Zur Regelung des sog. Hin- und Herzahlens durch § 27 Abs. 4 AktG in Anlehnung an § 19 Abs. 5 GmbHG
OLG Stuttgart 6.9.2011, 8 W 319/11Mit Schreiben vom 28.6.2011 teilte das AG - Registergericht - dem Beteiligten zu 2) mit, dass die mit notariell beglaubigter Urkunde vom 9.5.2011 gegenüber dem AG vorgenommene nachträgliche Offenlegung des Hin- und Herzahlens analog § 27 Abs. 4 S. 2 AktG unzulässig sei, da sie nicht mit der Erstanmeldung bzw. der Anmeldung über die Kapitalerhöhung verbunden sei.
Es wurde deswegen der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, den Antrag binnen einer Frist von vier Wochen zurückzunehmen, anderenfalls dieser kostenpflichtig zurückgewiesen werde. Zugleich wurde darüber belehrt, dass gegen die Verfügung die Beschwerde zulässig sei, die binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Verfügung beim AG schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen sei.
Gegen das am 4./5.7.2011 zugestellte Schreiben legte die Antragstellerin durch den bevollmächtigten Notar am 18.8.2011 Beschwerde ein. Zuvor hatte der Beteiligte zu 2) um Fristverlängerung bis 1.9.2011 zur Beantwortung des Schreibens gebeten. Diese wurde ihm telefonisch bewilligt und zugleich darauf hingewiesen, dass auch die Rechtsmittelfrist erst am 1.9.2011 ablaufe. Eine schriftliche Bestätigung erfolgte ebenfalls.
Mit Schreiben vom 22.8.2011 half das AG der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem OLG zur Entscheidung vor. Das OLG hob die Vorlage auf und gab die Sache dem AG zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurück.
Die Gründe:
Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist statthaft und auch sonst zulässig.
Zwar wurde die Beschwerdefrist von einem Monat, die mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten beginnt (§ 63 Abs. 1 und 3 S. 1 FamFG), versäumt. Denn eine Abkürzung oder Verlängerung der Frist durch Verfügung des Gerichts oder durch Vereinbarung der Beteiligten scheidet aus. Der Antragstellerin kann aber vorliegend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. §§ 17-19 FamFG gewährt werden. Nachdem die versäumte Rechtshandlung innerhalb der eingeräumten Frist bis 1.9.2011 vorgenommen wurde, bedarf es für die Wiedereinsetzung keines Antrags (§ 18 Abs. 3 S. 3 FamFG), weswegen der Antragstellerin Wiedereinsetzung zu gewähren war (§ 19 FamFG).
§ 382 Abs. 4 FamFG gestattet ausnahmsweise die Anfechtbarkeit einer bloßen Zwischenentscheidung, um etwaige Fehler der Anmeldung vor einer endgültigen Antragszurückweisung beheben lassen zu können. Handelt es sich um kein behebbares Hindernis, sondern ein endgültiges, so darf keine Zwischenverfügung ergehen, vielmehr wäre ein Eintragungsantrag nach § 382 Abs. 3 FamFG abzulehnen. Es kann dann ein - nicht selbständig anfechtbarer - rechtlicher Hinweis geboten sein, der auf das unbehebbare Hindernis hinweist. Im vorliegenden Fall hätte demnach eine den Aufnahmeantrag ablehnende (End-) Entscheidung ergehen müssen - ggf. im Anschluss an einen vorherigen Hinweis auf die Rechtsauffassung des Gerichts.
Die Vorlageentscheidung war deshalb aufzuheben und die Sache dem AG zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückzugeben. Dabei ist in der Sache auf Folgendes hinzuweisen: § 27 Abs. 4 AktG regelt in Anlehnung an § 19 Abs. 5 GmbHG erstmals das so genannte Hin- und Herzahlen. Dass die Rechtsprechung zu § 19 Abs. 5 GmbHG übertragbar ist auf § 27 Abs. 4 AktG, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Die Privilegierung des § 27 Abs. 4 AktG erfordert als Voraussetzung u.a., dass dann, wenn der Anspruch der AG gegen den Aktionär auf Rückgewähr der Bareinlageleistung wirksam begründet sowie vollwertig und jederzeit fällig ist, trotz vereinbarter Rückgewähr Erfüllung eingetreten ist, sofern die Vereinbarung bei der Anmeldung gegenüber dem Registergericht offen gelegt wurde.
Eine Nachholung der unterlassenen Offenlegung wird zum Teil nur für möglich gehalten, solange die AG bzw. die Kapitalerhöhung noch nicht in das Handelsregister eingetragen ist. Der Vorschlag der "Heilung" durch eine nachträgliche Offenlegung bei einer Einlagenrückzahlung vor Inkrafttreten des ARUG wird im Hinblick auf die Übergangsregelung in § 20 Abs. 4 EGAktG an eine weitere Handelsregisteranmeldung geknüpft; auf das Erfordernis der Anmeldung wird demnach nicht verzichtet. Die Rechtsauffassung des AG, dass entsprechend dem Wortlaut des § 27 Abs. 4 S. 2 AktG als weitere Voraussetzung für die Privilegierung nach § 27 Abs. 4 S. 1 AktG die Offenlegung bei der Erstanmeldung bzw. der Anmeldung über die Kapitalerhöhung zu erfolgen hat, war daher nicht zu beanstanden.
Linkhinweis:
- Die Entscheidung ist unter Landesrechtsprechung Baden-Württemberg veröffentlicht.
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