Zur Registrierung einer Marke als Domänennamen ".eu" während der Vorabregistrierungsfrist
EuGH 19.7.2012, C-376/11Die Registrierung der Domänennamen oberster Stufe ".eu" begann am 7.12.2005. Sie wurde nach dem "Windhundprinzip" durchgeführt, d.h. mit Vorrang des ersten Antragstellers. Während der ersten vier Monate, die Vorabregistrierungsfrist (Sunrise Period) genannt werden, waren jedoch nur die Inhaber früherer Rechte sowie amtliche Stellen berechtigt, eine Registrierung zu beantragen.
Ferner wurde zwischen den Inhabern früherer Rechte unterschieden. Die ersten beiden Monate waren für Inhaber von nationalen und Gemeinschaftsmarken sowie von geografischen Angaben reserviert. Jedoch konnten sich auch deren Lizenznehmer auf diese bevorzugte Behandlung berufen. Nach den anwendbaren Rechtsvorschriften nimmt EURid, die mit dieser Registrierung beauftragte Stelle, die Eintragung der Domänennamen vor, die von einem in einem Unionsstaat niedergelassenen Unternehmen beantragt werden.
Der Sachverhalt:
Die amerikanische Gesellschaft Walsh Opticals bietet in ihrem Internetauftritt Kontaktlinsen und andere Brillenartikel an. Einige Wochen vor Beginn der Vorabregistrierungsfrist meldete sie die Benelux-Marke "Lensworld" an. Außerdem schloss sie eine "Lizenzvereinbarung" mit Bureau Gevers ab, einer belgischen Gesellschaft, die im Bereich der Beratung auf dem Gebiet des geistigen Eigentums tätig ist.
Nach diesem Vertrag musste Bureau Gevers die Registrierung eines Domänennamen ".eu" in ihrem eigenen Namen, aber für Rechnung von Walsh Optical erwirken. Folglich beantragte Bureau Gevers am 7.12.2005, dem ersten Tag der Vorabregistrierungsfrist, bei EURid den Domänennamen "lensworld.eu". Am 10.7.2006 wurde dieser Domänennamen für Bureau Gevers eingetragen.
Die belgische Gesellschaft Pie Optiek, die über das Internet Kontaktlinsen, Brillen und andere Produkte für die Augen verkauft, hatte am 17.1.2006 ebenfalls den Domänennamen "lensworld.eu" bei EURid beantragt. Kurz davor hatte sie auch die Benelux-Bildmarke in Form des Wortzeichens "Lensworld" angemeldet. EURid wies jedoch diese Anmeldung aufgrund des früher gestellten Antrags von Bureau Gevers zurück. Pie Optiek trägt jetzt vor, dass Bureau Gevers spekulativ und missbräuchlich gehandelt habe.
In diesem Zusammenhang ersucht die Cour d"appel de Bruxelles (Belgien), bei der das Rechtsmittel in diesem Rechtsstreit anhängig ist, den EuGH um Erläuterung des Begriffs "Lizenznehmer", der während der ersten Phase der Vorabregistrierungsfrist die Registrierung beantragen konnte.
Die Gründe:
Unter der Domäne oberster Stufe ".eu" sind die Domänennamen zu registrieren, die von einem Unternehmen, das seinen satzungsmäßigen Sitz, seine Hauptverwaltung oder seine Hauptniederlassung innerhalb der Union hat, einer in der Union niedergelassenen Organisation unbeschadet der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften sowie einer natürlichen Person mit Wohnsitz innerhalb der Union beantragt wurden. Solche Unternehmen, Organisationen und natürliche Personen sind die Antragsberechtigten, die einen oder mehrere Domänennamen unter der ".eu"-Domäne registrieren lassen dürfen.
Was die Inhaber früherer Rechte angeht, so durften nur die, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung oder ihren Wohnsitz innerhalb der Union haben, während der Vorabregistrierungsfrist Domänennamen in der ".eu"-Domäne registrieren lassen. Ebenso sind die Lizenznehmer früherer Rechte nur antragsberechtigt, wenn sie das Kriterium der Anwesenheit im Hoheitsgebiet der Union erfüllen und anstelle des Inhabers zumindest teilweise und/oder zeitweise über das betreffende frühere Recht verfügen. Denn es würde den Zielen der betreffenden Rechtsvorschriften widersprechen, einem Inhaber eines früheren Rechts, der nicht das Anwesenheitskriterium erfüllt, zu erlauben, dass er durch eine Person, die es erfüllt, aber nicht über das genannte Recht verfügt, einen Domänennamen ".eu" erhält.
Eine Vereinbarung, durch die der Vertragspartner, der "Lizenznehmer" genannt wird, sich gegen ein Entgelt verpflichtet, zumutbare Anstrengungen zu unternehmen, um einen Antrag einzureichen und eine Registrierung eines Domänennamens ".eu" für den Inhaber einer Marke zu erwirken, ähnelt i.Ü. eher einem Dienstleistungsvertrag als einem Lizenzvertrag. Dies ist umso mehr der Fall, wenn eine solche Vereinbarung diesem Lizenznehmer kein Recht zur kommerziellen Benutzung dieser Marke gewährt.
Folglich kann eine solche Vereinbarung nicht als ein Lizenzvertrag über Markenrechte betrachtet werden. Demnach kann ein Vertragspartner, dessen Auftrag es ist, einen Domänennamen ".eu" für den Inhaber der fraglichen Marke zu registrieren, nicht als "Lizenznehmer früherer Rechte" im Sinne der anwendbaren Rechtsvorschriften qualifiziert werden.
Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.