechselseitiger Exklusivität nur "Zutat" oder Inhaltsstoff sein. Aber auch aus dem Blickwinkel einer gesetzessystematischen Auslegung erweisen sich Überlappungen zwischen beiden Regelungskreisen als naheliegend und vom Verordnungsgeber einkalkuliert.
Die Zutat - das "Lupineneiweiß" - ist auch i.S.d. Art. 22 Abs. 1 LMIV bei der Herstellung "verwendet" worden, nämlich in den Fertigungsprozess eingeflossen. Auch insoweit gibt der Umstand, dass man für die Bestimmung des Verwendungsgegenstandes potentiell (auch) auf die vorgelagerte Verarbeitungsstufe der unbehandelten natürlichen Lupine und / oder die nachgelagerte - höhere - Verarbeitungsstufe der "Lupinenzubereitung" abstellen kann (oder auf jedes andere begrifflich fassbare Entwicklungsstadium), keinen Anhalt dafür, in Bezug auf das "Lupineneiweiß" liege keine "Verwendung" vor. Das (Süß-) "Lupineneiweiß" ist auch - unter der inhaltlich vollständig synonymen Formulierung "Eiweiß der Süßlupine" - "auf der Kennzeichnung durch Worte (...) hervorgehoben", wie in Art. 22 Abs. 1 lit. b) LMIV tatbestandlich vorausgesetzt.
Der damit tatbestandlich nach Maßgabe des Art. 22 Abs. 1 lit. b) LMIV ausgelösten Pflicht zur Mengenangabe hat die Beklagte nicht genügt. Der Anteil konkret an "Lupineneiweiß" ergibt sich nicht aus dem Verpackungsaufdruck. Zwar wies die Beklagte darauf hin, der Eiweißanteil werde schließlich in der Nährwerttabelle angegeben. Das mag richtig sein, ist aber unbehilflich, und zwar schon deshalb, weil sich der insgesamt zu deklarierende Eiweißanteil nicht im Lupineneiweiß erschöpft. Auch die Angabe der Menge an "Lupinenzubereitung", die sich (unbestritten) im Zutatenverzeichnis findet ("Lupinenzubereitung (7,4 %; Wasser, Lupinen Eiweiß Isolat), ..."), ist nicht geeignet, die Pflicht aus Art. 22 Abs. 1 lit. b) LMIV zu erfüllen. Das ergibt sich schon daraus, dass diese Mengenangabe sich nicht allein auf den in der "Zubereitung" enthaltenen (Lupinen-) Eiweißanteil bezieht, sondern den - im Übrigen unstreitig dominierenden - Wasseranteil einschließt.
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Der Kläger ist eine Vereinigung von Verbraucherverbänden in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Streitbegriffen ist die Etikettierung des von der Beklagten produzierten veganen Joghurt-Ersatzes, ein lupinenbasiertes Produkt, das im Einzelhandel vertrieben wird und u.a. auch Mango bzw. Mangopüree enthält. Für die Herstellung wird aus der Lupinenpflanze Eiweiß extrahiert. Im Endprodukt findet sich dieses Eiweiß - zusammen mit Wasser - als Bestandteil einer sog. "Lupinenzubereitung". Auf dem Etikett wird, farblich vom übrigen Text abgehoben, das "Eiweiß der Süßlupine" erwähnt und es finden sich Angaben zum Anteil der "Lupinenzubereitung" am Gesamtprodukt sowie zum Gesamteiweißanteil.
Der Kläger hielt die Gestaltung des Etiketts für unvereinbar mit lebensmittelrechtlichen Vorgaben, woraus Ansprüche sowohl aus § 8 Abs. 1 UWG als auch aus § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG resultieren würden. Konkret stelle es einen Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 lit. b) LMIV dar, wenn die Beklagte einerseits auf der Verpackung das "Eiweiß der Süßlupine" - offenkundig werbend - in den Vordergrund rücke, dann aber den Anteil konkret dieser "Zutat" am Produkt nicht angebe.
Das LG hat der Unterlassungsklage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos.
Die Gründe:
Die angegriffene Unterlassungsverurteilung begegnet keinen Bedenken. Die Beklagte ist, wie das LG zutreffend erkannt hat, verpflichtet, die Menge des bei der Herstellung ihrer veganen Joghurtalternative verwendeten Lupineneiweißes anzugeben; das folgt aus Art. 22 Abs. 1 lit. b) LMIV.
Bei dem Lupineneiweiß handelt es sich um eine "Zutat" i.S.d. Art. 22 Abs. 1 LMIV. Daran ändert weder der Umstand etwas, dass "Eiweiß" zugleich ein unter Nährwertgesichtspunkten deklarierungspflichtiger Inhaltsstoff i.S.d. Art. 30 Abs. 1 Satz 1 lit. b) LMIV ist, noch die Tatsache, dass sich zwischen die Verarbeitungsstufen "Lupineneiweiß" und "Endprodukt" als Durchgangsstadium des Produktionsprozesses die im Zutatenverzeichnis (Art. 18 LMIV) als solche erwähnte - quarkähnliche - "Lupinenzubereitung" (bestehend aus dem Lupineneiweiß, seinerseits im Wege eines isoelektrischen Proteinfällungsprozesses aus der Lupine gewonnen - isoliert -, und Wasser) "schiebt". Dass auch die Lupine als solche, also der natürliche "Urstoff", "Zutat" im hier maßgeblichen Sinne ist bzw. sein kann, steht der Eigenschaft des "Lupineneiweißes" als "Zutat" gleichfalls nicht entgegen.
Die Überschneidung zwischen Art. 22 Abs. 1 LMIV und Art. 30 Abs. 1 Satz 1 lit. b) LMIV ist - zunächst für die Einordnung des "Lupineneiweißes" als Zutat an sich, aber auch für die nachfolgend zu beantwortende Frage der ausreichenden Angaben zur Menge - irrelevant. Bereits der jeweilige Normwortlaut bietet keinen Anhalt dafür, ein Produktbestandteil könne im Sinne wechselseitiger Exklusivität nur "Zutat" oder Inhaltsstoff sein. Aber auch aus dem Blickwinkel einer gesetzessystematischen Auslegung erweisen sich Überlappungen zwischen beiden Regelungskreisen als naheliegend und vom Verordnungsgeber einkalkuliert.
Die Zutat - das "Lupineneiweiß" - ist auch i.S.d. Art. 22 Abs. 1 LMIV bei der Herstellung "verwendet" worden, nämlich in den Fertigungsprozess eingeflossen. Auch insoweit gibt der Umstand, dass man für die Bestimmung des Verwendungsgegenstandes potentiell (auch) auf die vorgelagerte Verarbeitungsstufe der unbehandelten natürlichen Lupine und / oder die nachgelagerte - höhere - Verarbeitungsstufe der "Lupinenzubereitung" abstellen kann (oder auf jedes andere begrifflich fassbare Entwicklungsstadium), keinen Anhalt dafür, in Bezug auf das "Lupineneiweiß" liege keine "Verwendung" vor. Das (Süß-) "Lupineneiweiß" ist auch - unter der inhaltlich vollständig synonymen Formulierung "Eiweiß der Süßlupine" - "auf der Kennzeichnung durch Worte (...) hervorgehoben", wie in Art. 22 Abs. 1 lit. b) LMIV tatbestandlich vorausgesetzt.
Der damit tatbestandlich nach Maßgabe des Art. 22 Abs. 1 lit. b) LMIV ausgelösten Pflicht zur Mengenangabe hat die Beklagte nicht genügt. Der Anteil konkret an "Lupineneiweiß" ergibt sich nicht aus dem Verpackungsaufdruck. Zwar wies die Beklagte darauf hin, der Eiweißanteil werde schließlich in der Nährwerttabelle angegeben. Das mag richtig sein, ist aber unbehilflich, und zwar schon deshalb, weil sich der insgesamt zu deklarierende Eiweißanteil nicht im Lupineneiweiß erschöpft. Auch die Angabe der Menge an "Lupinenzubereitung", die sich (unbestritten) im Zutatenverzeichnis findet ("Lupinenzubereitung (7,4 %; Wasser, Lupinen Eiweiß Isolat), ..."), ist nicht geeignet, die Pflicht aus Art. 22 Abs. 1 lit. b) LMIV zu erfüllen. Das ergibt sich schon daraus, dass diese Mengenangabe sich nicht allein auf den in der "Zubereitung" enthaltenen (Lupinen-) Eiweißanteil bezieht, sondern den - im Übrigen unstreitig dominierenden - Wasseranteil einschließt.
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